Beady Eye


„Our Kid“ spielt ohne seinen großen Bruder durchgenudelte Sixties-Ideen im Kölner E-Werk nach. Und steht in der Gegend rum. Ab und an applaudiert er sich selbst. Es ist großartig.

Der Mann sieht wieder einmal aus wie eine Kathedrale. Wie eine Kathedrale in einem Mod-Parka. Liam Gallagher tut das, was er am liebsten tut: Er steht rum und guckt, und zwar auf eine Weise, die jeden anderen, der je versucht hat, blasiert zu wirken, wie einen Amateur aussehen lässt. Dann steht ihm der Sinn nach Gesang. Also versammelt sich Gallagher in seiner berühmten Haltungsschaden-Pose mit hinter dem Rücken gefalteten Händen vor dem Mikro und presst in unnachahmlicher Manier ein paar Zeilen durch Zähne und Nebenhöhlen. Danach wird wieder umhergestanden, dass es nur so eine Art hat. Die Band dazu dröhnt, als spielte jemand etwas zu muskulöse Versionen alter Sixties-Gassenhauer. Eigentlich ist alles wie immer bei Oasis. Bloß: Die Band da oben auf der Bühne des ausverkauften Kölner E-Werks ist nicht Oasis, sondern Beady Eye. Die Hauptunterschiede: Es gibt keine alten Songs – und es fehlt Liams großer Bruder Noel Gallagher. Und damit geht ein Großteil des Reizes flöten: Oasis-Konzerte lebten auch immer davon, dass man sich vorstellte, welche Verwünschungen seines fünf Meter entfernt stehenden kleinen Bruders Noel Gallagher wohl gerade durch den Kopf schossen.

Es mag Nachgeborenen heute unverständlich, ja geradezu lächerlich erscheinen, dass der zwischen Beatles, Sex Pistols und Status Quo angesiedelte Fahnenschwenker-Rock einer dämlich benannten Formation unter Anführung zweier egozentrischer Brüder mit hohem Proll-Faktor mal das große Ding war. Aber bitte, liebe Jugendliche, glaubt uns: Es gab in den mittleren Neunzigern kaum etwas Großartigeres als diese genialischen Verwalter des Schlichten. Dass schon jetzt, kaum zwei Jahre nach der Bandauflösung, die Mitglieder von Wiedervereinigung zu lallen beginnen, muss mit Sorge betrachtet werden, zeigt es doch, in welch öden Ritualen das Popgeschehen inzwischen erstarrt ist. Vorübergehend aber gibt es nun also Beady Eye. Und man muss sagen: Lange klang keine Musik unter Gallagher’scher Mitwirkung so gut wie das, was die Band hier heute bietet. Das ist in erster Linie eine Sache des Tempos. Was bei Beady Eye fehlt, ist das, was bei Oasis immer so nervig war: das endlose Midtempo-Gedudel. Stattdessen wird hier unter Ausblendung sämtlicher musikalischer Erfindungen nach 1977 alles zusammengerührt, was englischen Lads Freude macht: 60er-Geschrammel, Beat, Jerry-Lee-Lewis-Pianos und schlichte, aber effektive Melodik. Das ist so snobistisch konservativ, dass dagegen alle anderen britischen Bands wie Daniel Düsentriebs klingen: Innovation gilt Gallagher und seinen Mod-Frisur-tragenden Freunden als ebenso lästig wie eine ansteckende Krankheit.

Und so gallaghert es also lustig vor sich hin. „The more you have the more you can lose“, philosophiert der Mann im Parka, auch die Aufforderung „C’mon“ hat man lange nicht mehr so häufig gehört. Im Saal wird das Gebotene mit Faustrecken, Union-Jack-Gewedel und rituellem Bierbecherwerfen gefeiert: Konzerte mit Liam Gallagher sind Messdienste am Altar der stilvollen Beschränktheit. Ob nun also getrennt oder demnächst (vermutlich) wiedervereint: Mit den Gallaghers wird man es weiter aushalten müssen.