The Rettung Of Rock


Anfang des Jahrzehnts ist der Rock zu einer Etikette verkommen, einer stadiontauglichen Karikatur seiner selbst. Dann schleudert ihn jemand in die Garage zurück.

Sie haben Ende der 90er Jahre die Macht übernommen: Tätowierte Männer in kurzen Hosen, die – das Baseball-Käppi verkehrt herum auf dem geschorenen Haupt – lautstark über ihre schwere Kindheit im Trailerpark lamentieren. Schlimm genug, aber dass sie den Nu-Metal mit klischeehaften Popmelodien und längst überwunden geglaubtem Muckertum in den Mainstream drängen, macht die Misere erst so richtig deutlich. Rock ist natürlich nicht tot, aber erstarrt in wichtigtuerischen Formeln und Floskeln. Wozu auch jener aggressiv gepierete White-Trash-Chic gehört, noch heute zu bestaunen auf gewissen Campingplätzen in Autobahnnähe. Doch das gute, alte Pop-Spiel aus Bewegung und Gegenbewegung funktioniert noch immer: Dass sich Bands The Strokes oder The White Stripes nennen, hätte noch wenige Jahre zuvor für Schulterzucken gesorgt, gilt der Artikel „The“ vor einem Bandnamen doch als schwerwiegend retrograd und damit unsexy. Doch nicht nur formal, auch inhaltlich gibt es Umwälzungen: Die Jon Spencer Blues Explosion hat in den 90er Jahren noch mit der Obskurität zu kämpfen, Jack und Meg White aus Detroit sollen es mit musikalisch ganz ähnlichen Rezepten in die Fussballarenen dieser Welt schaffen: „Seven Nation Army“ als Garagenbluesrock für die Massen. Den Weg dazu entscheidend geebnet haben The Strokes aus New York, die, smart, ein wenig verrucht und stets cool gekleidet, die Rockmusik auf ihre Essenz zurückführen: prägnante Songs ohne breitärschige Rockismen gepaart mit der richtigen Attitüde und einer Optik weit nördlich von Arschgeweih und Nippelpiercing. Als The Strokes im Sommer 2001 im Londoner „Heaven“ auftreten, bringt ein Konzertbesucher namens Andy Stonebridge auf den Punkt, was die Faszination ausmachte: „They are so fucking cool“. Aus der Garage kommen The Strokes zwar nicht, doch eingedenk der Parallelen zu den stilistisch ähnlich gelagerten Stellplatz-Rockern der 60er Jahre, hält dieser Terminus erneut Einzug: Garagenrock. Ein wenig hilflos, gewiss. Aber zumindest inhaltsschwerer als das der Inflation ähnlicher Namen geschuldete „The-Bands“. Für die Behauptung, The Strokes seien die „Retter des Rock“ muss der MUSIKEXPRESS seinerzeit mitunter herbe Kritik einstecken – zu dick aufgetragen, zu viel Hype, urteilen um 2002 manche Leserbriefschreiber. Aus der Distanz betrachtet, kann man sich wohl auf ein Unentschieden einigen: Dass The Strokes 2001 der Rockmusik mit IS THIS IT den entscheidenden Impuls des Jahrzehnts geben, ist unstrittig. Dass die nachfolgenden Alben den hohen Erwartungen nicht immer gerecht werden, allerdings auch.