Oasis – Be Here Now

Tausende von Fans, die zu nachtschlafender Zeit einer Single wegen die Plattenläden stürmen, ein Teestündchen mit Tony Blair, Schlagzeilen in den Massenblättern, demnächst ein Orden von der Queen und ein bißchen Modellstehen für Madame Tussaud’s Wachsfigurenkabinett: Das ist der Masterplan zur Eroberung des Pop-Universums. Und dann erkennen zu müssen, daß man nicht der wiedergeborene John Lennon ist: welch ein Schock! Kein Wunder, daß Noel Gallagher so unsagbar müde ist, so grenzenlos gelangweilt, sich zu nichts aufraffen mag. Schon gar nicht zu einem neuen Album. Wäre keine große Sache. Wirklich.

Bißchen Urlaub, und alles wird wieder gut. Allein, das Problem liegt woanders: Es gibt sehr wohl eine neue Oasis-Platte, die phasenweise derart schablonenhaft und verkrampft, unsexy und grobschlächtig daherkommt, daß man Lennons liebste Paraphrase umformulieren möchte: „And the walrus is Noel.“ Weiß der Henker, was in den Mann gefahren ist, der uns einen Geniestreich wie (WHAT’S THE STORY) MORNING GLORY beschert hat. Sechs der zwölf Songs gehören in die Kategorie „aus den Ohren, aus dem Sinn“, rumpeln ziellos und weitgehend melodiefrei dahin, während sich der Zuhörer bei dem innigen Wunsch ertappt, es möge doch bitteschön endlich was passieren außer dem Gebollere der Drums, derben Gitarrenklängen und Bruder Liams höhnischem Genöle über „walking slowly down the hall of fame“. Nach einem drittklassigen Remake von „Don’t Look Back In Anger“, das hier „Stand By Me“ heißt, läßt man schon alle Hoffnung fahren. Doch dann kriegen die Burschen wie aus heiterem Himmel doch noch die Kurve. Akustikgitarren und Percussion („Fade In-Out“) weisen den Weg zur Besserung, ein höllisch losgehender, aber endlich kontrollierter Drive transportiert hektische Helter-Skelter-Emphase direkt in die 90er („Be Here Now“,“lt’s Gettin‘ Better“). Das unterkühlte „Don’t Go Away“ bohrt sich unwiderstehlich in die Gehörgänge. Und dann passiert das Unerwartete, etwas, was einen alles verzeihen läßt, der Höhepunkt, die Hymne, der Ohrwurm, betörend, bewegend, berauschend: „All Around The World“ heißt das Wunderding, ein Musik gewordener One-Night-Stand. Die Wertung für diesen einen Song: ein Sternenhimmel! Beim nächsten Album aber bitte mehr davon, Noel, du blasierter Beatle-Bube. Auf BE HERE NOW sind Oasis nämlich, definitely maybe, nicht Gott, sondern zu oft „just another band from Manchester“. Immerhin: ein netter Versuch, aber eben auch nicht mehr. Wir bleiben gespannt.