Neil Young


"Rust Never Sleeps" (1979)

5 Ist Neil Young nun der I vielseitigste aller 60er-I Jahre-Rocker, der sich in jedem Genre vom Country-Rock („Harvest“) über Kraftwerk-beeinflußten Elektro-Pop („Trans“) bis hin zum Grunge (kürzlich wurde er mit Pearl Jam auf der Bühne gesichtet) wohlfühlt — oder nur ein alter Opportunist? Ist seine Fähigkeit, mit der Zeit zu gehen, ein Zeichen für gesunden Eklektizismus oder nur geschickte Karriereplanung? Wie auch immer, „Rust Never Sleeps“ dokumentiert jedenfalls Neil Youngs „Punk-Phase“, und im Text des letzten Stücks, einer elektrisierenden Fassung von „Hey Hey, My My“, wird nicht nur auf die Kultfiguren Elvis Presley und Johnny Rotten Bezug genommen, sondern auch die durchaus ins Weltbild des Punk passende Theorie aufgestellt, es sei allemal „besser zu verglühen als langsam dahinzuwelken“. Neil selbst hat allerdings nie irgendwelche Ambitionen dieser Art gezeigt und daher auch den Punk problemlos überlebt. Trotzdem ist die gemäßigt nihilistische Attitüde des Albums überzeugender, und für dieses Projekt hatte sich Young mit der Band Crazy Horse exakt die richtigen Mitstreiter ausgesucht. Crazy Horse — schon immer eine der West-Coast-Gruppen, die sich am wenigsten mit geistigem Ballast herumquälen mußte — fanden auf diesem Album endlich einen geeigneten Kontext für ihren schwerfällig dahinstolpernden Hardrock. Auf ihre unbekümmerte, altmodische Weise waren Crazy Horse, ohne es zu wissen, schon immer eine Punk-Band gewesen. Sie brauchten nur die Verstärker ein bißchen aufzudrehen und das Tempo anzuziehen. Der höhere Geräuschpegel hatte jedenfalls ungeheuer befreiende Wirkung auf Neils ohnehin schon eigenwilligen Umgang mit der elektrischen Gitarre, und seine Dissonanz-Exzesse auf „Rust Never Sleeps“ und dem darauffolgenden Konzertalbum „Live Rust“ beeinflußten eine ganze Generation neuer Gitarren-Bands (mit Sonic Youth als den Musterschülern). Allerdings findet man auf „Rust Never Sleeps“ nicht nur abgedrehte Gitarrenkunststückchen. Es gibt auch ein paar ruhigere Momente, und das Album ist dramaturgisch so aufgebaut, daß sich die Intensität kontinuierlich steigert. Glanzlicht ist aber „Powderfinger“, die als Hardrock/Western-Melange servierte Geschichte einer von Banditen belagerten Familie. Neil hatte das Stück ursprünglich für Lynyrd Skynyrd geschrieben, die aber dankend abwinkten.