Das Gehirn


Liebes Gehirn,

immer wieder liest man den Namen Brian Eno im Zusammenhang mit der Stilrichtung „Ambient“. Ist er der Erfinder dieses Genres?

Arnim Bloch, Fulda

Lieber Arnim,

tatsächlich trifft hier der eher seltene Fall zu, dass dem Pionier eines bestimmten Stils auch die Rolle des Namensgebers zufällt. Brian Eno, von 1971 und 1973 Mitglied von Roxy Music, nannte 1978 sein sechstes Soloalbum ganz bewusst und absolut ironiefrei AMBIENT I: MUSIC FOR AIRPORTS. Denn genau dort, auf Flughäfen, sollte die Platte zum Einsatz kommen, als Hintergrundbeschallung. Eno legte ihr gleich noch ein Manifest bei, das in folgender Aussage mündete: „Ambient muss im gleichen Maß einfach zu ignorieren wie auch interessant sein“. Eno arbeitet bis heute immer wieder im weiten Feld des Ambients, und auch seine Produktionen für andere Künstler wie U2 und Coldplay sind eindeutig davon beeinflusst. Doch die Idee zu einer in der großen Freiheit der indirekten Publikumsansprache fließenden Musik führt uns bis an den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück: Komponisten des Dadaismus und Futurismus wie Francesco Balilla Pratella und Luigi Russolo erweiterteten damals schon die Horizonte ihres Publikums. In ähnliche Richtungen vorstoßende Werke der berühmteren Kollegen Arnold Schönberg („Fünf Orchesterstücke – III, Farben'“) und Erik Satie („Musik als Möbel“) erreichten noch mehr Aufmerksamkeit. Und Modernisten wie John Cage und Morton Feldman und Minimalisten wie Terry Riley und Steve Reich dehnten solche Grenzgänge später immer weiter aus. Zudem lassen sich sehr viele der frühen, nach neuen Klängen forschenden Formen der elektronischen Musik aus heutiger Sicht als Ambient bezeichnen. Dank Brian Eno. Denn der ehemalige Kunsthochschüler war ganz sicher nicht der „Erfinder“ der Ambient-Musik. Doch er gab dem Genre seinen Namen und uns eine etwas konkretere Vorstellung davon, was „Ambient“ bedeuten soll. Oder besser: kann.

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