Liedermacher

Ludwig Hirsch bietet derzeit die interessanteste Neuerscheinung aus Liedermacher – Wien. Nicht, daß 6 (TRAURIGE INDIANER, UNFREUNDLICHE KELLNER) (Polydor) der Aufbruch zu neuen Ufern wäre. Wozu auch, Hirschs bisheriges Revier zwischen Herz, Schmerz und dunkler Harmonie gibt noch, die LP zeigt’s, genügend Schätze her. Eine „Reaganiade“, Ratschläge fürs bessere Diesseits, einen längst fälligen Salzburg-Rundschlag und das bittere Lied vom Heimkehrer. Augenzwinkernd hier, empfindlich verletzt dort (und wenn’s mit Schrammein ist), so bleibt der Ex-Schauspieler nicht nur unter denen, die auch nicht singen können, einer der Besten. Mit kongenialer Arrangier-Hilfe von Christian „Figaro“ Kolonovits. (5)

Morgenschein nennt sich eine südwestdeutsche Gruppe, die sich mit ihrer Debüt-LP VON ANFANG AN (Aurophon, Hauptstr. 41, 7813 Stauten i.B.) ausreichend Zeit ließ, um hektische Newcomer-Fehler zu vermeiden. Auch wenn Produktion und Abmischung nicht immer deutlich machen, welchen der vielfältigen musikalischen Elemente zwischen Folk und Rock der Vorzug gegeben wird, liegt eine gute Ensemble-Leistung abwechslungsreicher Instrumentalklänge vor. Die Sänger sind noch auf dem Weg zu einem Individualstil, der hoffentlich bald die instrumentalen Qualitäten von „Morgenschein“ erreichen wird.

Die Themen? Akzeptanz und Lob des Ichs, Erkennen der Innenwelt, ohne die die Außenwelt nur Ablenkung ist. Im Grunde die weitaus wichtigeren Tagesthemen…

Knapp: (4)

Neuigkeiten, die sich auch als Weihnachtsgeschenke eignen: – für Kenner des deutschen Kabaretts und neo-nostalgische Fans von Hollaender und Benatzky, die auch neue Lieder mögen: Sylvia Anders, Tochter des unvergessenen Tenors Peter Anders, nahm mit Pianopartner Just Noll live VERRÜCK-TE WEIBSBILDER (Eigenvertrieb Sylvia Anders, Karlstr. 34, 2 Hamburg 76) auf. Ausdrucksstark und unterhaltsam. (4)

Für Gitarrenfans, denen Geschichten auch ohne Worte gefallen: Ulli Bögershausen GEGEN DIE ZEIT (Musik-Kiste, Prekerstr. 3, 4830 Gütersloh). Wohlklingend und phantasievöll. (4)

Für Songfreunde, die keine Rock-Berührungsängste haben: Anne Haigis, die einzig überragende Stimme der aktuellen Jazzszene, nahm mit Topmusikern und Produzent Edo Zanki erstmals deutsche Titel z.T. aus eigener Feder übers Musikantenleben und private Geschichten auf (Musikant/EMI). Kraftvoll und selbstsicher. (5)

Für Geigenanfänger, damit sie nie wieder kratzen, und alle, die wissen, daß weniger mehr ist: Toni Stricker, der wirklich keine Worte braucht, um schlichte Größe und klingende Schönheit zu vermitteln, läßt mit ERDVERBUNDEN (OK/ Teldec) das Burgenland erglühen. Musik ohne Strom, die elektrisiert. (6)

Kommen wir zum Schluß noch einmal zum österreichischen Nachbarn zurück, zu Georg Danzers jüngster LP WEISSE PFERDE (Polydor).

Daß dem Wiener vor einiger Zeit der Produzent erfolgreicher Jahre abhanden gekommen ist, müßte kein Unglück sein. Wenn nicht der neuen LP ein Zettel beigegeben wurde, Zitat Danzer: „Ich habe Produzenten nie um ihren Job beneidet, nach getaner Studioarbeit wichtige Worte über ihr Produkt von sich zu geben… Alles unnötiges Gelaber!“

Und dann die Anweisung für Hörer, die ein Programm machen: „Meine Lieder sollen für sich sprechen. Sie sind zum Anhören da…“

Wohlan, hört man diese Lieder an, hört man lieber weg. Es sei denn, es gilt einen neuen Danzer zu entdecken. Nix zu spüren von seinem wachen Auge für die Umwelt, keine punktgenauen Texte, blasse, zuweilen wahrhaft gequälte Reime, die nicht mal mehr den sonst üblichen Textabdruck auf dem Innencover wert waren.

Auch musikalisch ist der Danzer-Schnee von gestern leider der bessere. Denn in einem Moment von Midlifecrisis und Kettensprengerei entließ Danzer auch gleich seine exzellente Band, um mit Leuten, die noch nie zusammengespielt hatten, als eigener Produzent zu arbeiten.

Und der ließ den Songwriter immer nur nach innen blicken, wo dann just die künstlerisch blinden Flecken anvisiert wurden.

Es ist ein Jammer, wie ein Mann von zigfach bewiesenen Qualitäten das Trauerspiel von den gewendeten Leiden des nicht mehr jungen Georg zu Markte trägt.

Und es ist eine Schande, daß ihm seine Plattenfirma solcherlei durchgehen läßt und obendrauf noch den peinlichen Infozettel, Marke „jetzt rede aber ich“, packt. Hat Danzer wirklich keine Freunde, die ihn auch mal vor sich selber schützen?

Das Honorar für diese Zeilen für den, der mir diese Pferdeoper plausibel erklären kann.

P.S. Einzig das augenzwinkernde Schlußliedchen vom „Känguru“ mildert den Schrecken. (?)