Sammy Hagar: „Ich kann auf der Bühne eineinhalb Stunden Gas geben.“


Glasgow. Eine rauhe Stadt mit rauhem Klima, rauhen, doch herzlichen Menschen, mit Fußballclubs wie Celtic und den Rangers und einer riesigen Heavy-Rock-Gemeinde, von der deutschen Städte nur träumen. Und überhaupt: Das APOLLO THEATER ist mit seinen kompakten, kräftigen Formen/ Mauern wie für den Rock’n-‚Roll geschaffen. Nicht anders die Fans und die Bands, die in diesem 3000er Hexenkessel Dampf ablassen.

Klar, hier ist alles vom Feinsten: Die bulligen Ordner tragen schwarze Smokings (mit weißen Hemden, schwarzen Fliegen und auf seriös getrimmten Gesichtern!) und istman erst im Theater, wird man von goldenen und roten Glitzerwänden/ Säulen förmlich (angenehm) erschlagen; die Kids tragen keine Schottenröckchen sondern handfeste Blue-Jeans + Jeansjacken, sie haben sich in lebende Littfaßsäulen verwandelt, denn sie sind von Kopf bis Fuß mit Stickern, Bottoms u. Ä. behängt, bestickt, beklebt, bemalt: Von AC/ DC, Rush, Scorpions, Led Zeppelin, Deep Purple und UFO bis zum heutigen Heroen Sammy Hagar fehlt auf ihnen keine ihrer Lieblings-Heavy-Groups und der Verkauf von Sammy Hagar Posters, T-Shirts usw. blüht in disziplinierten Viererreihen…

Daß es Sammy heute gar nicht gut geht, wissen die Fans in der ausverkauften Halle nicht, sie werden es auch nicht erfahren. Hagar läßt seine total kaputte Stimme vom Doc spritzen (sie hat den Klimawechsel Frisco – England nicht vertragen) und als er auf die Bühne springt um zu fighten, läßt ihm der unbeschreibliche Jubel der Massen gar keine Wahl mehr – Sammy muß singen, spielen, hetzen, springen, rasen. Und er tut das mit einer Power, einer Kondition, die jedem Olympioniken Ehrfurcht abverlangen würde.

Das Apollo hat zwar Sitzplätze, aber die werden geschont. Hier gibt es nur dreitausend Gitarristen/Bassisten/Drummer – sie stehen und spielen jedes Riff mit, empfinden jeden Ton total losgehenden Band sofort nach. Sammy läßt die Sau raus, wie man so sagt, und die Kids schleudern sie zurück. Man kann nicht glauben, daß das der erste Auftritt von Hagar in Glasgow ist, denn hier kennen sie jeden Song, singen alles mit. Sprechchöre bringen den ausgelaugten Sammy und seine phantastisch eingespielte Band immer wieder zurück auf die Bühne. Neunzig Minuten Heavy-Rock in dieser Atmosphäre bleiben unvergessen in meinem Kopf (und den Ohren!).

Hamburg. Langsam füllt sich die Markthalle und noch ehe der Letzte voll da ist, geht das Rock-Feuerwerk von Hagar & Co. auch schon los. Soviel Pünktlichkeit ist man bei uns nicht gewohnt, Herr Gitarrero! Und ein Orkan mit Windstärke hundert ist noch ein schlappes Lüftchen gegen das, was auf die etwa sechshundert Fans norddeutscher Präggenug hereinbricht. Sie sind verängstigt, gehemmt? Warum äußerst sich ihr Fantum nicht wie in Schottland? Keine Sticker, keine Bemalungen, keine T-Shirts. Aber warm wird es trotzdem und nun ist zu spüren, daß Herr Hagar tatsächlich in Glasgow nur halbes Rohr gefahren ist! Was er aus der Markthalle und den Fans macht, ist einfach unbeschreiblich. Seine Band ist wie aus einem Guß, hier zählt noch das Solo und wenn Sammy minutenlang sein Sechssaiten-Holz bearbeitet, klinken selbst die Kühlen aus. Und dann passiert etwas, womit keiner gerechnet hat – es wird doch noch richtig jubiliert, und zwar so stark, daß Sammy glatte vierzig Minuten an Zugaben d ranhängt und mit ehrlichem Pathos ruft: „Hamburg, I Love You!“ – That’s It! Hamburg and Sammy: We Love You Too!!