ME & me


Hermann Hanns war mitten im helllichten Punk ein ME-Chefredakteur ohne Scheuklappen.

Da kamst Ende 1976 zum ME – gerade rechtzeitig für eine der interessantesten Phasen der Popmusik. Kann man sagen. Reggae kam in Europa durch, Punk passierte, gleichzeitig war’s die Zeit der „Supergruppen“ – und die haben ja auch nicht nur schlechte Musik gemacht. Aus deinen Texten über Bob Marley und Reggae liest man eine regelrechte spirituelle Berührtheit heraus. Stimmt. Damals war das schon … ich will nicht sagen ne Religion, aber das war ein Sound … der war so warm. Da war ein Klang von Ferne und Sehnsucht dnn, der einem aber nicht kitschig und doof vorkam, sondern was Echtes hatte. Der Rhythmus, die Vitalität von den Leuten – das hatte was mit dem Leben zu tun. Ich hab Marley auch kennengelernt. Das war einfach ein guter Mensch. Du bist – neben dem Autor Harald Inhülsen – der exponierteste Punk-Versteher beim ME in diesen Jahren. Ich hab den Punk einfach toll gefunden. Die Energie und das Unrespektable, was die hatten. Wie das explodiert ist mit den Sex Pistols – gleich zack! rauf in die Hitparaden. Ein Skandal! Es war noch nichts Neues, aber es war ein Aufbegehren. Nach deinen Rezensionen zu urteilen, hattest du ja keine Scheuklappen auf. Leute, die Television und BREAKFAST IN AMERrCA gleich hoch schätzen, gibt’s wohl nicht so viele. Ich hab einfach bestimmte Sachen toll gefunden, und für die hab ich mich eingesetzt, das war mir Wurscht, wo das herkam. Ich hab mich da auch oft über mich selbst wundern dürfen. Zum Beispiel haben wir lange die Disco-Sounds weitgehend ignoriert. War alles ziemlich daneben. Und dann kam „Saturday Night Fever“, wir waren alle zur Premiere eingeladen – und waren wie ausgewechselt danach. Wir fanden das so toll! „Stayin‘ Alive“, dieser Sound, die Kraft, der Rhythmus. Dann hab ich das auch geschrieben. Du warst ein harter, aber gerechter Rezensent. In vielen Leserbriefen kriegt „euer Kritiker hh“ eins auf die Mütze. Ich hab letztens in der taz einen Artikel gelesen, wo einer erzählt, wie er früher immer den ME gekauft und befolgt hat, was da drin stand. Und da war eine Plattenkritik von einem Hermann Haring über KRAMPTON COM ES ALIVE. Und er hätte daraufhin nie wieder so was angerührt. Und als er sich jetzt in Kalifornien einen Bungalow gemietet hatte, stand da diese Platte rum, und da hat er’s 30 Jahre später mal gewagt – und fand die gar nicht so schlecht. Haha! Also, das war schon auch ein Stück Verantwortung, was man schreibt. Kannst du dich an eine kuriose Interviewsituation erinnern? Kate Bush. Die hab ich so toll gefunden, dass ich ne rote Rose zum Interview mitbrachte. Die Managerin hat das dann irgendwie unterbunden. Keine Ahnung, was die dachte, aber das war ihr zu ungewöhnlich. Es wurde dann schon noch ein gutes Interview. Aber da war ich mal aus der Reserve gekommen …