Gabi Delgado


Seit mit DAF eine der ersten und erfolgreichsten Bands des NDW-Booms von der Bühne trat, versucht sich das ehemalige Duo an Solo-Karrieren. Sänger Gabi hat dabei offensichtlich den besseren Start erwischt. Über seine neuen Pläne sprach mit ihm Stefan Svoboda.

Wie war es am Ende bei DAF, habt ihr euch gelangweilt?

„Ich hab mich ziemlich gelangweilt. Nach GOLD UND LIEBE, genauer gesagt, nach der großen Deutschland-Tour, die wir damals gemacht haben, war ich schon ziemlich angewidert.“

Von der Musik oder von den Begleitumständen?

“ Von den Begleitumständen. Von der Musik damals noch nicht. Meine Lieblingsplatte ist wahrscheinlich DIE KLEINEN UND DIE BÖSEN (die offiziell zweite DAF-LP, erschienen auf Mute noch als Quartett, also vor den drei kommerziell-erfolgreichen LPs auf Virgin). ALLES IST GUT finde ich auch immer noch gut, aber weniger als Musik, eher als Statement Die GOLD UND LIEBE war dann eigentlich schon eine Verseichtung davon.

Aber das war auch noch gut, weil uns das in Teeme-Gewässer brachte, was ich zeitweilig sehr genossen habe, daß einfach ein Drittel im Konzert unter fünfzehn war.

Aber diese Tour (seufzt)! Und dann immer nur zu zweit, wir haben uns ja unheimlich viele Gesetze gemacht, das war wie so ein Vertrag, schon bei der alten DAF haben Robert und ich, bevor wir ALLES IST GUT aufnahmen, regelrechte Koalitionsverhandlungen geführt. Beschlossen, daß wir keine weiteren Musiker mit dazu nehmen, nur Synthesizer, Schlagzeug und Gesang, nur deutsche Texte.

Und das fand ich nach GOLD UND LIEBE ziemlich beschränkend. Die Musik, die ich privat gehört habe und die, die ich gemacht habe, das ist immer weiter auseinander gegangen. Früher war das nicht der Fall. Da konnte ich, wenn ich Cassetten aufnahm, auch immer ein DAF-Stück dazu tun und es hat mir gefallen.

Nur war es dann nicht möglich aufzuhören, es konnte nicht einfach einer ,Nein‘ sagen und den anderen im Stich lassen. So haben wir dann beschlossen, die dritte, FÜR IMMER, noch aufzunehmen – und wir wollten auch beide, daß es unsere beste wird. Aber das konnte dann doch nicht klappen, weil wir mit unseren Gedanken schon ganz woanders waren.“

Nun hat DAF einiges bewegt und bewirkt, wurde oft kopiert, hat neue Stilmittel kreiert. Wie ist es mit deiner Art, Texte zu schreiben, werden da Errungenschaften von DAF aufrechterhalten, weitergeführt oder fängst du ganz neu an?

„Also die Texte sind schon ähnlich, aber deswegen anders, weil sie in einer anderen Spraehe, englisch, geschrieben sind, und weil die andere Musik eine andere Sprache erforderte.

Aber von der Grundhaltung her sind sie schon ähnlich geblieben: limitierte Anzahl von Sätzen, allerdings ohne Befehlsform. Dafür war das Deutsche auch sehr geeignet. Diese Texte habe ich jetzt auf Spanisch geschrieben. Und ich mag halt nur Texte, auch Gedichte, die nicht in Reimen angeordnet sind. Ich habe dann auf deutsch übersetzt, weil derjenige, der sie mir auf Englisch formulieren sollte, kein Spanisch konnte.

Außerdem langweilt mich das Singen in Deutsch, in Englisch singen macht viel mehr Spaß. Daß man die Laute stretchen kann! Und dann diese Verbrauchtheit. In englischen Pop-Texten klingt jedes Wort so unheimlich verbraucht, aber schön ¿ verbraucht. Nicht daß man sagt: ,Oh! Schon wieder!‘ Sondern es entstehen ganze Assoziationsketten. Das Wichtigste an der neuen Platte ist, daß da nicht so ein Konzept dahinter steht. „

…was bei DAF ja stark der Fall war…

„Genau! DAF war für mich immer eher ein Konzept als eine Musik. Allerdings ein Konzept, mit dem wir eine ganze Maschine gestartet haben, über die wir irgendwann die Kontrolle verloren haben.

Bei diesem Ding gab es überhaupt kein Konzept. Ich habe jetzt schon Schwierigkeiten mit einem deutschen Journalisten gehabt, der zu mir gesagt hat: ,Aha, Gabi, neues Konzept, neue Platte, gib Direktiven!’So im Stile von: .Umreiße in zehn neuen Grundsätzen..

Und sowas gibt’s nicht mehr. Ich hatte das Glück, viele Leute zu treffen und zusammenbringen zu können und hab die dann ganz traditionell arbeiten lassen. Mit viel traditionelleren Instrumenten, eben so vom Handwerk her. Das war enorm befreiend im Vergleich zu DAF.“

Du sagst, es gäbe kein festes Konzept, sondern eher Pop-Musik im klassischen Sinne, aber ein Image gibt es ja wohl für die Solo-Karriere. Wenn man sich das Cover oder das Video ansieht, dieses Sonnige, Tropische…

„Das Cover ist sehr stark an Flamenco-Covern der frühen Sechziger orientiert, nur ist da meistens eine Gitarre, wo bei mir eine Frau ist. Das Image von mir ist nicht genau festgelegt. Man kann das so Papagallo-mäßig sehen, aber auch ,newyorkish’oder wie immer man das nennen will. Wichtig war mir, daß das ziemlich leicht bleibt.“

Du siehst auf dem Cover doch ziemlich nach „Latin Lover“ aus.

„Aber das ist auch nur ein kleiner Teil der Platte, ein Aspekt. Ich wollte auf keinen Fall das Lateinische überbetonen. Ich hätte genauso gut mit New York renommieren können, weil die Platte ziemlich von diesem Bassisten aus der Bronx geprägt ist. Raoul Walton, aber das wollte ich auch nicht.

Oder die Leute aus Kolumbien, die da mitspielen. Das hätte man alles ausschlachten können. Aber ich wollte das nicht, verstehst du, das wäre krank. Ich hasse den alten New York-Kult und ich hasse den neuen New York-Kult. Ich finde New York ganz toll, aber das bleibt unter uns.“

… bis auf ein paar ME/Sounds-Leser…

„Haha, ja, aber es soll auf jeden Fall global wirken, national nicht festgelegt. Wenn man ein Bild von sich abgibt, muß man irgendeine Rolle annehmen. Wenn du das ,Latin Lover‘ nennen willst, vielleicht.

Es ist auf jeden Fall wieder eine sehr sexbesessene Platte.“

Die Musik stammt ja wohl zu einem Teil von einem Stephan Wittwer. Wer ist das?

„Ja, das ist ein Schweizer, der ist 30. Der hat seinen Background im Free Jazz und experimenteller Musik. Polyphonie Zürich, das ist so ein ziemlich bekanntes, freies, ernstes Orchester. Der war so meine rechte Hand bei der ganzen Sache.

Aber nur bei der Musik, denn sonst hat der nicht viel Ahnung, was so angesagt ist. Es gibt eben Leute, die haben in einer Sache einen ganz konkreten Standpunkt und vertreten den auch sehr glaubwürdig und in anderen Sachen kennen sie sich überhaupt nicht aus. Für die Musik war er am wichtigsten, dabei hat er bis jetzt noch nie ein Pop-Produkt gemacht. Da hatten wir am Anfang auch Schwierigkeiten. Wie er sich in so einem Kontext sieht. Aber am Ende war er auch sehr zufrieden.“

Wirst du mit ihm und überhaupt live auftreten?

„Also ich werde nie wieder ein Rock-Konzert machen, das heißt aber nicht, daß ich mir nicht eine andere Form vorstellen könnte. Es gibt da em paar Pläne, aber die sind noch sehr vage und sehr teuer. Aber der Stephan wäre in jedem Fall mit dabei. Außerdem auf jeden Fall Raoul, der war auch sehr wichtig, die Unke Hand, und mein Bruder, der aber weniger für Musik als für Styling-Fragen wichtig ist. Er ist sehr jung, 19 Jahre, und lebt in einer anderen Welt und ist sehr direkt, sagt einem sofort, was peinlich ist oder so. Da kann man sich wirklich drauf verlassen. Das waren bei den Aufnahmen die drei wichtigsten Leute. Dann kamen‘ im Studio Jaki Liebezeit dazu und die Bläser, Gerd Dudek und Manfred Schoof ganz tolle Bläser, gestandene Jazzer.“

Wie beurteilst du die kommerziellen Chancen der Platte?

„Ich habe mich diesmal gar nicht so darum gekümmert, anders als bei DAF. Die Platte gefällt mir und Freunden von mir. Ich kann sie zwischen meinen 12inches auflegen, ohne daß sie abfällt.

Bei DAF war ich wirklich geil darauf, in die Charts zu kommen, jetzt sehe ich zwar noch den Reiz, aber ich habe keine Lust mehr, sowas in die Planung einzubeziehen. Wir haben das ja lange genug gemacht und übrigens nicht geschafft…“

….. Der Mussolini ?

„Na gut, in Deutschland. Obwohl jetzt kommt der überall hin. Ich habe ihn sogar in Bangkok gehört. „

Wo lebst du zur Zeit?

„Zürich, London und New York, letztes Jahr war ich auch in Kolumbien, wo es mir sehr gefallen hat. Ich reise halt sehr viel herum.“

Aber dann brauchst du doch den kommerziellen Erfolg, der so einen Lebensstil ermöglicht?

„Nein, ich hatte das Glück, vor kurzem eine kleine Erbschaft zu machen, von der ich gut lebe, kann, so daß ich die Einnahmen aus der Musik höchstens zum Luxus brauche. „

Hast du am 6. März eigentlich gewählt?

„Ja, ich bin eigens nach Wuppertal gefahren, um dort zu wählen.“

Und was?

„DKP“.