Frank Zappa unterwegs


Schönen Dank, Onkel Frank. Im vergangenen Jahr nervte Zappas Tournee durch Deutsche Lande ein wenig: Die Soli waren zu lang, die Arrangements nur selten witzig, und gegen den oft übermächtigen Sound half nicht mal Alka Seltzer. Ende Januar und Anfang Februar jedoch, beim jüngsten Besuch in der Bundesrepublik, präsentierte sich Amerikas Oberfreak Frank wieder als radikaler Tausendsassa, gewaschen mit allen musikalischen Wassern, frech und virtuos zugleich, mit einer großartigen vierköpfigen Band im Rücken. Populärer denn je ist Zappa hierzulande obendrein: Die Tournee war fast überall ausverkauft, 3000 bis 6000 Laute kamen zu den einzelnen Konzerten.

Frank Zappa hat, das zeigte sich jetzt sozusagen mit schonungsloser Offenheit, nach all den Jahren auch nicht ein Quentchen an Frische und Originalität verloren. Im Gegenteil: Seine ironischen und zuweilen mit Recht zynischen Seitenhiebe gegen den hemmungslosen Ausverkauf der Rockmusik sind nicht mehr so dick verpackt in theatralischen Firlefanz wie zu Zeiten der Mothers of Invention; auf diese Weise sitzen die Nakkenschläge viel besser, erkennt gerade ein fremdsprachiges Publikum die Pointen viel schneller.Zum Beispiel, wenn Frank, der farbige Gitarrist Ray White und der wie eine Kreuzung von Marc Bolan und Ian Hunter ausschauende Bassist Patrick O’Heam mitten in einer Jazz-Rock-Nummer plötzlich ein bleiernes Heavy-Metal-Riff aus dem Körper schütteln, die Gitarren hochreißen und sich gegenseitig mit immer heftigeren Zuckungen aufgeilen: Das ist eine schallende Ohrfeige für Papiertiger vom Schlage Ted Nugent, Marc Farner oder Paul Stanley (von Kiss).

Ein ganzes Spektrum aktueller Rockstile nahtlos zu verschmelzen, war schon immer die Kunst, die Zappa beispielhaft beherrschte. Mit der Band, die er diesmal mitbrachte, gelingt ihm das allerdings mit traumhafter Sicherheit. Zappas derzeitige Gruppe – neben Ray White und Patrick O’Heam gehören noch der Drummer Terry Boozio und der Keyboard-Mann Eddie Jobson (früher bei Roxy Music und Curved Air) dazu – besteht aus ausgeprägten Persönlichkeiten, die als Solisten begeistern; gleichwohl haben sie sich selbst und ihre überschäumende Energie so gut im Griff, daß ihr Zusammenspiel auch in längeren, spannenden Improvisationen einen makel- und bruchlosen Klangkörper entstehen läßt.

Zappas Musik ist intensiver und ein wenig sachlicher geworden; hinter vielen seiner Texte und Bühnenansagen steckt dagegen der altvertraute Bürgerschreck. In sein Kreuzfeuer geriet diesmal besonders Siegfried E. Loch, Boß der deutschen Tochterfirma von Warner Brothers. Zwischen Warner und Zappa, so wurde in der Plattenbranche gemunkelt, habe es, wie man so schön sagt, „geschäftliche Differenzen“ gegeben. Ob das stimmt, weiß ich nicht. Tausende von Zuhörern staunten allerdings genau wie ich über die lieben Worte, die Frank in mehreren Konzerten an die Adresse seines Geschäftspartners richtete. So meinte er in einem Song, er würde lieber einen Pakt mit dem Teufel schließen, als seinen Vertrag mit Warner Bros, zu verlängern. Und beim Konzert in Hamburg schlug dann seine große Stunde: Wie auf dem Präsentierteller saß in der ersten Zuschauerreihe Siggi E. Loch. Im Verlauf der dritten Zugabe – „Disco Boy“ zerrte ein Zappa-Helfer den ahnungslosen Topmanager plötzlich aus dem Sitz hoch und zum Bühnenrand hin, wo Frank ihn süffisant bat, doch ein Stückchen mitzusingen: Er wolle nämlich wissen, ob der Chef der Plattenfirma überhaupt die Songtexte kenne, die er unter die Leute bringe. Natürlich machte Siggi Loch bei diesem Spielchen nicht mit, aber Freund Zappa hatte sein Erfolgserlebnis. Nachher, beim mitternächtlichen Schmaus im Hamburger Schickeria-Vorort Pöseldorf, saßen die beiden Übrigens wieder friedlich beieinander.

Zappa-Platten werden durch diesen spektakulären Zwischenfall wohl kaum billiger. Aber das Konzert bekam einen schönen Showdown. Und ein Gewitter reinigt die Luft. Ein Prosit also auf die nächste Zappa-Platte bei Warner Bros. Schließlich geht auf dem Plattenmarkt nichts über die Macht und den Einfluß einer schlagkräftigen Weltfirma. Stimmt’s, Onkel Frank?