Selbst ist die Frau


Lange Zeit schien es, als würden Peaches und Gonzales die einzigen Aushängeschilder jener kanadischen Exilantengruppe bleiben, die nach vielen Enttäuschungen einen Neuanfang in Berlin wagte. Eine Frau aus diesem Kreis ist nun aber drauf und dran, die beiden Wegbereiter in puncto Popularität heimlich, still und (meistens) leise zu überholen. Leslie Feist ist weit weniger exaltiert als Peaches und Gonzales so wie traditionell gestrickter Musik weitaus mehr zugeneigt. Zusammen mit Cat Power gehört sie zu einer neuen Gattung von Songschreiberinnen, die sensibel und zerbrechlich wirken, aber auch verspielt und experimentierfreudig sind. „Ich warnte Anhänger einer puristischen Auffassung von Musik. Es gibt Leute, die können einen ganzen Abend lang ruhige Stücke spielen. Das wäre mir zu wenig. Ich brauche Kontrapunkte, an denen ich mich reiben kann.“

In der Tat Zieht Sich der stilistische Wechsel wie ein roter Faden durch die bisherige Geschichte von Leslie Feist. Angefangen hat sie in Calgary in einer Punkband, die Placebo hieß und nichts mit dem zu tun hat, was man heute unter diesem Namen kennt. Ende der Neunziger folgte eine weitere Episode als Gitarristin der Band By Divine Right, die es in Kanada zu vereinzelten Radiohits und Auftritten im Vorprogramm lokaler Rockheroen brachte. Ihren kreativen Durchbruch erlebte Feist aber erst, als sie einsah, dass sie in einem festen Bandverbund nicht funktioniert. Ab da wurde sie zur vagabundierenden Einzelkämpferin: Ständig schaute sie in der Berliner WG von Peaches und Gonzales vorbei, wo sich Ideen für das konkretisierten, was später auf ihrem gefeierten Album let it die zu hören sein sollte. Eine richtige Wahlberlinerin wurde Feist aber nie. Zwischendurch ging sie zurück nach Kanada, wo sie sich der Indie-Band Broken Social Scene anschloss, der sie sich, wie sie betont, bis heute freundschaftlich verbunden fühlt. Womit Feist der im Popgeschäft verbreiteten Egokultur ein Schnippchen schlägt, was offenbar dem kulturellen Selbstverständnis der Kanadier entspricht. „Unter den Musikern, die ich kenne, gibt es einen ausgeprägten Gemeinschaftssinn. Wenn einer abhebt, wird er von anderen auf den Boden zurückgeholt. In Kanada muss man hart arbeiten, will man überhaupt eine Chance haben. Für Hypes ist man einfach nicht empfänglich. Wenn es welche gibt, schwappen sie aus den USA zu uns herüber.“

Was ihre eigene Arbeit betrifft,kann sich Feist so lange klein reden, wie sie will. Seit let IT die gibt es in vielen Ländern eine gesteigerte Erwartungshaltung. Von derlei äußeren Einflüssen hat die Sängerin aber nicht viel gespürt, denn sie war 33 Monate am Stück auf Tour. Die wenigen Pausen, die sich boten, wurden mit Aufnahmen für das neue Album THE REMINDER gefüllt. Einmal quartierte sich Feist mit ihren Kumpels Gonzales, Mocky, Jamie Lideil und den Mitgliedern ihrer Band für drei Wochen in ein altes Herrenhaus in der Nähe von Paris ein. Der Rest wurde einige Monate später in Toronto erledigt. „Es war einfach, die Platte unter Dach und Fach zu bringen. Auf Tour hatte ich genügend Möglichkeiten, neue Songs auszuprobieren. Man will ja nicht Abend für Abend dieselben Nummern spielen. Man ist sehr konzentriert, wenn man in einem riesigen Raum steht, in dem dieser fette Sound zu hören ist. Das ist besser, als wenn ich zu Hause allein miteiner4-Spur-Maschine sitze. /’Was die Reaktionen auf das neue Material betrifft, macht sich Feist keine Sorgen. „Nach all den Jahren, in denen mir niemand zuhörte, habe ich zuletzt eine Menge Wohlwollen gegenüber meiner Musik gespürt. Das gab mir die Selbstsicherheitjetzt konsequent das zu tun, was mir in den Sinn kommt.“

Die Zeiten, in denen sie sich hinter Coverversionen von Ron Sexsmith oder den Bee Gees versteckte, sind vorbei. Jetzt singt Feist lieber ihre eigenen Songs. Selbst ist die Frau. »>

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