Parlez vous pop?


Große Sprüche machen sie alle gerne, die Stars, die Manager und — ähem — auch wir Journalisten. Aber was steckt wirklich dahinter, wenn wieder mal die Rock-Entdeckung des Jahrhunderts angekündigt wird? Was wollen uns die Künstler sagen? Die Musik-Szene hat ihre eigene Sprache entwickelt. Ein Slang, in dem ,ja“ oft „nein“ bedeutet — und umgekehrt! ME/ Sounds präsentiert das Wörterbuch des Pop:

Das Interview

„Du, den Kommerz-Trip hob ich hinter mir: Top Ten, Fernsehen und so. Aber ich sag dir eins: Das erfüllt mich alles nicht mehr.“

(Meine letzten Platten sind gefloppt.) „LPs sind unsere wahre Stärke.“

(Unsere Singles liegen wie Blei im Regal.) „Macht uns gar nichts, daß sich unsere erste LP nur 23 mal verkauft hat. Wir sind an einem kontinuierlichen Aufbau interessiert!“

(HILFE!) „Wir haben gar keinen Bock, mit irgendwelchen Zeitungsfuzzis zu reden, verstehst du? Haben wir gar nicht nötig.“

(Unser Manager hat sechs Wochen lang telefoniert wie ein Blöder — ohne nur einen Funken von Erfolg!) „In kleinen, intimen Clubs kommt meine Musik am besten rüber.“

(Ich kann gerade eine Fritlenbude ausverkaufen.) „Unsere Platte ist einfach zu außergewöhnlich/politisch/kontrovers fürs Radio.“

(Sowas läuft nicht mal im ARD-Nachtprogramm.) „Mit diesem Album gehen wir neue Wege.‘ (Weil das letzte eine Katastrophe war.) „Wir haben vor, kleine spontane Konzerte zu geben.“

(Wir haben panische Angst, daß das Publikum mit irgendwelchen Erwartungen kommt.) „Ich glaube, das ist unser bestes Album.“

(Weifs das neue Album ist.) „Laß uns nicht über die Vergangenheit reden, die Zukunft ist viel aufregender.“

(Können wir bitte über das tolle neue Produkt reden, das ich hier zu verkaufen habe?) „Wir lassen uns von den unterschiedlichsten Dingen beeinflussen.“

(Wir tun alles, was sie ifhs sagen — Hauptsache wir machen Kohle.) „Uns geht’s um unseren eigenen Stil, nicht um irgendwelche Mode-Trends.“

(Wir sind absolute Trottel mit Lampenschirmen auf unseren Köpfen.)

Die Trennung

„Er hatte so viele phantastische Ideen. Die konnten wir innerhalb der Band gar nicht alle realisieren.“

(Wir haben ihn hochkant gefeuert.) „Wir wünschen ihm für die Zukunft nur das Beste.“

(Verpiß dich!)

Das Video

„Wir wollten die Ausbeutung der Frauen anprangern.“

(Deshalb die fünf nackten Mädchen, die vor dem Schlagzeuger tanzen.) „Unsere Videos sind sehr abstrakt.“

(Totaler Unfug, ohne jede Handlung.)

„Er leidet unter Jet-Lag.“

(Er ist stoned und total unkooperativ.) „Sein Terminkalender ist voll.“

(Er liegt im Bett.) „Sein Terminkalender ist wirklich voll.“

(Er liegt mit einer vollbusigen Blondine im Bett.) „Er findet, daß er zu diesem Thema schon alles gesagt hat.“

(Frag ihn um bloß nicht zu diesem Thema!) „Er achtet zur Zeit sehr auf seine Gesundheit.“

(Er ist in einer sündteuren Entziehungsklinik und lernt gerade wieder aufrecht zu gehen.) „Wir machen keine Videos. Unsere Musik soll für sich selbst sprechen.“

(Wir sind brutal häßlich und können uns überhaupt nicht bewegen.)

Die Plattenfirma

„Sicher, er ist ein bißchen seltsam, aber ungeheuer kreativ.“

(Wir wissen selbst nicht warum, aber wir haben den Idioten unter Vertrag.) „Er war schon immer seltsam, kurz vor der Schwelle zum Irrenhaus.“

(Wir wissen nicht warum, aber er hat aus heiterem Himmel seinen Vertrag gekündigt.)

Journalist & PR Abteilung

Interessant.

(Abartig.) „Ungewöhnlich.“ (Abartiger Schrott, den niemand hören will.) „Die Kritiker waren begeistert.“

(Aber gekauft hat’s keiner.) „Glaub mir, die Platte ist wirklich toll. Das sag ich jetzt nicht, weil ich der Promoter bin.“

(Mein Gott, was sagt man nicht alles in seiner Verzweiflung.) „Gradliniger, bodenständiger Rock.“

(Nicht eine einzige neue Idee.) „Geht sofort in die Beine.“

(Stumpf und eintönig.) „Hypnotisch.“

(Monoton.) „Sphärisch.“

(Bekifft.) „Cool.“

(Ermüdender Pseudo-Jazz von einem glatzköpfigen Zwerg im verbeulten Anzug.) „Er ist ein echter Typ.“

(Ein echter Hampelmann.) „Er ist der absolut Größte.“

(Er ist ein Hampelmann und arrogant dazu.) „In Skandinavien sind sie ganz groß.“

(Hier kennt sie kein Schwein. Und das wird sich auch nicht ändern.) „Witzig.“

(Albern.) „Verrückt.“

(Schwachsinnig.) „Alternativ.“

(Null Unierhaltungswert.) „Kultgruppe.“

(Spielt am Publikum vorbei.) „Aufwand wie nie.“

(Reine Geldverschwendung.) „Locker vom Hocker.“

(Besoffen und unfähig.) i Seite fehlerhaft

DER ROADIE „Ich bin seine rechte Hand, echt. Ich bin wie ein Bruder für ihn.“

(Ich muß seinen Drogenkoffer durch den Zoll tragen.) „One, two, one, two, one, two.“

(Eins, zwei, eins, zwei, eins, zwei.)

Am Telefon

„Ich ruf dich zurück.“

(Ich hab schon vergessen, wer du bist.) „Halloooooo…“

(Dieses Gespräch wird schwierig.) „Wir müssen mal zusammen essen gehen.“

(Aber bitte nicht so schnell.) „Wir müssen irgendwann mal zusammen essen gehen.“

(Besser nie.) „Du, am Telefon läßt sich das schwer besprechen, aber ich bin im Moment auch wahnsinnig im Streß.“

(Solange ich nicht weiß, wie du aussiehst, läuft gar nichts.) „Ich seh‘ noch nicht, wie ich das alles organisieren soll.“

(Was springt für mich dabei ‚raus?) MEDIZIN „Hepatitis.“

(Probleme mit Drogen.) „Heuschnupfen.“

(Kokain.)

„Persönliche Probleme.“

(Kokain und minderjährige Mädchen.)

Der Radio DJ

„Erzähl uns doch mal mit deinen eigenen Worten, worum es bei deiner neuen LP geht.“

(Ich hab‘ das Presse-Info verloren und kann mich nicht mal an deinen Namen erinnern.) “ Ich spielt euch jetzt was ganz Besonderes, die Maxi-Version. Echt geiler Sound..“

(Meine Blase platzt gleich.) „Beim nächsten Ton ist es 13.40 Uhr, zwanzig Minuten vor zwei..“

(12.25 Uhr.)

Der Manager

„Er ist ein Engel, echt lieb.“

(Er ist ein Halsabschneider, aber ich krieg schon meine Kohle.) „Er stellt sich vor seine Künstler, komme was wolle.“

(Er stand schon mal wegen Körperverletzung vor Gericht.)

Auf Tour

„An den Special Effects müssen wir noch etwas arbeiten.“

(Wir haben gerade den Bassisten in die Luft gesprengt.) „Hallo München, we love you!“

(Keine Drinks, keine Drogen, keine Frauen — scheiß Stadt.) „It’s so wonderful to be here!“

(Wann geht der nächste Flieger?)