Kitsch & Klamauk: Mit Erasure zum Tuntenball


LONDON. Das Nebelmeer erinnert an den“.Schimmelreiter“, die drei klassischen Ballerinas hingegen drücken eher in Richtung „Schwanensee“. Ach, da kommt auch schon der Schwan! Ein Riesending, den Kopf demütig geneigt, die Räder gut geölt — und ins Gefieder eingepaßt’Andy Bell!

Eiei, jetzt kommt da drüben ein Taucher dahergewackelt, ganz im Stil von Herges „Tintin“. Andy hebt ihm die Kopfkugel ab — und siehe da: Selbst der stille Vince Clarke hat sich für die Gelegenheit in Schale geworfen. Das Bühnenbild indessen hat sich schon wieder gewandelt: Wir stehen inmitten einer Kreuzung aus Märchenlandschaft und schummrigem Striplokal. All das. bevor der erste Song zu Ende ist…

Das Startbild setzt den Ton: Ähnlich wie die Pet Shop Boys haben Erasure das Problem, dank ihrer Elektronik keine „Rockband-Show“ mehr bieten zu können, dadurch gelöst, daß sie total auf Theater setzen. Anders als die PSBs. denen es stets auch um Eleganz und Klasse geht, sind Erasure nur auf Klamauk und Klamotte eingestellt. Die Show hat wie die Songs keinerlei ernsthafte Untertöne: Alle paar Lieder (und wie heißen die Hits doch schon wieder‘.‘??) werden die Kostüme gegen immer schrägere Gewandungen gewechselt. Einmal sind die Tänzerinnen als Planeten verkleidet, dann als Verkehrsampeln — Hella von Sinnen hätte ihre helle Freude daran.

Die Hits folgen Schlag auf Schlag (bloß: Wie heißen sie alle???). Im Falle von Erasure bringt erst ein geballter Konzertabend ans Licht, wieviele unausrottbare Ohrwürmer sie uns schon beschert haben. Aber die Titel? Irgendwie fehlt ihnen ein Quentchen irgendwas. Alle sind sie aus wunderbaren elektronischen Panoramasound-Landschaften gebaut, aber gerade die zickige Show bewirkt, daß sie um so seelenloser erscheinen. Auf die Dauer geht zudem auch die Umpta-Umpta-Seligkeit ziemlich auf den Geist. Besonders der Abba-Block wirkt kraftlos und käsig. Wie dem auch sei: Beklagen tut sich im Publikum niemand. Alle singen mit — drei Stunden lang.