CD-Platten

Wenn es auf CompactDisc hin und wieder Schätze zu entdecken gibt, die den Mehrpreis für den Silber-Diskus auch dann wert sind, wenn man die Aufnahme schon in seiner Sammlung hat, dann sind das Klassiker wie MOONDANCE von Van Morrison (Warner Bros. 246 040). Trotz der Entstehungszeit (Vor-Dolby-Ära) repräsentieren sie einen beachtlichen Klangstandard, ganz zu schweigen davon, daß diese Songkollektion von 1970 längst zu den zeitlosen Meisterwerken des irischen Sängers gehört. Die seinerzeit von der Teldec gebotene Pressung klang ziemlich grausam (in etwa so, als hätte ein wildgewordener Anfänger ausprobiert, was man alles mit Zuschalten von Filtern verhunzen kann). Das fiel erst recht kraß auf, als von dem in Nashville beheimateten Label Direct Disk Labs für kurze Zeit mal eine exzellente Überspielung vom Original-Master erhältlich war, die sich vergleichsweise wie eine klangliche Offenbarung anhörte: Van Morrison ins Mikrofon und nicht durch 23 dicke Teppiche singend! Die Firma machte pleite, und heute ist Jack Hunt, der den neuen Plattenumschnitt von MOONDANCE besorgt hatte, der Cheftechniker bei Mobile Fidelity Sound Lab, der Konkurrenz von damals. Er hätte sich besser auch der CDÜberspielung von SUFIREALISTIC PILLOW annehmen sollen, dem zweiten Album von Jefferson Airplane und dem ersten mit Grace Sllck (RCA PD 83766). Denn auf dem Silber-Diskus klingt die damals in Pingpong-Stereo – höchstwahrscheinlich auf Vierkanal-Maschine aufgezeichnete – abgemischte Aufnahme merklich verfärbter als die damals von derselben Teldec in vorzüglicher Qualität gepreßte Analogplatte von 1967! Gegen böse Überraschungen ist man gerade bei Lieblingsaufnahmen der sechziger Jahre nie gefeit. Da wird manches so verschlimmbessert, daß man lieber die alten schwarzen Scheiben auflegt.

Wenig zu retten war bei BAND OF GYPSYS, dem Live-Mitschnitt vom Silvesterabend 1969, an dem die neue Formation von Jlml Hendrlx im New Yorker’Fillmore Auditorium auftrat (Polydor 821 933-2). Anderslautenden Gerüchten zum Trotz gibt es sowieso nur sehr wenige Rock-Konzert-Mitschnitte, die auch nur halbwegs technisch befriedigend ausfielen. Dieser zählt sicher nicht dazu. Völlig unverständlich ist mir außerdem, wieso nicht endlich die wichtigsten Studioaufnahmen der alten Experlence auf CD vorgelegt werden. An die Velvet Underground-Klassiker scheint man sich erst recht nicht heranzuwagen …

Kurioserweise traut man sich bei der PolyGram an Sachen wie die GREATEST HITS der Rlghteous Brothers (Verve 823 119-2): grandiose „wall of sound“-Produktionen, einmal mehr in lupenreinem Pingpong-Stereo. Bei 22 Songs und einer Spieldauer von 66 Minuten und 42 Sekunden darf man eigentlich nicht von Nepp reden. Da sind die alten „Klassiker“ von den Labels Moonglow und Philles einträchtig auf einer 12-Zentimeter-Scheibe versammelt; denkt man. Bis man dann vergeblich nach einem der größten Hits zu suchen beginnt, den Bill Medley und Bobby Hatfield je gesungen haben, nämlich „(You’re My) Soul and Inspiration“ von 1966, dem Bestseller der Righteous Brothers überhaupt. Was heißt schon „Greatest Hits“, wenn man den allergrößten unterschlägt? Aus der Zeit, als auch Rod Stewart noch wirklich gesungen hat, stammt ATLANTIC CROSSING (Warner Bros. 256 151), eine im übrigen mit Chuck Berry-Nachahmungen garnierte Hommage an Memphis- und Motown-Soul, bei der er sich interpretatorische Nuancen erlaubte, die er heute wohl nicht mehr nötig zu haben glaubt.

Jemand sollte dem Mann mit der einmal so hinreißenden Reibeisen-Stimme zu Weihnachten einen CD-Spieler schenken, damit er sich anhört, wieviel besser seit geraumer Zeit Lionel Rlchie im Studio arbeitet. Auf CD sind vom Soul-Crooner Nr. 1 inzwischen erhältlich die Commodores-Kollektion ALL THE GREAT LOVE SONGS (Motown ZD 72222), LIONEL RICHIE (Motown MCD 06007MD) und CANT SLOW DOWN (Motown MCD 06059MD). Perfekter als das wurde auch Boz Scaggs, vor Jahren der weiße Meister des „Blue-Eyed Soul“, nicht produziert. Wenn jemand die Nachfolge des Ex-Steve Miller Band-Manns angetreten hat, dann wohl Hall & Oates, deren ROCK N SOUL PART 1 gerade au« CD erschienen ist (RCA PD 84858), Der „Oldies But Goodies“-Strategie folgte man auch bei anderen Sängern: Von David Bowle sind nach ZIGGY STARDUST jetzt auch FAME AND FASHION (RCA PD 84919) und YOUNG AMERICANS (RCA PD 80998) auf CD erhältlich, von Elton John neben der enttäuschenden Novität BREAKING HEARTS (Rocket 822 088-2) die GREATEST HITS (DJM 821 750-2), CAPTAIN FANTASTIC AND THE BROWN DIRT COWBOY (DJM 821 7467-2) und der Monsterseiler GOODBYE YELLOWBRICK ROAD (DJM 821 747-2).

Tip des Monats ist trotzdem BRIL-LIANT TREES von David Sylvlan (Virgin 610 153): faszinierend aufgenommen und irgendwann womöglich ein Klassiker – fast wie Van Morrisons „Moondance“.