Filmbericht

„Wonka“: Eskapismusfilm übers Schoko-Kartell und nette Süßigkeitendealer


„Wonka“ präsentiert sich als klassischer Happy-End-Film, wobei Schokolade hier schon als krasse Droge dargestellt wird.

In der dritten Verfilmung des Kinderbuchs „Charlie und die Schokoladenfabrik“ von Roald Dahl werden die Anfänge des jungen Willy Wonkas im Schokoladenbusiness gezeigt. Eine Branche, die allerdings hart umkämpft ist und den leidenschaftlichen Chocolatier mit einigen Erzfeinden konfrontiert. Trotz allem gibt Timothée Chalamet, alias Wonka, nicht auf und schafft es letztendlich durch raffinierte Rezeptideen und dem Singen von optimistischen Songs die Hindernisse zu überwinden.

Man stellt sich anfänglich durchaus die Frage, ob es nach Tim Burtons 2005er Version des Willy Wonkas mit Johnny Depp in der Hauptrolle tatsächlich noch einen weiteren Film zur Thematik braucht. Vor allem, ob der Rückblick in die Jugend des Schokoladenfabrikbesitzers am Ende doch nur ein Vorwand ist, um die beinahe selbe Geschichte noch einmal zu erzählen? Doch tatsächlich handelt es sich um eines der seltenen Werke, die nicht versuchen, eine alte Geschichte neu aufzurollen oder sich an den Hype der Vorgänger zu klammern, indem fast die gesamte Handlung gleich bleibt. „Wonka“ zeigt eine neue, offene Version von Willy Wonka, in der Kinder nicht zu einem riesigen Menschenball aufgeblasen werden. Aber lohnt sich der Film auch für Erwachsene? Hier kommt unsere Review.

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The American Dream in Form von „Wonka“

Vom Tellerwäscher zum Millionär und das nur durch einen Traum und den nötigen Ehrgeiz. So lässt sich auch „Wonka“ gut zusammenfassen. Die Jugendversion von Willy reist nach London, um dort ohne das nötige Kleingeld seinen Lebenswunsch zu erfüllen: Das Eröffnen seines eigenen Schokoladengeschäfts in der „Galleries Gourmet“. Dort seien die Expert:inneen der Süßigkeit verortet, so die Aussage der inzwischen verstorbenen Mutter des Protagonisten. Sie war es nämlich, die ihn ursprünglich an das Handwerk herangeführt hat, und sie ist jetzt noch der Grund, warum er mit so viel Leidenschaft dabei ist – er will sich ihr auch nach dem Tod noch nahe fühlen können.

Nach sieben Jahren Weltreise, in der der junge Wonka auf der Suche nach außergewöhnlichen Zutaten, wie Giraffenmilch und seltenen Kakaobohnen ging, ist er nun bereit, eine genauso neuartige Schokolade auf den Markt zu bringen. Doch dies versuchen drei Konkurrenten, die mit Wonkas Schokolade eine Gefahr für ihr Geschäft sehen, mithilfe der Polizei zu verhindern. Nicht die einzige sich ausbreitende Beeinträchtigung: Der junge, naive Mann kann nämlich nicht lesen, was ihn dazu bringt, einen unseriösen Vertrag zu unterzeichnen. Dadurch wird eine kostenlose Nacht in einer Herberge zu einem Gefängnis, in dem er seine Rechnung durch jahrelange Arbeit begleichen soll. Eingesperrt in der Herberge und draußen zugleich von der Konkurrenz beobachtet, versucht Wonka weiterhin seine Schokolade an die Menschen zu bringen. Schließlich hat er für jede Situation die passende Süßigkeit. Egal, ob sie einen fliegen lässt oder in einen Broadwaysänger verwandelt.

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Absurd, Absurder, „Wonka“

Es handelt sich hier um einen Film, der auf einem Kinderbuch basiert. Natürlich merkt man dies dem Werk durch den stetigen Optimismus der Figuren und zig aberwitzige Szenen auch an. Wonka wird eine Nacht in einer Herberge angeboten, dessen Kosten er erst am nächsten Tag begleichen muss. Die Endsumme fällt am Ende jedoch größer aus als gedacht, denn die Besitzer des Hauses berechnen sogar den Gebrauch der Treppe hoch in sein Zimmer – und zwar für jede einzelne Stufe. 

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Regisseur Paul King, der zusammen mit Simon Farnaby auch das Drehbuchautor des Werkes schrieb, erschafft natürlich mit solchen Absurditäten auch eine fantasiereiche Welt. Dies scheint auch ihm selbst bewusst zu sein, denn Wonka singt darüber, dass es keinen besseren Ort auf der Welt gäbe, als die Fantasie. Es werden gesellschaftlich eigentlich seriös angelegte Charaktere, wie Mönche und Geschäftsleute, durch ihre Abhängigkeit zur Schokolade in etwas Lächerliches verwandelt. Gezielt werden Männer in Anzügen tanzend mit bunten Federfächern albern dargestellt, genauso wie ein Priester, der sich für ein Stückchen Schokolade gar einem Kartell anschließt. Das sorgt auch bei Erwachsenen hier und da für einen kleinen Lacher. 

Schokolade als das neue LSD?

Die Sucht nach der Schokolade führt dazu, dass die Big Bosses des Schokoladengeschäfts diese auch als Zahlungsmittel verwenden, um Kirche und Polizei auf ihre Seite zu bekommen. Dabei gieren die Menschen sogar nach der „langweiligen“ Süßigkeit von Wonkas Konkurrenz. Seine eigenen Kreationen bestärken den Eindruck, dass es sich hier quasi um Drogen handelt, umso mehr. Er stellt nicht nur Schokolade her, die Menschen Hoffnung gibt, sondern vertickert sie auch unter der Hand auf der Straße, um so der Polizei zu entkommen. Dies wird hier aber auch überspitzt dargestellt, so gibt es gegen fast jede Art des Kummers ein passendes Schokolädchen – es hilft nämlich anscheinend auch gegen Haarverlust.

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Wir haben es hier also mit einer Welt zu tun, in der übermäßig viel Schokoladenkonsum nicht zu Diabetes, sondern zur Glückseligkeit führt. Why not? Und das alles überaus überzeugend von den Schauspieler:innen dargestellt. Diese überraschen nicht nur mit ihrer konstant guten Leistung, sondern auch mit ihrer Präsenz in dem Film. Wer sich nämlich vorab nicht die überaus lange Liste der Mitwirkenden angeschaut hat, darf sich auf so manche Überraschungsmomente freuen. Von Keegan-Michael Key – der übrigens für solche lustigen Rollen geboren ist – über Olivia Colman, Matt Lucas und Rakhee Thakrar bis hin zu Phoebe Waller-Bridge sind wirklich viele bekannte Gesichter am Start. Und wem das nicht genug sein sollte, der oder die kommt spätestens bei Hugh Grant in der Rolle eines Oompa Loompas und Mr. Bean, alias Rowan Atkinson, als Pater Julius auf seine Kosten. Besonders wenn man dann noch einige von ihnen singend erleben darf, was sonst auch nicht an der Tagesordnung ist.

Fazit: Für Musical-Feinde erst einmal die gute Nachricht, dass die singenden Szenen auf ein Minimum reduziert sind. Trotzdem gibt es dann doch ein bis zwei Sequenzen, in der zu viel über die Lebensträume gesungen wird. Schließlich reicht es, wenn eine Figur bereits über seine Herzenswünsche trällert, oder etwa nicht? Aber alle, die sich eine kleine Auszeit von negativen Nachrichten nehmen wollen, werden mit „Wonka“ happy werden – denn hier wird man definitiv in eine Welt entführt, in der Schokolade der Kern der Kakaobohne und des Guten ist.