Im Namen der Hose


Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind ausnahmsweise gewollt. Wer einmal - aus rein wissenschaftlichen Motiven - die Porno-Ecke seiner Videothek inspiziert, wird so manchen alten Bekannten treffen: Von Batman bis Professor Brinkmann führen unsere Freunde aus Film und Fernsehen dort ein unerwartetes Doppelleben.

Alles sieht aus wie echt. Weißes Kostüm, frisch gewaschen und gefönt; eine Krankenschwester. Als sie an den Schreibtisch des Chefarztes tritt, spricht Verehrung aus ihrem Blick. Professor Brinktwas gibt seine Anweisungen. Schwester Erecta holt die erste Patientin des Tages. Fräulein Müller kommt durch die Tür und wird auf die Liege gebettet. Sie hat was am Knie, sagt sie. Der Professor verfolgt den Schmerz am Oberschenkel aufwärts und ortet das Zentrum in Fräulein Müllers Leistengegend. Mit einigen routinierten Handgriffen sorgt er für schnellen Umschwung im Befinden der Patientin. Schwester Erecta will da nicht tatenlos zusehen. Auch Schwester Clitoria, angelockt durch Fräulein Müllers lustvolles Stöhnen, verlangt nach Behandlung durch den Professor persönlich.

Wir sind in der „Schwarzwald Sex Klinik“. Der Professor und seine Schwestern landen bald gemeinsam auf der Liege und behandeln sich gegenseitig – über, unter und inmitten von Fräulein Müller. Abgesehen von ein paar verschneiten Tannen zur Einstimmung, spielt der komplette Klinik-Porno in einem einzigen Zimmer, rund um eine einzige Liege. Die ZDF-„Schwarzwald-Klinik“ zeichnete sich zwar auch nicht durch opulente Ausstattungen oder phantasiereiche Drehbücher aus. beide Werke zu verwechseln ist dennoch ausgeschlossen.

Die Anlehnung im Titel und im Schauplatz zahlt sich für die Macher der Sex-Version trotz der spärlichen Parallelen aus. Als sie ihr Video veröffentlichten, stieg erwartungsgemäß die Presse ein und machte kostenlose Werbung. Das ZDF erwägte rechtliche Schritte. Der Hauch eines Skandals war geboren. Auch heute noch erweckt der Titel im Regal der Hardcore-Abteilung der Videotheken überdurchschnittliche Aufmerksamkeit.

Anfang der 80er tauchte kurz nach dem Start von „Flash Gordon“‚ ein „Flesh Gordon“ auf. Seitdem lehnen sich die Pornofilmer immer öfter an Kino-Erfolge an. „Beverly Hills Cox“, „Robofox“, „When Larry Ate Sally“, „Rain Woman“ bis hin zu „Im Namen der Hose“. Einige Dutzende der 1.300 jährlich neuen Titel auf dem US-Pornomarkt berufen sich auf Vorbilder. Regisseurin Susan Seidelman wurde während der Dreharbeiten zu ihrem neuen Film „She-Devil“ sogar teuflisch überholt. „He-Devil“ war in den Videotheken, noch bevor die Seidelman-Komödie mit Meryl Streep und Roseanne Barr in die Kinos kam.

Für die Pornobranche sind die Anleihen beim seriösen Hollywood mehr als Spielerei. In der Hardcore-Ecke sieht der Kunde Videos, die vorher in keinem Kino liefen und über die nichts in den Zeitungen zu lesen war. Woher soll er wissen, was ihn erwartet? Erinnert ein Titel dagegen an einen Film oder eine Fernsehserie wie etwa „Miami Spiee“, dann wird damit eine grobe Idee vermittelt, um was sich die Handlung drehen könnte. „Videos, die sich an bekannte Filme anlehnen, laufen spürbar besser als reguläre Porno-Ware“, bestätigt Ulli Rothermund, Geschäftsführer bei der deutschen Wertmarke Beate Uhse. “ Das funktioniert aber nur, wenn die geweckten Erwartungen nicht enttäuscht werden.“ Rothermund hat unter anderem „Very Dirty Dancing“ im Programm, das mit einer ähnlichen Story wie das Vorbild arbeitet und in dem sogar professionelle Tänzer mitwirken. In anderen Fällen, wie etwa bei „Satisfaction Jackson“, wird die Story den veränderten Bedürfnissen angepaßt: Statt Detektiv, wie im Original, ist die Hauptfigur nun Sex-Therapeut.

Daneben gibt es jede Menge Cassetten, bei denen die Ähnlichkeit mit einem Vorbild nicht über den Titel hinausgeht. „Scheiß am Stiel“ zum Beispiel ist eine lieblos zusammengeschnittene Folge analer Abenteuer. Über den amerikanischen Ton quasselt ein deutsches Pärchen und kommentiert, was ohnehin zu sehen ist. An den unverwüstlichen Zachy Noy erinnert dabei nichts.

Manchmal wiederum ist der gute Wille da, allein an der Sorgfalt hapert es. Als Porno-Darstellerin Nina Hartley sich auf ihre Rolle in „Outrageous Foreplay“ vorbereitete, studierte sie Zeitungs-Inserate und Besprechungen des Originals „Outrageous Fortune“ (dt. Titel: „Nichts als Ärger mit dem Typ“). Den Film selbst anzusehen, hielt sie für überflüssig. „In den ein oder zwei Tagen, in denen wir sowas abdrehen, können wir einen Film, der zwei oder drei Monate lang gedreht wurde, qualitätsmäßig doch sowieso nicht kopieren.“

Mangelnde Qualität dürfte einer der Gründe sein, der diesem Zweig der Pornobranche das ungestörte Weiterleben sichert. Hin und wieder kommt es zwar vor, daß Titel – so passiert mit „Fleshdance“ – aus den Regalen geklaut werden, grundsätzlich kümmert sich Hollywood aber kaum um die Trittbrettfahrer. Abgesehen von Ausnahmen wie der „Rocky Horror Porno Show“, die sich dicht am Vorbild hält und mit offensichtlichem Aufwand gedreht wurde, handelt es sich meist um Billigst-Produktionen. Drei Frauen, zwei Männer – macht 8000 Dollar an Gagen. Dazu eine Kamera, eine Lampe und ein Topf Vaseline: 10.000 Dollar Budget ist ein gängiger Wert. Kein Produzent eines 30 Millionen Dollar-Films ist sonderlich scharf darauf, mit einer Klage auch nur einen Zuschauer auf die schmutzige Konkurrenz aufmerksam ZU machen.