Meinung

„Twin Peaks“ ist für Neueinsteiger die absolute Hölle


Wo ist oben und wo ist unten? Die ersten vier Folgen der neuen „Twin Peaks“-Staffel sind für einen Neueinsteiger die Hölle. Ein Selbstversuch.

Laura Palmer. Den Namen kennt man. Das ist doch das Covergirl auf den DVD-Hüllen, auf unzähligen Merchandise-Artikeln. Diese strahlende Schönheit, um dessen Ermordung sich alles in den zwei „Twin Peaks“-Staffeln Anfang der 90er drehte. Dazu gesellte sich noch der gewissenhafte FBI-Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan) und fertig war der Plot. Zumindest klang das so weit, so logisch. Mit diesem Halbwissen müsste der Einstieg in die neuen Folgen, 26 Jahre später, doch einigermaßen leicht zu meistern sein – oder etwa nicht?

Call for help!

Dass „Twin Peaks“ kein leicht verdaulicher Content ist, versteht sich von selbst. Schließlich steckt neben Mark Frost (der schon Drehbücher für die „Fantastic Four“-Reihe verfasste) vor allem auch David Lynch als Serienschöpfer dahinter. Dieser Typ mit weißer Föhnfrisur, der es in „Blue Velvet“ für eine gute Idee hielt eine Story um ein abgetrenntes Ohr zu spinnen. Der Mann, der eine Menge für Transzendentale Meditation übrig hat. Lynch ist also der Name, den man nennt, wenn es um revolutionäres und radikales Fernsehen geht. Verstanden.

https://www.youtube.com/watch?v=khwuhgxjoXU

Aber was dagegen komplett unverständlich bleibt, sind diese vier Mal knapp eine Stunde „Twin Peaks“, die nun seit Ende Mai laufen und die Serienjunkie-Veteranen so feiern. Leider ist die neue Geschichte nicht so für sich allein stehend, wie von einer neuen Zuschauer-Generation erhofft. Ohne gewaltiges Recherchieren zum Hintergrund der Mystery-Serie kommt man hier nicht weit.

Hauptsache meta

Nur zu gerne würde man sich an Agent Cooper festkrallen. Denn er ist der einzige deutlich sichtbare rote Faden. Das Problem dabei: es gibt ihn gleich zwei Mal. Okay, eigentlich sogar in dreifacher Ausführung. Einer von ihnen ist ziemlich grimmig und gewalttätig drauf. Der nächste hat anscheinend ein Faible für Prostituierte. Und der dritte wirkt gänzlich geistesabwesend und steckt lange Zeit in einer Art Parallelwelt fest. Er redet nicht viel. Er schaut meist nur sehr verwirrt. Genauso wie man es als Neuling beim Anblick dieses ewig groß wirkenden Raumes mit den roten Vorhängen und dem schwarzweiß-gemusterten Boden tut. Denn was ist da eigentlich gerade los?

Dieser stille Cooper kriecht als schwarzer Rauch durch Steckdosen, knackt dann zig Mal hintereinander im Casino den Jackpot und lässt sich anschließend von Naomi Watts mit Fragen durchlöchern. Eine Logik, beziehungsweise irgendetwas Einleuchtendes will sich beim Schauen des Ganzen partout nicht einstellen. Die nächste Szene möchte immer noch ein bisschen abgedrehter als die vorherige sein. Wobei bereits zu Beginn der Staffel die Messlatte ziemlich hochlegt wird. Als man gefühlte Stunden einem Studenten dabei zuschauen muss, wie er auf einen großen, leeren Glaskasten starrt – bis er Besuch von einer Frau bekommt, mit der es gerade zur Sache geht, als ein ziemlich hässliches Wesen die beiden brutal attackiert und zermetzelt. Also Achtung: hoher Gore-Faktor!

Schlechtes Schauspiel, viele Gastauftritte

„Twin Peaks“: Länge und Starttermin der neuen Staffel stehen fest
Je weiter man in der neuen „Twin Peaks“-Staffel vorankommt, desto mehr stören die zig Anspielungen und Analogien auf alles Mögliche, was hauptsächlich für Fans der Serie oder eben verdammt belesene Menschen gedacht ist. Doch zum locker Zuschauen ist das nichts. Was auch daran liegt, dass die Effekte absolut unterirdisch sind. Oder kommt es bei einem Lynch auf ganz andere Sachen an? Die Dialoge können es nicht sein, denn davon gibt es viel zu wenige. Und schauspielerisch muss tatsächlich nur Kyle MacLachlan abliefern. Während viele Kurzauftritte (zu denen auch Michael Cera im Lederoutfit, David Duchovny als Frau und natürlich Laura Palmer gehören) eher an das Niveau von Schulaufführungen erinnern, mimt er voller Hingabe den Roboter, den Irren, den Dummen.

Würde MacLachlan einen Audiokommentar zu „Twin Peaks“ sprechen, man würde die Serie vielleicht verstehen. Aber so ohne jegliche Hilfe, Background-Verständnis und eine klare Storyline wird man wohl so lange verloren bleiben, bis wieder in den letzten Minuten der Folge eine neue Band die Bühne betritt und einen beruhigenden Song zum Ausklang spielt.