Eros Ramazotti, Locarno, Piazza Grande
Das Kopfsteinpflaster des „großen Platzes“ in Locarno (er-)trug schon so manch schwergewichtiges Konzert. Waren es sonst zumeist international bekannte Bands britischer Coleur, so nutzte diesmal ein selbst designierter neuer Held aus dem nahen Italien die letzten Sonnenstrahlen zum Open-air.
Der 23jährige Römer Eros Ramazotti eroberte mit seinen zwei Alben CUOVI AGITATI und NUOVI EROI sämtliche Herzen jenseits des Lasagne-Äquators. Zweimal sahnte er beim wichtigsten Festival in San Remo die begehrtesten Preise ab, platinierte seine Vinyl-Produkte und konnte den Siegeszug gen Norden bei der Alpenrandbevölkerung fortsetzen.
Das Zeug zum Star hat der schmoll-Iippige Wunderknabe allemal. Er ist nicht über 170 Zentimeter groß, pendelt optisch zwischen James Dean und Tweety hin und her (das erste Filmangebot liegt bereits vor) und kann trotz bemühter Ernsthaftigkeit nicht verhindern, daß ihm eine Bevölkerungsgruppe ganz besonders zu Füßen liegt, die Teenager. „Ich kann nur hoffen, daß sie meine Texte verstehen“, meint Signore Ramazzotti kurz vor dem Konzert. Auswendig mitsingen können sie jedenfalls. Tausende von hysterisch aufgerissenen Augenpaaren und Mündern verstärken später jede einzelne Zeile seines Repertoires. Da hätte der Meister fast schon auf seine Background-Sängerinnen verzichten können, so perfekt und harmonisch klang das. War die canzone beendet, setzte der Chor zu kreischenden „ErosEros“-Jubelrufen an, was angesichts der ungeküßten Kinderzimmerbewohnerinnen einer sprachlichen Komik nicht entbehrte.
Bei oberflächlicher Betrachtung seiner Bühnenpräsenz verwundert es zunächst, daß Eros den Teenie-Schweiß hektoliterweise fließen läßt, macht er doch nichts (außer putzig auszusehen), was der Dramaturgie nördlicher Kinderverführungs-Shows entspricht. Statt dessen gibt er sich als ambitionierter Geschichtenerzähler, springsteenig, mit hochgekrempelten Hemdsärmeln und locker umgehängter Stratocaster.
Aber letztlich schmeckt Ramazzotti eben doch bitter-süß. Seine eigene Poesie ist von betörender Simplizität, ohne die geringste Andeutung einer subversiven Frivolität. Solch missionarischer Romantiker wirkt dann eben auf Jungen. Mädchen und deren Erziehungsberechtigten gleichermaßen sanft erotisierend. Das harmonische Familienfest dauerte jedenfalls fast drei Stunden. Gefühl und Härte, Belcanto-Schmalz und Tirami Su-Agitation, der bodygebuildete Amico zog alle Register und schwelgte im akustischen Trockeneis.
Sein überzogener Wabber-Pop-Rock ist vielleicht für nicht-italophile Menschen schwer zugänglich, alle anderen dürften sich beim Abhören seiner LPs keine Gedanken über ihren Resturlaub mehr machen müssen.
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