INVOLUTION OHNE 909


Warum schreibt das denn niemand über Daft Punk? Wohl geblendet von der im superfamosen Marketingstrategie, die in bestimmten Punkten (die Geheimhaltungsklausel!) von den Franzosen selbst nicht konsequent umgesetzt wurde. Warum erkennt niemand, dass Daft Punk in ihrer Entwicklung seit ihrem einflussreichen Debüt HOMEWORK von 1997 mit jedem weiteren Album einen Schritt zurück in der Evolution der (elektronischen) Musik gehen? Nichts aber auch gar nichts auf RANDOM ACCESS MEMORIES, dem vierten Studioalbum der Franzosen, lässt Rückschlüsse auf das Jahr seiner Entstehung zu.“Klingt wie ein Disco-Album aus der Phase in den Siebzigern, als Disco noch nicht elektronisch war“, hört man die Auskenner murmeln. Die meisten Leute, die die Single „Get Lucky“ in die Top 10 gekauft haben, wissen vermutlich nicht einmal, dass es sich bei dem Lied mit dem Gesang von Pharrell Williams um einen Disco-Song aus dem 70er-Jahre-Baukasten handelt. Und falls sie es doch wissen, denken sie nicht darüber nach. Und falls sie doch darüber nachdenken, ist es ihnen vielleicht egal. Simon Reynolds jedenfalls hätte seine wahre Freude an diesem Musterbeispiel von „Retromania“.

Nicht, dass RANDOM ACCESS MEMORIES ein schlechtes Album wäre, aber es ist eines von Hunderten aus den vergangenen Jahren, das die Zukunft der Musik in ihrer Vergangenheit sucht, das hemmungslos autoreferenziell und selbstverliebt Tradition als Anbetung der Asche interpretiert. Daft Punk! Die mit HOMEWORK nicht nur Minimal House konsensfähig gemacht haben jenseits der Feiernasencrowds, sondern auch mit den dreckigen, ausgefransten, gefilterten Effekten zehn Jahre lang diktiert haben, wie elektronische Musik zu klingen hat, wenn sie als zeitgemäß gelten wollte.

Konsequenterweise sollte das nächste Daft-Punk-Album eine 60er-Jahre-Soul-Platte werden und dann müsste endlich das Blues-Album kommen.