Mit Booker T. zum großen Grunge: Neil Young zündet sein Feedback-Feuerwerk


KÖLN. Ein Fan, ein wahrer Fan: Weder die schmerzende Knöchelverletzung noch die Wassermassen, die es vom Himmel schüttete, konnten Neu Youngs härtesten deutschen Fan abschrecken. Wacker humpelte Rock-Hirni Heinz Rudolf Kunze an seiner Geh-Krücke in den Kölner Tanzbrunnen und fand ein wenig Trost darin, als V.I.P.-Gast auf der überdachten Ehren-Tribüne immerhin nicht so gnadenlos durchnäßt zu werden wie der Großteil der 9000 zahlenden Young-Pilger. Die wiederum sorgten mit ihrem kunterbunten Regenschirm-Meer wenigstens für etwas Farbe in dem tristen, geschmacksarm gestalteten Freilufi-Gelände am Rheinufer.

Das Wetter und die deprimierende Erfahrung, daß Tanzbrunnen-Veranslahungen von der Polizei regelmäßig um Punkt 22:05 Uhrder Strom abgedreht wird, machten den Tag vor allem für die beiden Vorgruppen noch grauer. Die Chart-Breaker 4 Non Blondes mußten deshalb schon um 17:30 Uhr auf die Bühne. Doch die vier Nicht-Blonden um die stimmgewaltige Sängerin Linda Perry brauchten nur wenige Minuten, um den spärlich eintrudelnden Erst-Gästen zu zeigen, daß auch blutjunge Kaliformer ruppigen Retro-Rock authentisch auf die Bühne bringen können. Das Quartett aus San Francisco hätte es verdient, anstelle der Briten-Combo James als zweiter Support vor vollerem Areal zu spielen. denn die Langweiler aus Manchester bewiesen nur, was inzwischen jeder weiß: Englands Talent-Geschütze haben Ladehemmung.

Das kann man von dem großen alten Mann an der Feedback-Gitarre nicht behaupten: Das Song-Feuerwerk, das Neil Young in den anschließenden zweieinhalb Stunden abbrannte, könnte drei Generationen von Nachwuchs-Musikanten erleuchten. Youngs spitzbübische Doppelbödigkeit reicht bis zur Kleiderordung — er läßt sein Alter Ego alias „The Young Neils“ als T-Shirt-Aufdruck lässig unter dem offen getragenen, großkarierten Holzfällerhemd hervorblitzen. Holzige Melancholie, garantiert „unplugged“, mischt er denn auch immer wieder unter die ekstatischen Ausbrüche an seiner Stromgitarre.

Daß er und das angefeuchtete Publikum dabei nicht vom Regen in die Traufe geraten — dafür sorgt vor allem die hochkarätige Begleitband. Young braucht, das ist seit dieser Tournee klar, bessere Musiker als die Haudegen von „Crazy Horse“. Wird er, wie hier, unterstützt von so versierten Legenden wie Booker. T. Jones, Steve Cropper. Jim Kellner und Donald „Duck“ Dünn, kann er zur Höchstform auflaufen. Die seltsam anmutende Verbindung des alten Grunge-Folk-Hippies mit der legendären Stax-Hausband Booker T & The MG’s erlaubt es Young, sich voll und ganz auf diedrei Säulen seiner Arbeit zu konzentrieren: Die Kracher („Like A Hurricane“. „Motorcycle Mama“, „Southern Man“) krachen, Heuler wie „Helpless“ (für die sich Neil ans Klavier setzt) heulen. Und für Folkies (Highlight: „The Needle And The Damage Done“) überlassen Booker T. & Co. brav dem Meister, seiner Westernklampfe und seiner Mundhamonika die Bühne. Dies und die dazwischengeschalteten Feedback-Orgien zeigen einen Neil Young, der im Moment mindestens zwei aktuelle Trends bedienen kann: „unplugged“ und Grunge. Schließlich spielen sogar Pearl Jani (wie auch Young an diesem Abend) gerne“.Rockin‘ In A Free World“ als Zugabe.