Tanz und Gloria


Gitarrenbauer Auerwald setzt den Nobelhobel an - und sägt Saitenteile für seine Exzellenzen: Fürstin Gloria und Prince

Dann fährst Du in den Gewerbehof rein, sofort links, und immer weiter nach hinten. Wenn du das Gefühl hast, daß da nix mehr kommen kann, bist du richtig.“ Das Flair eines Kleingewerbe-Gebietes: Boote werden herumgeschoben, Autowerkstätten mühen sich redlich, alte Kisten ein letztes Mal über den TUV zu hieven. Ganz hinten, wo eigentlich „nix mehr kommen kann“, wird edlere Kundschaft bedient. Das kleine Firmenschild „Auerswald Instruments“ liest sich für Freaks ausgefallenen Gitarren-Designs wie der Hinweis „Paradies/Haupteingang“.

Auf dem ehemaligen Kasernengelände in Konstanz werden die Phantasien von Gitarristen und Bassisten in Holz gezimmert. Während die großen Gitarren-Fabriken seit Jahrzehnten vom Ausgangsmaterial Baumstamm alles weghobeln, was nicht nach Gibson Les Paul, Fender Strat oder Tetecaster aussieht, entstehen hier wunderlich gestaltete Mixturen aus Steinzeit-Axt und Sci-Fi-Sternenkreuzer. Erstklassig verarbeitet, eigenständig klingend, traumhaft in der Hand.

Leider auch teuer. Sauteuer. Wo üblicherweise finanziell das Ende des Griffbretts erreicht ist – bei 4.000, 5.000

Mark -, fängt die Auerswald-Preisliste erst an. Einsteigermodelle sozusagen. Und wo hört sie auf? Firmengründer Jerry Auerswald, 38, windet sich. Sagen wir: 50.000? Grinsen: „Da waren einige dabei.“ Prince jedenfalls, Kunde seit acht Jahren, habe überrascht „geschluckt“, als Auerswald ihm die Rechnung für seine aktuelle ‚Lovesymbol‘-Gitarre präsentierte.

Ein Einzelstück ist es, wie fast alle Auerswald-Instrumente. Dem Hersteller blieben zwei Fotos, ein Modell aus Sperrholz und die Genugtuung, sie auf der Prince-CD ‚The Beautiful Experience‘ abgebildet zu sehen. Stolz erklärt Auerswald einige Details. Die sechs Stimm-Mechaniken in Herzform zum Beispiel. Und ein bißchen verschämt zeigt er die angedeutete Vagina auf dem Korpus. Er erzählt von den Geburtswehen, zwei Monate sei er schwanger gegangen mit diesem Baby aus abgehangenem Riegel-Ahorn.

Was war denn so schwierig daran, das Prince-Logo nachzuschnitzen? Auerswald kramt im Schreibtisch und zieht, unter „p“ wie Prince, eine Klarsichthülle hervor. Skizzen, Zeichnungen, Kollagen.

Manchmal nur ein paar Striche, manche detailliert, einige mit stilisiertem Prince-Körper dahinter. „Sieh her, so hätte ich es auch machen können. Oder so. Oder so.“ Einen der Entwürfe habe er schließlich in die USA geschickt. Die Antwort aus Minneapolis, per Fax, war knapp: „Do it.“ Ebenso knapp das Kompliment nach der Übergabe in Paisley Park: „I guess, it works.“ Dann doch ein bißchen mehr: „Du hast mir eine Tür aufgestoßen.“ Mit so einem Kompliment, sagt Auerswald, müsse man erstmal zurechtkommen.

Ganz profan geht’s zu in dieser Hinterhofwerkstatt. Nichts ist exklusiv, nichts gestylt. Ein Zeichenbrett, ein paar Gitarren an den Wänden. Der Kunde dagegen erwartet aus dieser Werkstatt Exklusives, und das darf er auch. Bestes, mindestens 25 Jahre gelagertes Holz. Darf’s ein bißchen älter sein? Dann müßte sich doch auch ein Baum finden lassen, den eine Axt schon vor hundert Jahren flachlegte. Industrieware – bäh! Ein Großteil der Hardware wird selbst entworfen, viel von Hand gefräst.

Das Wichtigste: Es gibt kaum festgelegte Standards. Die drei Mindestanforderungen sind schnell formuliert: „Eine Kombination aus Sound, Ästhetik und Funktionalität.“ Funktionalität läßt sich konkret definieren: „Man muß mit der Gitarre auf der Bühne tanzen können.“ Ästhetik ist schon schwieriger festzumachen: „Ästhetik ist für uns eine Art Übermittler, durch sie fallen unsere Gitarren auf. Wir gehen aufs Jahr 2000 zu und spielen Gitarren mit dem Design der 50er. Denn seit damals hat sich nicht mehr viel getan. Die großen Hersteller kupfern sich nur noch gegenseitig ab. Dabei ist Ästhetik ein Grundbedürfnis wie Essen, Schlafen oder Trinken.“ Ulf Adrianowicz, 35, ist seit vier Jahren Miteigentümer bei Auerswald: „Es gibt Musiker, die fast Angst haben, durch die Optik unserer Gitarren erschlagen zu werden. Aber wer keine Minderwertigkeitskomplexe hat, kann unsere Instrumente auch spielen.“

Hierher nach Konstanz kommen Gitarren-Freaks, die von keinen Minderwertigkeitskomplexen geplagt sind und die Instrumente spielen wollen, die absolut einmalig sind. Daß sie die nötige Barschaft mitbringen müssen, versteht sich natürlich von selbst. Gloria von Thurn und Taxis brachte alle Voraussetzungen in idealer Weise mit. „Als sie das erste Mal hier angerufen hat, kannte ich sie gar nicht und mußte mir ihren Namen buchstabieren lassen. Mit der Zeit wurde sie, wie die meisten meiner Kunden, eine gute Freundin.“ Er zeigt nach oben, auf ein Fenster über der Werkstatt, früher seine Wohnung:

„Ich habe bei Gloria und Johannes kurzzeitig im Schloß gewohnt und kam dann wieder hierher zurück und habe dort oben geschlafen.“ Hervorgegangen aus dieser Bekanntschaft ist das Modell ‚Gloria‘, eine der wenigen Gitarren, die in Serie hergestellt werden. Preis, je nach Ausführung: rund 10.000 Mark. Wobei der Begriff ‚Serie‘ bei Auflagen von allenfalls zwei Stück pro Woche nicht gern in den Mund genommen wird.

„Viel Herzblut“ gebe man beim Verkauf jedes Instruments aus der Hand. Oder auch nicht. Etwa das Modell ‚Jela‘. Es wurde von AI Di Meola in Auftrag gegeben und in vierwöchiger Arbeitszeit gebaut. Bekommen hat er die ‚Jela‘ nie: „Als er sie abholen wollte, sagte er allerdings, er habe einen Vertrag mit einer anderen Gitarrenhersteller. Uns war sofort klar, daß er die ‚Jela‘ zwar im Studio spielen würde, auf der Bühne aber eine andere Gitarre umhängen hat. Die ‚)ela‘ blieb in Konstanz.

„Mit jeder Gitarre haben wir auch ein bißchen was von uns verkauft, von unserem Denken, von unserem Kopf.“ Das Vorgängermodeli der neuen Prince-Gitarre, ebenfalls von Auerswald, hatte „dieser kleine arrogante Kerl“ (Auerswald über Prince) übel malträtiert. Zusammen mit dem Lieferschein zur neuen ‚Lovesymbol‘ kam nun gleich die vorsorgliche Warnung: „Do that again, and I kick your ass.“