Small Faces


Die neuen Gitarren-Bands retten die Song-Perlen der legendären Londoner Mod-Band ins Grunge-Zeitalter.

Black Crowes-Sänger Chris Robinson gesteht: „Ich bin mir vollkommen bewußt, daß ich lediglich ein Steve Marriott-Schröpfer bin.“ Songwriting und Biihnenpräsenz des kleinwüchsigen Small Faces-Frontmannes sind legendär, der Einfluß seiner Band dauert trotz Auflösung im Jahr 1969 bis in die Gegenwart an. Ob Queen-Gitarrist Brian May oder aktuelle Bands wie die Screaming Trees, Gumball, Thunder und Great White: Cover-Versionen der Small Faces sind angesagt wie nie zuvor.

Umso tragischer, daß Marriott die momentanen Hommagen nicht mehr erleben kann, verbrannte er doch im April 1991 im Schlafzimmer seines südenglischen Landhauses.

Die Small Faces-Story begann im London des Jahres 1965, als Musik und Kleidung der „Mods“ den Zeitgeist prägten. Anders als die nur trendbewußten Kunststudenten The Who war das Soul/ R&B-Quartett aus den Docklands des East End durch und durch authentisch. Mochten sie auch „small“ sein (um die 1,60 m), die mit Vespa-Rollern, Parkas und Pillen gerüsteten Rockerfeinde erkannten sie als „faces“ (Mod-Anführer) an. Sie galten als echte „street kids“ — frech, fluchend, vergnügungssüchtig, witzig, aber auch sentimental.

Bassist Ronnie Lane spielte bereits seit 1963 zusammen mit Drummer Kenny Jones bei den „Outcasts“ und „Pioneers“. In der „J60 Music Bar“ lernte er den ehemaligen „Moments“-Sänger Steve Marriott kennen, der mit einer der besten Soulstimmen diesseits des Atlantiks und ökonomisch malträtierter R&B-Gitarre brillierte. Organist Jimmy Winston wurde bald von Ian MacLagan ersetzt.

Frühe Decca-Platten präsentierten neben Tagesschlagern wie „Sha La La La Lee“ rauhe Rhythm & Blues-Adaptionen wie „Watcha Gonna Do ‚Bout It“, doch erst mit „My Mind’s Eye“ und dem intensiv-emotionalen „All Or Nothing“ gewannen die Small Faces ein eigenständiges Profil. Als man 1967 zum „Immediate“-Label des Rolling Stones-Managers Andrew Loog Oldham wechselte, konnte die Party beginnen. Oldham gewährte ihnen mehr Studio-Zeit, das Autorenteam Marriott/Lane konnte fortan eine Reihe klassischer Pop-Songs produzieren: Für einen Trip in den „Itchycoo Park“ wurden Drum-Sounds durch rotierende Leslie-Speaker gejagt. Mods warfen Pillen, Hippies bald LSD, aber der Freudenschrei über den Nachschub hieß immer: „Here Come The Nice“. Im nahezu hymnischen „Tin Soldier“ schrie sich Marriott die Seele aus dem Leib, in „Lazy Sunday“ beschrieb er in breitestem Cockney-Slang zu Party- und Klospülungs-Klängen die Feiertags-Gelage der gemeinsamen Band-Reihenbehausung.

Ihren ureigenen „Sergeant Pepper“ lieferten die Small Faces 1968 mit dem Konzeptalbum „Ogdens Nut Gone Flake“ ab. Neben melodischem Hardrock, Vaudeville-Songs und wüsten Saufliedern erzählte Cockney-Opa Stanley Unwin das Popmärchen von „Happiness Stan“ auf der Suche nach der anderen Hälfte des Mondes. Die langen Monate harter Studioarbeit brachten zwar ein verdientes Nr. 1-Album, doch die ruppigen Ex-Mods waren bühnenentwöhnt und konnten das ambitionierte Werk live nicht umsetzen. Anfang ’69 gab Marriott auf und gründete mit Peter Frampton „Humble Pie“. Die Rest-Band tilgte das „Small“ aus dem Namen und feierte mit Rod Stewart und Ron Wood weltweite Erfolge. Das Small Faces-Comeback mit Bassist Rick Wills im Jahre 1977 blieb erfolglos, doch Marriott tourte mit verschiedenen Besetzungen weiter durch diverse europäische Clubs. Bis zu seinem Tod.