Locker, luftig, leichtverdaulich: Bon Jovi zwingen Metal raus, Pop rein


BINGHAMPTON. Humor ist, wenn man trotzdem tourt. Sagte sich offensichtlich Bon Jovi angesichts des Flops von „Keep The Faith“ in den USA (bisher schlappe 700.000 CDs verkauft) — und ließ die Sattelschlepper erneut durch die nordamerikanischen Lande rollen. Primär freilich durch die Provinz. Dort wo noch aufgeregte Backfische eine Stunde vor Einlaß Schlange stehen, dort wo die Konzertsäle noch klein und füllbar sind. Wie die „Broome Country Veterans‘ Memorial Arena“ in Binghampton (Bundesstaat New York) am Delaware River, dem fünften Stop der „Keep The Faith“-Tour.

Mag der ursprüngliche Hardrock-Stachel von Hits wie“.Bad Medicine“ oder „Wanted Dead Or Alive“ auch etwas abgestumpft sein in den neuarrangierten Versionen, mögen neue Songs wie „Bed Of Roses“ oder „In These Arms“‚ musikalische Zuckerwatte sein, so besteht an einem noch immer kein Zweifel: Bon Jovi ist live nach wie vor eine Fun-Band, die über sich selbst lachen kann. Etwa wenn Jon verkündet: „Ich werde euch heule Abend das Evangelitim des Rock ‚ri Roll lehren, so wie es Linie Richard niederschrieb“ — und die Band grinsend in den abgenukkelten Schnullerhit „You Give Love A Bad Name“ einsteigt. Oder wenn Frontmann Jon klischeetriefende Stories voll Herz und Schmerz und Kommerz erzählt, als zitiere er Passagen aus einem Simmel-Roman, und man partout nicht weiß, ob’s ernst oder als Witz gemeint ist.

Von den explodierenden Feuersäulen hinter der rundum offenen Bühne beim Opener bis zur vierten Zugabe („Livin‘ On A Prayer“) serviert die Band zwei Stunden lang ein leicht verdauliches, krümelfreies Rocksandwich, bestehend aus alten Hits, neuen Balladen, einer Solo-Akustik-Einlage von Jon Bon Jovi, einem explosiven Drums- und Keyboard-Duell von Tico Torres und Tastenmann David Bryan sowie einigen (leider zu kurzen) Gitarreneinlagen von Richie Sambora.

LIVE

Der 31jährige Frontmann Bon Jovi ist dabei die vollfette Salamischeibe. Aufgekratzt wie frisch durch den Fleischwolf gedreht, springt er auf der Bühne herum oder sprintet gar ins Publikum, fordert die 6000 oft doch noch recht apathischen Zuschauer in der Halle zu, bitteschön, mehr Jubel und Trubel auf und tut sein Bestes, dem Image des Rock ’n“ Roll-Sunnyboys der gigantischen „Slippery When. Wer‘- und „New Jersey“-Tourneen noch gerecht zu werden.

Jene Erfolge freilich sind Schnee von gestern. Nach dem Flop der jüngsten LP heißt es — zumindest in den USA — für Bon Jovi kleinere Brötchen backen. Die servieren die fünf New Jersey-Boys mit ihrer „Keep The Faith“-Tour in der Tat mundgerecht. Freilich mit etwas zu viel Süßstoff.