Horizonterweiterung my ass!


Auf ihrem zweiten Album weisen The Pigeon Detectives keine neuen Ermittlungsergebnisse vor. Aber Gitarrenbands sind ja in.

„Hier sprechen wir offener aus, was wir denken, als wir das in England je tun würden, weil unsere Kommentare dort auf der Titelseite einer Zeitung landen könnten.“ Matt Bowman, Sänger der Pigeon Detectives, verspricht beim Interview in München höchstehrliche Antworten, da fühlt man sich als deutscher Musikjournalist richtig privilegiert. Befreit von den Fesseln der UK-Diplomatie, hatte er zuvor all die Bands abgewatscht, die sich in England gerade wahnsinnig „quirky“ und „clever“ vorkommen und sich von den 0815-Singalong-Pubrockbands mit den Sixties-Frisuren abgrenzen und deren Sound für Matt nur „prätentiöser Kunstdreck“ ist. Auf die Idee, Afrobeat als Inspiration anzugeben wie die Foals oder mit einem prominenten Rumms-Elektro-DJ ins Studio zu gehen wie die Mystery Jets, kämen die Pigeon Detectives nie. Deshalb spreche ihre Musik aber auch den „Average Joe in England“ an, verkündet Schlagzeuger Dave Best stolz. Und überhaupt: Wenn eine Band für ihr Debüt gleich eine Platinschallplatte einheimst wie die Pigeon Detectives für Wait for me, müsse sie ja wohl alles richtig gemacht haben.

„Keine Experimente“ scheint folgerichtig auch das inoffizielle Motto für das Nachfolgealbum gewesen zu sein. Das haben die fünf Jungs aus dem Örtchen Rothwell bei Leeds mit Smiths– und Babyshambles-Produzent Stephen Street in Wales eingespielt, weit weg vom hypegeilen Geschnatter der Londoner Musikpresse. Auf Emercency beweisen die Pigeon Detectives wieder „nur“, dass sie hymnische Geradeaus-Britrock-Songs schreiben können, die in der Indieklitsche ebenso funktionieren wie im Fußballstadion -inklusive einer Ballade zum Fotohandyhochhalten. Die Lyrics sind mitgröltauglich wie immer(„I remember when we were young, things were easy, we had such fun“), neben Beziehungsproblemen verarbeiten sie all die Erfahrungen, die junge erfolgreich gewordene Musiker eben machen, wenn statt des Chefs im Callcenter plötzlich ein Rudel japanischer Teenies auf einen wartet und falsche Freunde ständig Drinks ausgeben wollen.

Trotz ihres Höhenflugs erscheint das Zweitwerk der Pigeon Detectives wieder beim Leedser lndielabel Dance To The Radio, fast auf den Tag genau ein Jahr nach wait for me. In Zeiten permanent wechselnder Trends kann man es sich schließlich kaum erlauben, beim Songwriting fürs Nachfolgealbum zu viel Zeit zu verplempern.Zu groß ist die Gefahr, von einer Welle neuer Internetbands hinweggespült zu werden. Doch Matt Bowman ist zuversichtlich:,Jemand hat früher zu Brian Epstein gesagt, dass er die Beatles besser nicht unter Vertrag nehmen sollte, weil Gitarrenbands aus der Mode kommen. Die Leute behaupten so was schon immer, oberes tritt einfach nicht ein.“ Und tatsächlich ist Emercency so verdammt catchy geraten, dass eigentlich nichts dagegen einzuwenden ist, wenn sich der Ausnahmezustand im Leben der Pigeon Detectives weiter institutionalisiert

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