Boogie Nights :: Pulsierend
BOOGIE NICHTS: Bunt erstrahlen die Wörter im Disco-Glühbirnen-Design. Ohne Schnitt schwenkt die Kamera im furiosen Freiflug über eine nächtliche Straße des San Fernando des Jahres 1977, um kurz vor dem Eingang eines angesagten Clubs zu verweilen. Wenn sie schließlich ins Innere taucht, öffnet sich die Tür zu dem energiegeladensten, berauschendsten und funkelndsten Filmerlebnis diesseits von PULP FICTION. So voller Leben pulsiert Paul Thomas Andersons Film, daß das Breitwandformat fast nicht auszureichen droht, um diesen Cocktail aus skurrilen Figuren, prägnanten Anekdoten, Farben, Mode und trefflich zusammengestelltem Soundtrack zu bändigen. Martin Scorseses beste Filme vereinen diese Zutaten, kein Wunder also, daß diese erste Szene von BOOGIE NIGHTS an Scorseses HEXENKESSEL erinnert – nur daß der 27jährige Anderson nicht mit den Gangstern von Little Italy auf Tuchfühlung geht, sondern einer Gruppe von Pornofilmemachern, die unter der Sonne Kaliforniens ihren hedonistischen Präferenzen im Verbund einer richtiggehenden Familie von Außenseitern, Misfits und Dropouts nachgeht. Im Geflacker der Lightshow werden die Hauptfiguren vorgestellt: Da ist der verdiente Pornostar Amber Waves (Julianne Moore), die Übermutter der Truppe, das blonde Nymphchen Rollergirl (Heather Graham), das schneller aus dem Kleidchen schlüpft, als man „Tits and Ass“ sagen kann, und Filmemacher Jack Horner (Burt Reynolds), spezialisiert auf „exotische Filme“ und erfüllt vom Traum, Oualitätsproduktionen abzuliefern, die den Zuschauer auch dann noch an den Kinosessel fesseln, wenn er längst abgespritzt hat. Und dann ist da der pickelige Teenager Eddie Adams (a star is born: „Marky“ Mark Wahlberg), der darüber sinniert, daß Gott jedem Menschen mindestens ein Talent in den Schoß gelegt hat. Im Fall von Eddie ist das wörtlich zu nehmen, denn er hat ein Talent, das nicht mehr lange in seiner engen Jeans schlummern muß, nachdem es Jack Horner mit fachmännischem Blick ausgemacht hat. Lust for life? Aber hallo: Wenn Eddie sich unter dem Pseudonym Dirk Diggler den amerikanischen Traum erfüllt, gleicht sein Aufstieg zum Sexsuperstar einer endlosen Poolparty, frei vom Ballast politischer oder intellektueller Problemstellungen, bis mit dem Beginn der 80er Jahre der unvermeidliche Absturz in Drogen, Depression und Gewalt folgt. Mit dem Abstieg in die Yuppie-Ära beginnt der Motor von Andersons Film leicht zu stottern.- Die einzelnen Szenen, vor allem ein denkwürdig paranoider Besuch bei einem zugekoksten Dealer (Alfred Molina mit einer perfekten Tarantino-Imitation), sind groß, aber der Rhythmuswechsel im letzten Drittel ist nicht frei von einer gewissen Verkrampftheit. Doch dann läßt Wahlberg am Ende buchstäblich die Hosen runter. Und wenn er aller Welt zeigt, worauf es in Hollywood ankommt, findet BOOGIE NIGHTS ein seiner Größe angemessenes Finale.
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