Punk


Wollen die Punks sich als die Hippies von heute beweisen? Die Neuerscheinungen der letzten Wochen zeichnen sich durch eine ultrakonservative Interpretation des Begriffs „Punk“ aus. Was provokanv klingen soll, langweilt im zunehmenden Maße. Das hat Johnny Rotten nicht gewollt!

Auf der Rückseite ihres LP-Covers dokumentieren die Partisans den Stillstand der englischen Punkszene: der Sänger in einer Lederjacke mit Anti Pasti-Schriftzug, der Gitarrist im U. K. Subs- und der Schlagzeuger im Exploited-T-Shirt. Wenn eine neue Band so penetrant mit den Namen vergangener Generationen posiert, sind von ihr keine frischen Impulse zu erwarten. Dabei ist die auf „No Future“ erschienene LP der Partisans nicht einmal die schlechteste des aktuellen britischen Hardcore-Pakets. Immerhin kann man sie von Anfang bis Ende durchhören.

Bei anderen Produkten leistet der Tonarmlift unverzichtbare Dienste. Zum Beispiel bei Conflict: 1TS TIME TO SEE WHO’S WHO (Corpus Chnsti), bei One Way System: ALL SYSTEMS GO (Anagram) oder bei der LP von Chaos U.K. (Riot City). Im Vergleich zu den wehleidigen neuen Hardcore-Legionen nimmt der Altpunk Charlie Harper eine wohltuend souveräne Position ein. Er versteht es wenigstens, mit der ersten LP der Urban Dogs gut zu unterhalten (Fallout). Da die Dogs sich nicht den Zwang zur ständigen Höchstgeschwindigkeit auferlegen, gelingen ihnen eingängige Melodien mit stolzen Refrains. Charlies charismatische Stimme verleiht den Srükken ein angenehm großkotziges Flair.

Die „Agressiven Rockproduktionen“ aus Berlin garantieren in der Regel ein gewisses Niveau, Bei zwei deutschen LPs hat die Qualitätskontrolle aber offensichtlich versagt. Die Bonner Band Canalterror nennt ihr Werk ZU SPÄT. Zu spät erscheint es auch, mindestens um zwei Jahre. Auch beliebte Tricks retten nichts: „My Bonnie“ wird als Pogo-Nummer gebracht, „100 Mann und ein Befehl“ als Suff-Hymne.

Alles zu spät aber ist bei Toxoplasma. Die Gruppe aus Neuwied präsentiert 16 Stücke, die man vergessen hat, noch bevor sie verklungen smd.

Es gibt hierzulande aber auch Positives zu vermelden. Peter Hein hat mit Camp Sophisto „Songs In Praise Of The Revolution“ aufgenommen (Pure Freude). „Hart-laut-schnell verspricht die Werbung, und die Single hält Wort Zu einem aggressiven Soundtrack beweist „Janie“, daß er einer der beiden besten deutschen Sänger ist. In „Obsession“ stellt er die akute Frage: „Weißer Mann, wohin kannst du noch gehen?“

Ein weiterer Hoffnungsschimmer sind die Mimmi’s aus Bremen. Sie nennen ihr Konzept „Punk mit Herz“. Ihre Hitsingle „Deutscher Meister wird der SVW“ wurde schon in der ARD-Sportschau gespielt (Weser Label). Sänger und Texter Claus Fabian bewies Fußballsachverstand, auch wenn Werder nur – knapp geschlagen – auf dem 2. Platz landete.

Die amerikanische Punklandschaft sieht Black Flag-Gitarrist Greg Ginn sehr kritisch. Die Big Boys und Hüsker DÜ gehören zu den wenigen Bands, die er sich anhört. Auf ihrer Maxi FUN, FUN, FUN… bringen die Big Boys drei sonnige Pogo-Nummern und drei Trash-Discotitel (Moment Productions). Sänger Randy gibt sich in einem Interview als Punk-Ausgabe von Divine.

Hüsker Dü haben bisher zwei LPs veröffentlicht. LAND SPEED RECORD ist ein live eingespieltes Stück Lärm, das in seinem Verlauf mehrmals den Namen wechselt (Alternative Tentacles). Differenzierter klingt ihre neuere Platte EVERYTHING FALLS APART (Reflex). Doch auch hier suche ich vergeblich nach den speziellen Reizen der Band.