Kylie Minogue: Kylie Minogue im Interview


Seit Kylie mit Nick Cave gearbeitet hat, wird das ehemalige Schlagersternchen als Künstlerin geachtet.

Wie fühlt man so so als Pop-Ikone?

Es ist nicht immer leicht für mich, in solchen Kategorien zu denken. Aber ich fühle mich natürlich geschmeichelt, wenn mich jemand so bezeichnet. Oder wenn ein Fan auf mich zukommt und sagt, „Kylie, ich hab‘ meine Tochter nach dir benannt“. Da fühle ich mich einerseits geehrt, aber auch auf seltsame Weise unwürdig. Manchmal kann ich es gar nicht fassen, daß ich diese große Karriere gemacht habe, die in den 80ern mit der Soap Opera „Neighbours“ begonnen hat. Unglaublich…

…nach all den Jahren?

Yeaaah. Und es wird sogar immer unbegreiflicher für mich,je älter ich werde.

Die englische Presse ist Immer schnell dabei, Dir Irgendwelche Labels anzuheften, wie etwa Sex-Kylie, Indle-Kylie, Cute-Kylie oder Pop-Kylie. Welche Inkarnation von Kylie sitzt mir heilte gegenüber?

(lacht) Wahrscheinlich bin ich eine Kombination aus all den genannten Kylies. Ich persönlich denke aber nicht in solchen Klischees. Die Journalisten sollen das ruhig tun, denn die kennen mich nicht. Für sie ist es einfach, mich als Sex-Kylie, Disco-Kylie oder Sonst-wie-Kylie zu bezeichnen. In Wirklichkeit bin ich eher Trying-Kylie, Searching-Kylie, Growing-Kylie. Ich bin an einem Punkt meines Lebens angelangt, an dem ich nicht so recht weiß, wer ich bin. Ich bin fast 30 Jahre alt und immer noch einer ständigen Veränderung unterworfen. Ich bin voller Widersprüche und werde angetrieben von einem gesunden Maß an Unsicherheit. Dabei ist es eine Herausforderungfür mich zu erkennen, daß die Suche nach mir selbst eine Reise ohne Ende ist. Der Weg ist das Ziel.

Eine Station dieses Weges war Dein Duett mit Nick Cave. Was hat sich seitdem alles für Dich verändert?

Oh, es hat sich so viel verändert. Bevor ich Nick Cave kennengelernt hatte, hatte ich keine Ahnung von seinem Kultstatus. In dieser Hinsicht war ich richtig ignorant. Natürlich hab‘ ich gewußt, daß er ein wichtiger Musiker war, der aus einer total anderen Ecke kommt als ich. Und das war eigentlich schon genug, um mein Interesse an ihm zu wecken. Über die Jahre haben mir immer wieder Freunde von Nick gesagt, daß er mit mir zusammenarbeiten will. Dann haben wir schließlich „Where The Wild Roses Grow“ aufgenommen. Das war eine intime, angenehme, herzerwärmende Erfahrung. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich Nick noch nie live gesehen. Und irgendwann habe ich ihn erstmals bei einer seiner Shows erlebt – und da ist mir die Luft weggeblieben wegen seiner gewaltigen Bühnenpräsenz.

Nick Cave nutzt jede sich bietende Gelegenheit, um Dich In den höchsten Tönen zu loben.

(lacht) Ich tue doch genau dasselbe mit ihm. Ich muß gestehen, daß ich sogar ein bißchen verliebt bin in ihn. Er hat mir so viel gegeben…

…weil er immer wieder betont, daß Du die wunderbarste Frau der Welt bist? Welche Komplimente kannst Du ihm zurückgeben?

(lacht) Ich bin ein riesen Nick Cave-Fan. Und ich bin ihm ewig dankbar dafür, was er für mich getan hat. Er hat mir viel über Integrität beigebracht. Und ich würde mir wünschen, dieselbe Integrität zu genießen wie er. Er wird immer einen Platz in meinem Herzen haben. Bevor ich mit Nick zusammengearbeitet habe, habe ich eine Biographie über ihn gelesen, und so konnte ich mir ein Bild seiner bewegten Vergangenheit machen. Das war wahnsinnig aufregend für mich, weil vieles von dem, was er erlebt hat, rein gar nichts mit meinem Leben zu tun hat. Viele Leute, sowohl Frauen als auch Männer, sind fasziniert von Nick Caves Charisma, seiner Energie und seiner Persönlichkeit. Ich auch.

Ist es wahr, daß es bald ein zweites Duett Kylie & Cave geben wird?

Ja und nein. Er hat mich vor einiger Zeit mal angerufen und gefragt, ob ich am nächsten Tag mit ihm im Jazz Cafe“, einem kleinen Club in London, auftreten wolle. Er war so süß am Telefon. Er sagte: „Ich weiß, daß ich mich ein bißchen spät melde, aber vielleicht hast du ja Lust.“ Natürlich hatte ich Lust. Er hatte ein paar Tage vorher einen Song für uns beide geschrieben. Es ist kein „richtiges“ Duett, ich singe einen Teil, und er singt einen Teil. Wir wissen aber noch nicht, ob wir den Song auch aufnehmen werden. Der Auftritt im „Jazz Cafe“ war auf jeden Fall fantastisch.

Dein aktuelles Album sollte eigentlich „Impossible Princess“ heißen. Dann hast Du die Veröffentlichung wegen des Todes von Prinzessin Diana monatelang hinausgezögert und den Titel geändert. Wie sehr hat Dich der Tod dar Prinzessin persönlich beeinflußt?

Er ist mir schon sehr nahe gegangen. Es war fast so, als ob ein naher Verwandter von mir sterben würde. Dianas Tod hat mich zwar nicht in Depressionen gestürzt, aber ich war schon ziemlich geschockt. Ich wohne nur ein paar Häuserblocks vom Kensington Palast entfernt, wo die Prinzessin bis zuletzt gelebt hat. Am nächsten Tag bin ich da hingegangen und habe Blumen niedergelegt. So was habe ich noch nie vorher gemacht. Ich fühlte mich noch nie veranlaßt, um jemanden zu trauern, den ich gar nicht gekannt habe. Den Albumtitel habe ich dann geändert, weil ich mit „Impossible Princess“ nicht irgendwelche falschen Reaktionen heraufbeschwören wollte. Es ist aber so viel Zeit vergangenen seit Dianas Tod und dem Veröffentlichungstermin in Europa, daß ich das Album wieder „Impossible Princess“ hätte nennen können. Die Leute in England hätten mir das aber wahrscheinlich ziemlich übelgenommen.

Du hast Dir ein halbes Jahr, also sehr viel Zeit genommen, um Dir einen neuen Albumtitel auszudenken. Und dann ist Dir am Ende wirklich nur „Kylie Minogue“ eingefallen?

Ich mag den Titel „Impossible Princess“ nach wie vor. Ich war richtig fixiert darauf. Auf der krampfhaften Suche nach einem neuen Titel bin ich dann die Songtexte des Albums durchgegangen. Aber mir ist beim besten Willen kein besserer Name eingefallen als „Impossible Princess“. Ich hab‘ richtig die Panik gekriegt. Und da habe ich die Platte Hals über Kopf „Kylie Minogue“ genannt. Hätte ich gewußt, daß es noch sechs Monate dauern würde, bis sie herauskommt, hätte ich mich in aller Ruhe zurücklehnen können, um einen neuen Titel zu finden.

Möchtest Du etwas zu Michael Hutchence sagen?

Puh. Seit seinem Tod habe ich eine Menge verschiedener Gefühlszustände durchlebt. Und wenn ich auf Michael angesprochen werde, läuft es mir immer noch eiskalt den Rücken herunter. Manchmal ist es schwer für mich, über ihn zu reden, weil er mir immer noch sehr nahe ist. Und ich weiß, daß er mir jetzt von irgendwo da oben zusieht.

Du warst 21 als Du Hutchence kennengelernt hast. Was hast Du aus der Beziehung gelernt?

Bevor ich Michael kennenlernte, bin ich mit Scheuklappen durch die Welt gelaufen. Er hat mir für sehr viele Dinge die Augen geöffnet. Er war sehr intelligent, geistreich, belesen, romantisch, und er war durch und durch rock’n’roll. Er hatte so viele verschiedene Seiten, er war ein sehr charismatischer Mann. Und er hat immer gewußt, wo ich gerade stand und wo ich hinwollte.

Wie stehst Du heute zu Deiner Zeit mit den Teenie-Pop-Produzenten Stock-Aitken-Waterman?

Ich bin auf eine seltsame Art stolz darauf. Irgendwie bin ich stolz darauf, ein Teil dieser Hitfabrik gewesen zu sein – und Stock-Aitken-Waterman war nichts anderes als eine Hitfabrik. Und jetzt kann ich darauf zurückblicken und sagen, hey, ich war ein Teil davon. Vorher war es mir nie so recht bewußt, wie schwierig es eigentlich ist, erfolgreich zu sein und Nummer-1-Hits zu haben.

Wie reagierst Du, wenn Du Fotos aus dieser Zeit siehst?

Manchmal ist mir das richtig peinlich. Viele Leute würden solche alten Fotos verbrennen oder zerreißen. Ich schrecke manchmal zurück, wenn ich mich da mit irgendeiner furchtbaren Frisur sehe. Aber noch vor ein paar Jahren hätte ich versucht vorzutäuschen, niemals dieses Mädchen auf den Fotos gewesen zu sein. Heute muß ich sagen, daß „dieses Mädchen“ eigentlich ganz okay aussieht. Ich stehe zu meiner Vergangenheit. Ich spiele ja immer noch manche Songs aus dieser Zeit bei Shows, etwa „I Should Be So Lucky“ oder „Locomotion“. Ich habe keine Angst davor, diese Songs zu spielen. Obwohl es schon einige Stücke gibt, bei denen mir sofort das zugehörige Video in den Sinn kommt, sobald ich nur daran denke. Und dann verliere ich die Lust darauf, die Stücke zu spielen, (lacht)

Vielleicht solltest Du die arten Sachen neu aufnehmen?

Du wirst lachen, ich hab‘ neulich bei einem Auftritt eine neue Version von „I Should Be So Lucky“ gespielt – mit Piano und großem Orchester. Und die Leute haben das Stück bis zum Refrain gar nicht erkannt. Ich hab‘ auch mal über eine Trash-Version des Songs nachgedacht. Aber ich glaube, dazu fehlt mir der Mut. Das sollte schon ein anderer aufnehmen.

Nick Cave zum Beispiel.

(verstellt die Stimme und singt) I should be so lucky, lucky, lucky, lucky in love…

Stimmt es, daß Du letztes Jahr den Text von „I Should Be So Lucky“ bei einer Dichterlesung vor seriösen Schriftstellern in der Royal Albert Hall rezitiert hast?

Oh ja, das ist wahr. Natürlich war das wieder Nick Caves Idee. Bis zu dem Punkt, an dem ich den Mund aufgemacht habe, wußte ich eigentlich noch nicht, warum ich es tat. Da stand ich also auf der Bühne der ehrwürdigen Royal Albert Hall – im Trainingsanzug und ungeschminkt – und sollte etwas tun, was ich nie vorher gemacht habe. Ich fühlte mich, als stünde ich splitternackt da.

Ja, und wie hat Dein intellektuelles Publikum reagiert?

Ich wußte ja, daß ich nicht unbedingt vor einem Kylie-Publikum stehen würde. Ich wußte auch nicht, ob die Leute je den Song gehört hatten und ob sie sich darüber klar sein würden, daß bei meinem Vortrag eine gewisse Ironie mitschwingt. Aber bereits nach der ersten Zeile, „In my Imagination…“, hatte ich sie im Sack. Sie hatten’s kapiert, und der Rest war eine Kleinigkeit.

Es ist schon komisch, daß Dir niemand Deine Vergangenheit vorwirft. Jeder scheint Kylie zu mögen. Warum?

Ich weiß es auch nicht. Das muß an meinem Karma liegen. Ich stell‘ mich ja nicht hin und erzähle den Leuten, vergeßt meine Vergangenheit, ich bin jetzt ganz anders. Meine Vergangenheit ist ein Teil von mir. Ich steh’dazu.

Wenn Du an zeitgenössische Pop-Musik denkst, was bewegt Dich da am meisten?

„Bittersweet Symphony“ von The Verve fand ich in letzter Zeit am aufregendsten. In 20 Jahren werden wir diesen Song mit feuchten Augen hören und uns sagen, das war die Musik aus unserer Zeit.

Was ist die größte Lüge über Dich, die Du in letzter Zeit in den Zeitungen lesen mußtest?

Daß ich mich mit meiner Schwester Danii zerstritten habe, daß wir kein Wort miteinander reden und so weiter. Alles Quatsch. Ich liebe meine Schwester. Das war das jüngste Gerücht über mich. Davor war zu lesen, daß ich magersüchtig bin. Das hat mich ziemlich geärgert. Okay, ich war eine Zeitlang ziemlich gestreßt, habe ein bißchen Gewicht verloren und auch nicht besonders gut ausgesehen. Das war alles. Aber ich habe nie eine Eßstörung gehabt. Was aber für mich das Ärgerlichste an dieser Geschichte war: Magersucht ist ein ernsthaftes Problem für viele Leute, und die Zeitschriften trivialisieren das in ihren Sensationsberichten. Ich wollte den Typen, der das geschrieben hatte, anrufen und ihn ganz freundlich fragen,“Wie würdest Du Dich fühlen, wenn Du so was über Deine Tochter lesen würdest?“ Mein Gott, ich habe schon die komischsten Sachen über mich gelesen: Kylie ist eine Außerirdische, Kylie war schon zigmal verheiratet, Kylie hatte 1000 Freunde-aber jetzt ganz offiziell: ich bin Single, ich bin nicht verheiratet.

Wenn Du irgendwann in 30 Jahren auf Deine Karriere zurückblickst, als was mochtest Du der Pop-Welt am liebsten in Erinnerung bleiben?

Wenn man mich in 30 Jahren immer noch als Pop-Ikone sieht, dann wäre ich glücklich.