Feier der Dreideutigkeit


Antony ist Mann, Frau oder Kind - je nachdem, was der Song verlangt.

Antony ist besorgt am die Aufnahmequalität. Zweimal wechselt er den Interviewort – vom Cafe (Espressomaschinen-Wall-Of-Sound) und Restaurantgarten (Straßenlärm und Baumaschinengroove) ins Hotelzimmer. Da liegt er auf dem Bett und erzählt eine Tellerwäschergeschichte aus der guten Hälfte Amerikas, die im Schoß des alten Europa Qualitäten eines rührenden Broadway-Musicals annimmt. Antony erzählt die Geschichte seiner Selbstfindung im New York der Boheme in wechselnden Perspektiven: „Ich war Kellnerin in einem Cafe, Anfang der 90er, immer von Mitternacht bis acht Uhr morgens. Das war so ein Laden, wo man all die Drogenabhängigen der Stadt kennenlernt, die Leute von der Straße. Ich hatte viele lustige Jobs: Putzfrau, Gärtner, Go-Go-Tänzer, einige Musikgeschichten.“

Es vergingen noch ein paar Jahre, in denen er in New Yorker Drag-Queen-Clubs auftrat, als Late-Night-Boy mit schwarzen Slips und weiß geschminktem Gesicht. „Ich sah aus wie ein Butoh-Tänzer“, sagt er. Dabei gewann er genug Selbstvertrauen, es mit eigenen Songs zu versuchen und mit Live-Band. antony and the Johnsons (1998) ist ein Dokument dieser Zeit – mehr nicht, meint er heute. Wie es sich für eine Geschichte aus dem guten Amerika gehört, wurde der sanfte Riese aus dem Untergrund Manhattans erhört, entdeckt, schließlich gefeiert. Lou Reed engagierte Antony für seine Tournee 2003 und überließ ihm den Gesangspart im Velvet-Underground-Song „Candy Says“. Devendra Banhart und Rufus Wainwright preisen ihn, Boy George („Einer meiner ersten Musikhelden, als ich elf war“) ging mit ihm ins Studio. Sie alle sind auf im a bird now zu hören, wie sie das elegante Vibrato des Künstlers umkreisen, aus dem nichts als das Verlangen nach Liebe spricht. In dieser Stimme ist die Auflösung der Geschlechterrollen enthalten, die Feier der Zwei-, manchmal Dreideutigkeit. Manchmal möchte er der Junge aus seiner Kindheit sein, manchmal Mann, Frau und jetzt gerade alles auf einmal. „In meinen Songs suche ich nach Transformation“, sagt Antony. „Ich möchte eine Atmosphäre schaffen, in der die Leute Zugang zu ihren Gefühlen finden. Die Bühne ist für mich ein Laboratorium: Ich lerne verstehen, was zwischen mir und dem Publikum passiert.“ i’m a bird now ist die Geburt des Antony, wie wir ihn kennen. Wunderbare Live-Shows werden folgen. Und ganz andere Platten: „Ich möchte ein afrikanisches Album machen mit Klatschliedern und Gesang, ich möchte fröhliche Platten machen, habe Songs für ein Album über Amerika und eine Reihe neuer Lieder, von denen nur ,Hope There’s Someone‘ schon auf i’m a bird now ist.“

www.antonyandthejohnsons.com