Review

„Matrjoschka“ auf Netflix: Und täglich grüßt die Pudelfrisur


Zuerst Comedy, dann mildes Vergangenheitsbewältigungsdrama und Mindfuck: Die neue Netflix-Serie „Matrjoschka“ bleibt nicht so oberflächlich und kurzweilig, wie sie beginnt.

Klar, der Plot ist dreist geklaut: In „Matrjoschka“, der Freitag gestarteten neuen Netflix-Serie, erlebt Nadia den selben Tag immer und immer wieder. Aber anders als bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“, dem Comedy-Klassiker aus dem Jahr 1993 mit Bill Murray und Andi McDowell, wacht Nadia nicht etwa jeden Morgen zur selben Uhrzeit im eigenen Bett zu „I Got You Babe“ auf. Nadia stirbt am Tag nach ihrem Geburtstag, immer anders, aber immer wieder – und findet sich zur Beschallung von Harry Nilssons „Gotta Get Up“ prompt im Badezimmer der Party wieder, die ihre beste Freundin Nadia zum 36. spendierte.

Dieser auch arg an „Happy Death Day“ und „Edge of Tomorrow“ angelehnte Plot liefert das Grundgerüst für die acht jeweils halbstündigen Folgen der ersten Staffel „Matrjoschka“, deren erste Hälfte als sehr okaye Comedy mit fantastischem Soundtrack durchgeht. Nachdem Nadia – herrlich überdreht gespielt von Natasha Lyonne („Orange Is The New Black“), die die Serie mit Amy Poehler und Leslye Headland erschuf – die Symptome (aber noch nicht die Ursache) ihres Schicksals kapiert hat, säuft und raucht sie sich durch ihre eigene Party, schenkt ihrem älteren Ex-Freund mal Zu-, mal Abneigung, lässt sich von einem Obdachlosen die pudelunfrisierten Haare schneiden und so weiter. Nadia ist Programmiererin, und auch ihr neues Leben beziehungsweise Sterben mutet wie ein Videospiel an: Sie spielt verschiedene Szenarien durch, findet anfangs aber den entscheidenen Hinweis nicht, der ihr den Durchbruch in das nächste Level bescheren würde. Bis sie Alan trifft und mit dieser Begegnung auch „Matrjoschka“ eine Wendung erfährt.

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Alan teilt Nadias Schicksal. Auch er stirbt immer und immer wieder, wie er ihr mit regungsloser Miene berichtet, als beide in einem defekten Fahrstuhl in ihren längst egalen Tod rasen. Weil beide sich an ihren letzten Tag erinnern, ihr Umfeld ihn scheinbar aber jedes Mal zum ersten Mal erlebt, treffen sie sich, rekonstruieren die Geschehnisse, vergleichen ihre Tode und versuchen der Ursache auf die Spur zu kommen. Zeitgleich mit dem Zuschauer entdecken sie Inkongruenzen – verwelkende Blumen und faulendes Obst etwa. Ein Fehler in der Matrix? Oder können Nadia und Alan ihren Timeloop womöglich doch beeinflussen oder gar beenden?

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Verwirrspiel paralleler Realitäten

Von dort an mündet „Matrjoschka“ in einem Verwirrspiel parallel stattfindender Realitäten, Zeitebenen, „Was wäre wenn?“-Gedankenspielen und milden Mindfucks. Ein bisschen wie „Bandersnatch“ ohne Interaktion, ein bisschen wie die „Upside Down“-Theorie in „Stranger Things“, ein bisschen wie die Infragestellung von Raum und Zeit. Diese Wendung ist für „Matrjoschka“ Fluch und Segen zugleich: Von jetzt an ist die Comedy ein Vergangenheitsbewältigungs-Drama mit punktuellen Horror-Elementen – leider aber auch eines, das in puncto Brainfuck mit seinen Vorbildern nicht mithalten kann. Natürlich fragt man sich am Ende seines Bingewatch-Abends – die komplette Staffel hat eine Spielzeit von nur 208 Minuten –, ob die Auflösung nun eine war und warum dort wie was genau zusammengeführt wurde. Gleichzeitig ist es aber auch irgendwie egal. Solange man der zuvor stets so frustrierten Nadia endlich mal beim aufrichtigen Lachen zusehen kann.

Im US-Original trägt „Matrjoschka“ übrigens den Titel „Russian Doll“. Russische Puppen sind die, wo in einer Puppe die nächste und darin wieder die nächste steckt – bis man irgendwann bei der eigentlichen/letzten angekommen ist. Und so ist wohl auch „Matrjoschka“ zu deuten: Nadia ist eine solche Puppe, und in den acht Folgen beobachten wir sie dabei, wie sie sich selbst aushebt.

„Matrjoschka“, seit 1. Februar 2019 auf Netflix im Stream verfügbar.

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