Lärm lass nach


Im Altenheim grölt der Ghettoblaster. Denn neun rüstige Rentner hören sich kreuz und quer durch das musikalische Produkt der deutschen Pop-Prominenz. Wer zahnlose Kritik erwartet, liegt völlig falsch. Die Grauen Panther überraschen in ihrem Urteil mit erstaunlich viel Biß. Manch junger Musiker sieht da plötzlich ziemlich alt aus.

Treffpunkt: Das Bierstüberl des Alfons-Hoffmann-Altenheims in München/Pasing. Auf dem Tisch anstelle des Halma-Bretts ein Ghettoblaster. Drum herum machen es sich Maria Christi (73), Lore Stießberger (86), Wilhelm Moses (83), Katharina Schuhbeck (90), Frieda Tausend (85), Katharina Meier (85), Anna Eibl (67), Adolf Buchner (72) und Anton Fortmüller (82) bei Kaffee und Kuchen bequem. Dann dreht der Musikexpress die Musik auf, und die Panther beißen zu.

Lucilectric „Hey Süsser“

Anna Eibl: „Ja, das gefällt mir ganz gut.“ Katharina Schuhbeck: „Die Frau Eibl ist ja noch ein junges Mädchen, die hat noch mehr Rhythmus im Blut. Ich finde den Beat ganz gut, aber der Text gefällt mir noch besser. So hätte ich’s früher auch machen sollen.“ Wilhelm Moses: Ja, die würd‘ mir auch gefallen. Das dürft‘ sie zu mir auch mal sagen. Haben sie ein Foto von der da?“

Klaus Lage & Irene Grandl „Weil du anders bist“

Wilhelm Moses: „Die Musik ist gut. Irgendwo habe ich das Gefühl, es müßte noch schneller gehen.“

Maria Christi: „Die Melodie ist aber schön. Kann man gut dazu tanzen.“ Adolf Buchner: „Mir gefällt’s ganz gut. Modern und dezent, nicht so überspannt.“

Illegal 2001 „Nie wieder Alkohol“

Adolf Buchner: „Von wegen: Die Jungen trinken lieber Bier als Cola. Ich war früher Koch, ich weiß das.“ Katharina Meier: „Die Gruppe gefällt mir. Ich finde, die Kinder sollten mehr von ihrer Musik machen. Da kann ich mitsingen.“

Westbam „Barn Barn Barn“

Anna Eibl: „Typische Disco-Musik. Ich höre wirklich gern Musik. Aber so was könnte ich mir nicht lange anhören. Nach einer Viertelstunde hätte ich bestimmt Kopfweh.“ Anton Fortmüller: „Findest du nicht, daß so was mitreißt. Nicht die ganze Zeit, aber ein bißchen?“

Udo Jürgens „Das ist dein Tag“

Wilhelm Moses: „Das ist das bisher schönste Stück. Überhaupt mag ich Udo Jürgens unheimlich gern. So einen wie ihn gibt es ganz selten. Ja, ich bin ein Fan von ihm. “ Adolf Buchner: „Ich nicht. Mir singt er zu sentimental. Zuviel Schmalz. Ich war jahrelang Vorstand vom Vergnügungsverein der

Stadt München. Da habe ich immer Tanzabende veranstaltet. Wenn ich denen mit so einer Musik gekommen wäre, hätten die mich bestimmt verdroschen.“

Die Prinzen „Alles nur geklaut“

Anton Fortmüller: „Ist mir fremd, was die da machen. Was singen die denn immer vom Klauen?“ Adolf Buchner: „Ich verstehe den ganzen Schmarrn auch nicht, weiß gar nicht, um was es da geht. Der Inhalt ist für mich wichtig. Wenn ich nicht verstehe, wovon da gesungen wird, gefällt mir die ganze Musik nicht.“

Hubert von Goisern „Kren und Speck“

Adolf Buchner: „Ja, das ist schon was anderes. Kren und Speck – meine Welt.“

Maria Christi: „Sehr gut, das ist bis jetzt das Beste. Ich mag Akkordeon gern, und auch die Melodie ist gut.“

Anna Eibl: „Ist das der Hubert von Goisern? Der macht gute Musik, den höre ich gern. Den mögen zwar viele Junge, aber der ist auch bei uns Alten gefragt.“

Lore Stießberger: „Ich mag ihn auch gern. Weil ich so schlecht sehe und deshalb nicht mehr lesen kann, höre ich den ganzen Tag über Radio. Den Hubert von Goisern höre ich deshalb ziemlich oft.“

Herbert Gronemeyer „Musik nur wenn sie laut ist“

Frieda Tausend: „Singt der in Englisch? Den versteht man ja überhaupt nicht. Die Musik geht zwar gerade noch, aber

der Mann nuschelt ja unglaublich.“

Maria Christi: „Und wenn man etwas nicht versteht, ist es nur der halbe Genuß.“

Anton Fortmüller: „Daß der Millionen von Platten verkaufen soll, kann ich nicht verstehen. Ich würde mir keine kaufen.“

Peter Maffay „Das Leben ist ein Würfelspiel“

Anna Eibl: „Das ist der Peter Maffay, oder? Den hab‘ ich früher gern gehört, als er noch richtig schöne Schlager gesungen hat.“ Katharina Meier: „Das soll der Liebling von unserem Heimleiter sein? Da bin ich sprachlos.“ Maria Christi: „Irgendwo hat mir das nicht genug Pep. So ein netter Junge muß doch mehr Dampf machen können.“

Selig „Ohne Dich“

Anna Eibl: „Klingt wie der eine, wie heißt er noch, ja richtig, wie Udo Lindenberg.“ Lore Stießberger: „Ist ziemlich belanglos, das Lied. Da habe ich mir von der jungen Generation mehr vorgestellt. Es geht gut ab, sagt meine Enkelin immer, aber nicht bei denen.“ Adolf Buchner: „Zu sentimental. Der singt ja wie der Pfarrer am Friedhof. Langweilig.“ Anna Eibl: „Aber vielleicht ist er ja ein recht ein hübscher Mann. Man muß auch auf die Optik achten, oder?“

Katharina Schuhbeck: „Tja, knackig aussehen sollten die Männer schon. Aber das reicht nicht. Wer laute Musik macht, muß was reinpacken. Die sollten ihre Musik vielleicht leiser drehen.“

Megavier „Genug ist genug“

Maria Christi: Jetzt ists wirklich genug. Auf der einen Seite werden wir zwar schwerhörig, auf der anderen aber auch geräuschempfindlich.“ Katharina Meier: „Ich finde es laut ganz gut.“ Wilhelm Moses: „Endlich was, was ich von jungen Männern erwarte. Mehr Energie als bei den Liedern zuvor. Finde ich gut.“ Katharina Schuhbeck: „Naah, nah, aber wirklich!“ Adolf Buchner: „Gefällt mir aber besser als das letzte Lied. Da ist mehr Kraft drin. Der Rhythmus geht wirklich in die Beine.“