Kurz & Klein


Fangen wir bei Tommy Lee an. Der hat seine celebrityhood eher durch seine Ehe mit Pamela Anderson und deren Begleiterscheinungen gewonnen, auf die wir hier aus Gründen des Jugendschutzes nicht näher eingehen wollen, als durch seine Mitgliedschaft in der lächerlichen Metal-Band Motley Crue. Die wiederum hat mehr Aufmerksamkeit durch ihre Exzesse als durch ihre Musik erregt. Tommyland: The Ride (SPV) ist Lees Soloalbum, das überhaupt keine Aufmerksamkeit erregen wird, weil es irgendwo zwischen „einfühlsamen“ AOR-Balladen und mittelhartem Mainstream-Rock oszilliert.

Apropos Tommy Lee. Boozed ist ein Slangausdruck für durch billigen, hochprozentigen Alkohol verursachten Rausch. Boozed ist auch der Name einer fünfköpigen Band aus, ähem, Bramsche, deren Mitglieder sich auf ihrem Debüt tight pants (Blitzcore/Indigo) als die ultracoolen, harten Rocksäue präsentieren. Wenn Sie mich fragen, und das tun Sie ja irgendwie indirekt, wenn Sie diese Zeilen lesen, ist das klischeetriefender Designer-Rock’n’Roll für nicht einmal BWL-Studenten.

Ich gestehe: In schwachen Momenten ein Faible für die Musik von A-ha zu haben, gehört zu den weniger schwerwiegenden Verbrechen wider den guten Musikgeschmack. „Take On Me“-ein früher Pop-Klassiker. „Minor Earth Major Sky“ – ein altersweiser Pop-Klassiker. Analogue (Universal) heißt das neue Album der ehemaligen Teenie-Stars, und es hat durchaus seine Momente, auch wenn manchmal ein bißchen zuviel Schmalz zwischen den Sequencerflächen herausquillt.

Der Trick von passionierten Pessimisten ist ja der, daß sie nicht enttäuscht werden können, weil sie immer das Schlimmste erwarten. Wenn also jetzt Mike Shinoda, der Sänger der erwiesenermaßen nicht ganz so guten Band Linkin Park, sein Soloprojekt Fort Minor vorstellt, kann ein passionierter Pessimist nur positiv überrrascht werden. Und so ist es. THE rising tied (Machine Shop Recordings/Warner) ist ein nicht wehtuendes HipHop-Album mit den richtigen Gästen (Black Thought. Common), mit phantasievollen Sound-Sperenzchen angereichert und Yay-Z als executive producer.

Wollen wir einmal mit einem ganz gemeinen Vorurteil aufräumen: Nicht alle Gewinner von Song- und Band-Contests sind zwangsläufig schlechte Menschen. Judith Juillerat zum Beispiel, die ist eine Gute. Die Dame hat zehn Jahre lang zu Hause in Besancon Musik gemacht (und zwar im stillen Kämmerlein), bevor sie ihre 15 Minuten Ruhm bekommen hat – als eine der Gewinnerinnen des Björk-„Army Of Me“-UNlCEF-Remix-Contests. Ihr Album Soliloquy (Shitkatapult/Alive) kommt als kleines, ambientes, mikrofrickeliges Songtronica-Werk daher, durch das man zwar keine neuen Erkenntnisse gewinnen kann, aber schon ein bißchen Spaß am Hören.

Für manche Menschen, vor allem für solche, die sich sehr für Fußball interessieren, sind Fußball-bezogene Compilations das höchste der Gefühle. Für mich nicht. Auf „Wir spielen Tipp-Kick“ (Tribal Stomp/Cargo) setzen Blackmail, Die Toten Hosen, Denyo, Slut, Die Happy, Aeronauten, Huah und noch ein paar andere dem „Kultspiel“ ein, wie man so schön sagt, „musikalisches Denkmal“. Der Nächste bitte.

Kraß. Stellen Sie sich mal vor, sie sagen „Der Nächste bitte!“, die Tür geht auf, und Ozzy Osbourne kommt herein. Gut, ne? Wenn einem als Rezensent gar nichts mehr einfällt, kann man eine Kurz-Kritikmit diesem Bild beginnen, und wenn einem als Rockstar gar nichts mehr einfällt, kann man es mit einem Album mit Coverversionen versuchen und das dann – Achtung! Under Cover (Sony BMG) nennen. Und was macht Ozzy Osbourne, dessen Kultstatus nach dem Auslaufen seiner Kultshow auf dem Kultsender MTV auch ein bißchen ausgelaufen ist? Genau das. Ein paar schon existente und ein paar unveröffentlichte Coverversionen im Oldschool-Metal und/oder Metal-Balladen-Arrangement auf eine Compilation gerotzt und vor Weihnachten in die Läden gestellt: Beatles („In My Life“). John Lennon („Woman“, „Working Class Hero“), Cream („Sunshine Of Your Love“), Rolling Stones („Sympathy For The Devil“). Für den, der das mag, ist es das Größte.

Bleiben wirbeim schwierigen Thema „Coverversionen“ und konstatieren, daß ein schlechter Witz auch dadurch nicht besser wird, wenn er ein paar Monate später von jemand anderem noch einmal erzählt wird. Nach Hayseed Dixie und ihren lustigen Bluegrass-Coverversionen im September in dieser Abteilung jetzt Union Avenue mit now here’s union Avenue (Raucous/lndigo). „White Wedding“ (Billy Idol), „Should I Stay Or Should I Go“ (The Clash), „Teenage Kicks“ (The Jam), und – Halleluja! -wieder „Sympathy For The Devil“, diesmal in lustigen Country-Rockabilly-BluegTass-Versionen. Was haben wir gelacht.

Das tut jetzt aber richtig gut. Pillow Talk (Go Kart Records/Soulfood), das zweite Album der Cougars aus Chicago. Produziert von Steve Albini, und es hat mehr mit Albinis Band Shellac zu tun, als dem Schreiber des Presseinfos eingefallen wäre. Schwerer, schleppender, langsamer Post-Post-Hardcore-Punk mit Trompete. Mit Trompete. Stellen Siesich das einmal vor! Mit Trompete.