Facebook beauftragt Verleumdungskampagne gegen TikTok


„Der Traum wäre es, Geschichten mit Schlagzeilen wie ‚Von Tänzen zur Gefahr‘ zu bekommen“, sagte ein Kampagnenleiter.

Nach Recherchen der „Washington Post“ bezahlt die Facebook-Muttergesellschaft Meta eine der größten republikanischen Beratungsfirmen des Landes, um eine Verleumdungskampagne gegen die chinesische App TikTok zu arrangieren. „Der Traum wäre es, Geschichten mit Schlagzeilen wie ‚Von Tänzen zur Gefahr‘ zu bekommen“, sagte ein Kampagnenleiter.

In der Lobby lügt man, bis sich die Balken biegen

Der Feldzug gegen TikTok erfolgt auf vielen Wegen: So sollen zum einen Meinungsbeiträge und Leserbriefe in großen Nachrichtenagenturen platziert werden – mit dem Ziele, TikTok zu verunglimpfen und als Gefahr für die Kinder in den Vereinigten Staaten darzustellen. Auch die Einflussnahme auf politische Reporter und Lokalpolitiker sollte dabei helfen, den großen Meta-Konkurrenten zu Fall zu bringen. Außerdem wurde die Firma Targeted Victory mit der Verbreitung dubioser Geschichten über vorgebliche TikTok-Trends beauftragt, die in Wirklichkeit auf Facebook entstanden sind.

„Schlag den Lehrer“-Challenge ein Ammenmärchen

So war intern ein Google-Dokument mit dem Titel „Bad TikTok Clips“ im Umlauf, in dem angeblich auf TikTok kursierende, gefährliche Jugendtrends aufgeführt wurden. Jene Geschichten sollten schließlich in Lokalzeitungen erscheinen. Im Zuge der „devious licks“-Challenge beispielsweise würden Kinder und Jugendliche in ihrer Schule vandalieren. Die Challenge veranlasste Senator Richard Blumenthal im September sogar dazu, einen Brief an die TikTok-Führungsriege zu richten – die App sei „wiederholt missbraucht worden, um Verhalten zu fördern, das schädliche und zerstörerische Handlungen unterstützt“, so der Demokrat. Nach Recherchen der Reporterin Anna Foley kam jedoch ans Licht, dass sich der Trend zunächst auf Facebook und nicht auf TikTok verbreitet hatte.

Im Oktober sollten dann Gerüchte über die „Slap a Teacher TikTok challenge“ in den Umlauf gebracht werden: Angeblich hätte es einen Vorfall auf Hawaii gegeben. In Wahrheit aber war der vorgeblich bedrohliche Trend eine freie Erfindung – das Gerücht entstand wiederum auf Facebook.

Facebook will Rap-Newcomer*innen unterstützen – mit einer App namens „BARS“

Facebook lenkt vom Schmutz vor der eigenen Haustüre ab

Ein Ziel der Kampagne: Gegen den Superschurken TikTok sollte Facebook als kleineres Übel inszeniert werden. Es müsse die Botschaft vermittelt werden, „dass Meta zwar der aktuelle Sandsack ist, TikTok aber die wirkliche Bedrohung darstellt, vor allem weil es sich um eine App in ausländischem Besitz handelt, die die Nummer 1 bei der Weitergabe von Daten ist, die junge Teenager nutzen“, schrieb ein Direktor der Firma in einer E-Mail. Der Feldzug gegen TikTok sollte also auch von Metas eigenen Datenschutz- und Kartellrechtsbedenken ablenken.

Unter Jugendlichen läuft TikTok Facebook den Rang ab

Allerdings können die Verleumdungs-Aktionen nicht als bloßes Täuschungsmanöver gelesen werden: Im vergangenen Jahr hatte Whistleblowerin Frances Haugen veröffentlicht, dass Teenager „zwei- bis dreimal mehr Zeit“ auf TikTok als auf Instagram verbrächten und dass die Beliebtheit von Facebook bei jungen Menschen stark abgenommen habe. Im Februar hatte Facebook erstmalig in seiner Geschichte einen Nutzerrückgang zu verzeichnen. Als Reaktion hat das Unternehmen von Mark Zuckerberg mit der Instagram-Unterfunktion Reels einen TikTok-Klon entwickelt. Gegenüber Investoren hatte er bekundet, dass der Konkurrent eine große Bedrohung sei: „Die Menschen haben viele Möglichkeiten, wie sie ihre Zeit verbringen wollen, und Apps wie TikTok wachsen sehr schnell“, so der CEO.

Targeted Victory wurde als republikanisches digitales Beratungsunternehmen gegründet und wirbt auf seiner Website damit, „eine rechtsgerichtete Perspektive zur Lösung von Marketingherausforderungen“ zu bieten. Von der „Washington Post“ gestellte Nachfragen blieben unbeantwortet. Das Unternehmen ließ jedoch verlautbaren, dass es Meta seit mehreren Jahren vertrete und man stolz auf die Arbeit sei, die man verrichte. Meta-Sprecher Andy Stone verteidigte die Kampagne mit den Worten: „Wir sind der Meinung, dass alle Plattformen, einschließlich TikTok, einer Prüfung unterzogen werden sollten, die ihrem wachsenden Erfolg entspricht.“ Ein Sprecher des verunglimpften TikTok sagte, man sei „zutiefst besorgt“ über „das Schüren von lokalen Medienberichten über angebliche Trends, die nicht auf der Plattform zu finden sind.“

U2 sind jetzt auf TikTok – und kündigen dort „Your Song Saved My Life“ an