Die besten 100 Remixe


Ausgewählt und besprochen von Davide Bortot (db), Oliver Götz (ogö), Christopher Hunold (ch), Finn Johannsen (fj), Albert Koch (ko) und Jochen Overbeck (jo)

The Skatalites

African Roots Dub (Zion I Dub) – 1975

Das System war immer gleich: Im Black-Ark-Studio von Lee „Scratch“ Perry wurden die Original-Songs aufgenommen (hier von The Skatalites) und später zu Osbourne Ruddock aka King Tubby gebracht, der die Dub-Version herstellte. Tubby konzentrierte sich beim „African Roots Dub“ auf die Hervorhebung der Percussions und ein paar wenige, aber wirksame Effekte aus der Echokammer. Der Track entwickelt einen schleichenden Groove, der die Ska-Pioniere in einem neuen Licht erscheinen ließ. (ko)

Double Exposure

Ten Percent (Walter Gibbons 12″ Mix) – 1976

Der Beginn des modernen Remixzeitalters: „Ten Percent“ war die erste 12-Inch-Single, die nicht ausschließlich DJs vorbehalten, sondern im Laden zu kaufen war. Der Mix des Produzenten, DJs und House-Pioniers Walter Gibbons für Salsoul Records arbeitete die Markenzeichen des Philly-Sound-Originals heraus: viel Percussion in Tateinheit mit Stakkato-Gitarren-Licks und den typischen Streichern. Solche Zwitterwesen aus Soul und Disco sollten schon bald darauf House werden. Wer wissen will, wo James Murphy seine Discoinfiltrationen her hat, muss sich die ersten paar Minuten dieses Mixes anhören. (ko)

The Upsetters

One Step Dub – 1976

Nur eines von Hunderten Beispielen der großen Kunst Lee „Scratch“ Perrys. Er war der Erste, der das Aufnahmestudio als Instrument begriffen hat. Bei dieser Version von Max Romeos „One Step Forward“ akzentuierte Perry die Minimal-Licks der rhythmisch gespielten Gitarre und ließ von Romeos Gesang nur die Zeilen aus dem Refrain übrig. Die wiederholte er über die gesamte Länge des Stücks, beschnitt sie stellenweise und versah sie mit heftigen Echoeffekten. (ko)

Nicolette Larson

Lotta Love (Jim Burgess Remix) – 1978

1978 gab der Disco-Boom derart dominant den Takt vor, dass Plattenfirmen selbst Neil-Young-Songs singenden ehemaligen Neil-Young-Backgroundsängerinnen einer Tanzflächenbehandlung unterzogen. Glücklicherweise erhielt hier Jim Burgess den Zuschlag, der genau wusste, mit welchen subtil-eleganten Mitteln man Tausende von hyperemotionalen Tänzern durch den Morning-Music-Engtanz geleitet. Und zwar so genau, dass zwischen den Secondhand-Preisen der Original- und Remixversion ein erhebliches Preisgefälle besteht. (fj)

Loleatta Holloway

Love Sensation (A Tom Moulton Mix) – 1980

It’s such a sweet sensation! Die große, jüngst verstorbene Disco-Diva Holloway im Studio-Duett mit Tom Moulton, dem Erfinder des Rades, des Feuers, des geschnitten Brotes und des Remixes nach modernem Verständnis. Herz, Seele, Energie, Eleganz, Sex, Liebe, all das eingeritzt für die Ewigkeit in zwölf Zoll purem Gold. Die Quintessenz all dessen, was DJ-, Club- und Sample-Kultur je ausgemacht hat. (db)

Inner Life

Ain’t No Mountain High Enough (The Garage Version) – 1981

Schon die 1970er-Version von Diana Ross war ein Klassiker der frühmorgendlichen Sleaze-Phase legendärer Clubs und DJs, aber erst die vom Disco-Wunderproduzenten Patrick Adams betreute Interpretation legte das ganze hymnische Potential des Songs frei. Von Jocelyn Brown geschmettert, klang die Musik nun tatsächlich im gleichen Maßstab wie die Naturgewalten im Text, und Larry Levan legte in seinem Remix noch etliche Schippen drauf. Ein Denkmal, für ihn, die Paradise Garage und Disco. (fj)

Dinosaur L

Go Bang! (Walter Gibbons Mix) – 1982

Dinosaur L, eines von vielen Pseudonymen, die der große Disco-Innovator Arthur Russell für seine Arbeiten für Sleeping Bag Records benutzte. Remixer Walter Gibbons gelang mit seinem über zwölfminütigen Mix ein Klassiker in der Grauzone zwischen Disco und House. Gibbons legte den Fokus auf Rhythmus und Percussion und schuf damit ein veritables Groove-Monster, dem er einen jazzrockigen Vibe und ein paar extravagante Effekte beibrachte. (ko)

Kraftwerk

Tour de France (François Kevorkian Remix) – 1983

Eine sehr beeindruckende Interims-Single, die Kraftwerk zwischen Computerwelt und Electric Café veröffentlichten. Kevorkian gelang es in seinem Remix, die fragile Schönheit der Melodie zu bewahren, die noch auf Jahrzehnte die Fernsehbilder über den Lieblingssport der Düsseldorfer begleiten sollte. Aber er unterstrich auch mit wenigen, aber wirksamen Akzenten die Körperlichkeit des Themas, und brachte den Track in die hedonistischste Höchstleistungszone, den Club. (fj)

Sister Sledge

Lost In Music (1984 Bernard Edwards & Nile Rodgers Remix) – 1984

Fünf Jahre nach dem von ihnen geschriebenen und produzierten Original nahmen sich Bernard Edwards und Nile Rodgers „Lost In Music“ noch einmal vor. Die beiden Köpfe hinter der Disco-Band Chic gingen behutsam vor, erhöhten den Furiositätsfaktor und schufen einen Klassiker vom Klassiker, der weder nach 1977 noch nach 1984 klingt, sondern nach Zeitlosigkeit. (ko)

First Choice

Let No Man Put Asunder (Ron Hardy „Baby, Baby Baby, Aw Shucks“ Edit) – 1988

Über Chicago, Ron Hardy und die Muzic Box gibt es nichts mehr zu sagen – zumindest nichts, was ein „Oooh Baby“ nicht viel besser ausdrücken könnte. Pikante Randnotiz: Als Salsoul Records das ’77er-Original 1983 im Fahrwasser der aufkeimenden Dance-Bewegung neu auflegte, beauftragte man ausgerechnet Ron Hardys ewigen DJ-Rivalen Frankie Knuckles mit dem 12″-Mix. Es folgten zahllose Tribute, Remixe, Rip-Offs. Hardys Version aber bleibt unerreicht. (db)

Eric B. & Rakim

Paid In Full (Seven Minutes Of Madness – The Coldcut Remix) – 1988

Aus heutiger Sicht wirkt dieses siebenminütige Ungetüm mit seinen über 20 verschiedenen Samples (inkl. Ofra Hazas „Im Nin’alu“) wie eine Leistungsschau der technischen Möglichkeiten und stilistischen Aufgeschlossenheit der versiertesten Remixer ihrer Zeit. Tatsächlich katapultierte diese Demonstration (die im Edit Eric B. & Rakim im UK einen Hit bescherte) das Handwerk in ein neues Zeitalter als eigenständige Kunstform und trat nebenbei die Breakbeat- und TripHop-Forschung mit los. (ogö)

Rhythim Is Rhythim

Strings Of Life ’89 (Juan’s Magic Mix) – 1989

Unter dem Logo Rhythim Is Rhythim veröffentlichte Derrick May 1988 diesen Klassiker der Musikrichtung, die kurze Zeit später Techno genannt werden sollte. Synthetische Streicher zu massiven, vorwärtsdrängenden Beats. Das war nicht mehr ganz House und noch nicht ganz Techno. Juan Atkins, der andere Pionier, brachte dem Original die Flötentöne bei und versah es mit jenem futuristischen Vibe, der für Techno im kommenden Jahrzehnt charakteristisch werden sollte. (ko)

Nightmares On Wax

Aftermath (LFO Remix) – 1990

LFO ließen vom sehr guten Original nicht viel mehr übrig als das Vocal-Sample von Main Ingredient und ein paar verteilte Soundschlieren und addierten dazu die Grundelemente, die sie in der Frühphase des Warp-Labels so originär und konsequent einsetzten, dass sie eine ganze Weile als die einzig legitimen Nachfolger von Kraftwerk gehandelt wurden: möglichst hohe (Bleeps) und möglichst tiefe Frequenzen (Bass), und dazwischen ein psychotischer Maschinen-Funk. (fj)

Primal Scream

Loaded – 1990

Primal Scream mochten Acid House. Und Acid House mochte Primal Scream, zumindest DJ Andrew Weatherall. Der hatte die Band im Fanzine „Boy’s Own“ mit Lob bedacht und sollte im Gegenzug ihr „I’m Losing More Than I’ll Ever Have“ bearbeiten. Heraus kam mehr als ein simpler Madchester-Indie/Dance-Remix, nämlich ein Monster. „Loaded“ ist Rock’n’Roll, Northern Soul, Dub, Punk, A Certain Ratio und Coldcut, alles auf einmal. Grundstein für den Klassiker Screamadelica und einer der einflussreichsten Popsongs aller Zeiten. (db)

Silicon Soul

Who Needs Sleep Tonight (DJ Hell Remix) – 1991

Visionäres in Original und Remix. „Who Needs Sleep Tonight“ von der ersten 12-Inch des mysteriösen New Yorker Duos Silicon Soul ahnte 1981 in seinem minimalistischen No-Wave-Elektro-Arrangement Techno voraus. Zehn Jahre später, als die Ahnungen Wirklichkeit geworden waren, besann sich DJ Hell auf den wegweisenden Track. Der Remix für sein damals neues Label Disko B arbeitete die ungewöhnlichen Percussions heraus, was dem Track mehr Macht verlieh und Silicon Soul einen Platz im Kanon der Pioniere der elektronischen Tanzmusik sicherte. (ko)

Public Enemy

Shut Em Down (Pete Rock Mixx) – 1991

Ein HipHop-Remix geht heute so: 87 Freundesfreunde und Cousins dritten Grades spucken Mittelmaß auf dem angesagten Beat der Woche, ein Radiomoderator brüllt dazu Anmaßungen. Früher ging ein HipHop-Remix so: Pete Rock kontrastiert Chuck Ds aggressive Kämpferlyrik mit einem satten Bläsersample, knusprigen Drums und einer warm gefilterten Bassline. Seinen nicht minder legendären Mix von „Nighttrain“ soll er übrigens am selben Tag rausgehauen haben … Früher war nicht alles besser. Aber das hier schon. (db)

Maurizio

Domina (C. Craig’s Mind Mix) – 1993

Längst hat Carl Craig das Spiel mit den Flächen und den verzögerten Spannungsbögen zu einer Kunstform erhoben. Es hat ihn reich, berühmt und beinahe zum Grammy-Gewinner gemacht. Sein Meisterstück aber lieferte der erfolgreichste Remixer der Techno-Neuzeit in den frühen Neunzigern ab, mit dieser Bearbeitung des Berliner Duos Maurizio. Das Vocal-Sample nimmt einen mit der ersten Sekunde gefangen; es folgen knapp elf Minuten unmittelbarer, dichter, zeitloser Body Music. Detroit! (db)

Everything But The Girl

Missing (Todd Terry Club Mix) – 1994

Wie traurig darf es auf dem Dancefloor zugehen? Genau so traurig wie Todd The God eben sagt! Seinen Zenit hatte Terry 1994 längst überschritten. Für Everything But The Girl reanimierte er aber noch einmal den von ihm geprägten klassischen New Yorker House-Sound und schenkte dem britischen Duo eine zweite Karriere in den Clubs dieser Erde. Welthit! (db)

Joy Division

Love Will Tear Us Apart (Arthur Baker Remix) – 1995

Für manche ein Sakrileg: der Remix eines unantastbaren Klassikers. Arthur Baker, legendärer amerikanischer HipHop- und Elektro-Produzent, war Anfang der Achtziger einer der ersten, der Hits aus Pop und Rock tanzbar machte. Sein 1995er Remix des Joy-Division-Klassikers unterstrich die Stimmung des Originals mit ein paar dunkelgrauen Effekten und stolpernden Beats. Zehn Jahre später waren technoide Remixe von Indie-Songs Standard. (ko)

Tori Amos

Professional Widow (Armand’s Star Trunk Funkin‘ Mix) – 1995

Die größte Bassline der Neunziger? Die Geburtsstunde von Speed Garage? Vielleicht auch ein bisschen schuld an grusligen Spätfolgen von Swedish House Mafia bis, err, Duck Sauce? Mit Sicherheit aber der größte Hit aus der goldenen Ära des sympathischen Aufschneiders Armand van Helden, die unter anderem die Daft-Punk-Steilvorlage „The Funk Phenomena“ und einige weitere Underground-Hymnen auf dem Label Henry Street Music hervorbrachte. (db)

Donna Summer

I Feel Love (Patrick Cowley Mix) – 1982

Produzentengott Giorgio Moroder gelang mit dem Original von 1977 ein Meilenstein der Popgeschichte: der erste vollelektronische Disco-Song; mit den typischen Moroder-Beats, die Techno vorausdachten. Daran war kaum etwas zu verbessern. Oder doch? Ein Jahr später erstellte Disco- und Hi-NRG-Producer Patrick Cowley diesen fast 16-minütigen Bootleg-Mix, der ein Klassiker in den Underground-Discos und Schwulenclubs von San Francisco wurde. Nach dreieinhalb Minuten geht die Cowley-Behandlung los, er lässt die Beats galoppieren, die Bassline durchtackern und setzt überirdische Effekte und Synthesizerparts darauf. Erst 1982, im Jahr von Cowleys Tod, veröffentlichte Donna Summers Label den Remix offiziell. (ko)

Underworld

Born Slippy .NUXX – 1996

Ein schönes Beispiel dafür, dass der Remix erfolgreicher sein kann, als sein Original. Wenn auch in diesem Fall der Einsatz des Tracks im Film „Trainspotting“ hauptverantwortlich dafür war. Underworld nahmen sich „Born Slippy“ noch einmal vor, legten Gesang über den Track und einen shuffelnden Rhythmus darunter, der sich über die gesamte Strecke der elfeinhalb Minuten abrackert wie ein ekstatischer Tänzer morgens um fünf im Club. (ko)

I:Cube

Disco Cubizm (Daft Punk Mix) – 1996

Es gab einmal eine Zeit, da waren Daft Punk noch keine Roboter mit voll beleuchteter Pyramide im Vorgarten ihrer kalifornischen Villen. Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo waren einfach zwei Kids aus dem Pariser Bürgertum, die House-Musik liebten, angefixt von einem lokalen Underground-DJ namens David Guetta. Dieser Remix für das Versatile-Label von DJ Gilb’r ist Zeugnis jener Zeit: schlank, subtil und dennoch randvoll mit allen Insignien des French Touch. Ein stiller Klassiker. (db)

Atmosfear

Dancing In Outer Space (Masters At Work Mix) – 1997

Die Wiederentdeckung der britischen Jazz-Funk-Band Atmosfear ist diesem Remix von Kenny Dope und Louie Vega vom New Yorker Produzententeam Masters At Work zu verdanken. Der Atmosfear-Hit „Dancing In Outer Space“ aus dem Jahr 1979 wird von Dope und Vega zu einem latinbeeinflussten Disco-Track from outer space umgedeutet, der sein volles Spiegelkugel-Aroma über die Spielzeit von acht Minuten entfalten kann. (ko)

Cornershop

Brimful Of Ashra (Norman Cook Remix) – 1997

Natürlich war die Vorgehensweise von Fatboy Slim bei seinen Remixen nicht unbedingt subtil und ähnelte stets der, die er auch bei seinem größten Hit „Rockafeller Skank“ anwandte: Im Prinzip hob er den Beat hervor, verstärkte ihn mit ein paar perkussiven Elementen und einigen Filtern so lange, bis er wirklich krachte, beschleunigte hie und da und bastelte neue Dramaturgien. Voll auf die Zwölf eben, im Endergebnis vielleicht vergleichbar mit dem, was heute SebastiAn macht. Den Cornershop-Hit „Brimful Of Asha“ schob er auf diese Art aus dem Radio mitten auf die Big-Beat-Tanzfläche und in die Charts. Am schönsten: die clevere Kurzfassung. (jo)

Björk mit Funkstörung

All Is Full Of Love – 1998

Michael Fakesch war platt, als eines Tages sein Handy klingelte und sich Derek Birkett, der Chef des Labels One Little Indian, meldete. „Habt ihr Lust, Björk zu remixen?“, fragte Birkett, „Sie würde unglaublich gerne einen Remix von euch haben. Ihr könnt euch was aussuchen von Homogenic. Fakesch und Chris de Luca wählten „All Is Full Of Love“, ließen lediglich Björks Gesang bestehen und unterlegten ihn mit ihren komplexen, zerhackten Glitch-Dekonstruktionen. Rhythmus wurde zur Melodie und umgekehrt, verstörend bis fies, Melodik aus einer anderen Welt. Dieser Remix setzte Rosenheim auf die Landkarte der elektronischen Musik. (ko)

DJ Koze präsentiert Blumfeld/Steve Bug

1000 Tränen tief (Loverboy Mix) – 1999

Technisch ist das ein Bastard-Pop-Mix, den DJ Koze hier hergestellt hat: Er legt die komplette George-Michael-nahe Ballade über Teile des Minimal-House-Tracks „Loverboy“ von Steve Bug, muss diese aber nach oben pitchen, um das Tempo anzugleichen. So wird Jochen Distelmeyer zur Micky Maus. Dennoch ist das hier kein billiger Gag, und eben auch kein Bastard mit Oha-Effekt. Herr Kozalla hat in den beiden Stücken etwas gefunden, was sie miteinander verschmelzen lässt. Herr Kozalla ist ein Alchemist. (ogö)

Moloko

Sing It Back (Boris Musical Mix) – 1999

Lustig: Das Original klingt mehr nach einer Nachbearbeitung als der zum Hit und Klassiker gewordene Remix des Hamburger House-DJs Boris Dlugosch: Es erlaubt sich keinen geraden Beat, das eckige Arrangement wirkt unfertig und gleichzeitig überkonstruiert. Doch Róisin Murphys Stimme glimmt rot wie gut durchgezogene Grillkohle. Dlugosch brachte „Sing It Back“ schließlich auf Zug, auf 08/15-Housepop-Zug, um ehrlich zu sein. Aber wenn zum satten, geraden Beat und zur unablässig groovenden Funkgitarre Róisins Kohle glimmt, zerrt einen das immer noch unter die Discokugel. (ogö)

DJ Rolando

Knights Of The Jaguar (Jeff Mills Remix) – 2000

Underground Resistance war immer der etwas politischere und unabhängigere Verbund im Techno. Als Label veröffentlichte UR vor allem um die Jahrtausendwende Klassiker um Klassiker, so auch die „Knights Of The Jaguar“-EP von DJ Rolando, die Jeff Mills, einer der Labelchefs höchstselbst, mit einem Remix krönte. Der war zwar nicht signifikant anders als das Original, einen der besten Technotracks der späten Neunziger noch ein Fitzel besser zu machen, ist aber Rechtfertigung genug. (ch)

Gorillaz

19/2000 (Soulchild Remix) – 2001

Für das Radio war die triphoppig träge und ganz fantastische Albumversion des Songs eher kein Erfolg. Ganz im Gegensatz zum „Soulchild Remix“, für den extra neue Vocals aufgenommen wurden und der in der öffentlichen Wahrnehmung seitdem vorneweg marschiert – etwas schneller und mit deutlich mehr Feuer unterm Hintern als das Original. Diverse Computerspiele und TV-Serien haben sich seitdem mit dem Sonnyboy unter den Gorillaz-Remixen geschmückt. Schließlich wollte jeder, aber auch jeder seinen „cool shoeshine“. (ch)

Kylie Minogue

Can’t Get You Out Of My Head (Soulwax KYLUSS Remix) – 2001

Frühes Beispiel für den manchmal ironischen Umgang von Soulwax mit Originalmaterial. Die Belgier verwandelten Kylie Minogues Dance-Pop-Hit in ein Hardrock-ähnliches Etwas mit Wänden aus Gitarren, scheppernden Drums, schrillen Hi-Hats und Verzerrungen und versteckten den Remix als schwer ansteuerbaren Track Nummer 0 auf dem 2-Many-DJs-Album As Heard On Radio Soulwax Pt. 2. (ko)

808 State

Coma Flow (AFX Remix) – 2001

So wirklich glücklich soll Richard D. James mit dem Warp-Label zu Beginn des Jahrtausends nicht gewesen sein. Sein Ehrgeiz, das von ihm vielsagend betitelte Remix-Album 26 Mixes For Cash an den Mann zu bringen, hielt sich auch in Grenzen. Wenn dies nicht veröffentlicht worden wäre, was wäre uns doch nicht alles durch die Lappen gegangen, so z.B. die Aphex-Twin-Neubearbeitung des Achtzigerjahre-Acid-House-Klassikers „Coma Flow“ von 808 State, die den repetitiven Brainfreeze des Originals mit Spannungsbogen und Peitschenhiebbeat auf den Tanzboden bittet. Ein Königreich für die Roland TR-808. (ch)

Air

„How Does It Make You Feel“ (Adrian Sherwood Version) – 2002

Everybody Hertz, das Remix-Album zu Airs 10.000 Hz Legend braucht kein Mensch. Drei Songs in neun Versionen von arg wechselhafter Qualität, so weit geht die Liebe für die beiden Franzosen dann doch nicht. Auch Dub-Meister Adrian Sherwood tat hierfür an sich nur seinen Job. Aber wie gut gehen das fast schon apathische Original und Sherwoods Standards inklusive Reggae-Bass und -Percussions, Harmonika und Junior Delgados Vibrato-Vocals hier zusammen? Und wie weit kann man eigentlich durchhängen und trotzdem noch schweben? (ogö)

Justice vs. Simian

We Are Your Friends – 2003

Dass das Original, „Never Be Alone“, der britischen Indie-Band Simian auch schon eine Clubhymne hätte sein müssen – wen interessiert’s? Schufen zwei unbekannte Franzosen doch den perfekten Türöffner daraus, der das Publikum von beiden Seiten, E und I quasi, sich gegenseitig in die Arme rennen ließ. Unter den hysterischen Vocals strahlen SciFi-Synthies, ein Funk-Bass spielt Hasch-mich mit uns, die Handclaps krachen, die Daft-Punk-Schüler lesen bereits bei ihrem Debüt die ganz große Messe. Simian gibt es da schon nicht mehr. Aber Simian Mobile Disco. Klänge und Zeichen der Zeit. (ogö)

Coldplay

Clocks (Röyksopp Trembling Heart Mix) – 2003

Röyksopp haben von Anfang an ihren Sound gefunden und geben ihn nicht mehr her. Es ist ein (dank analoger Synthesizer) warmer und weiter Elektrosound, der unterschwellig euphorisch machen kann. Er ist lieb zu Melodien. Und so schmiegt sich hier die Neuinstrumentierung der Norweger wie in Chris Martin verschossen an dessen Gesangsvortrag. Und auch dieser so anhängliche Piano-Riff kommt selbstverständlich mit – gespielt vom Synthesizer. Fertig! „Clocks“ wird zum hopsenden Synthiepophit. Das ist so banal wie berechenbar wie unwiderstehlich. (ogö)

Bloc Party

Tulips (Minotaur Shock Mix) – 2004

Bloc Party haben vor gut einem halben Jahrzehnt nicht nur mit einer hundertprozentigen Trefferquote einen perfekten Song nach dem anderen herausgebracht. Auch die Remixer waren stets sehr gut gewählt. So zum Beispiel der eher unbekannte Minotaur Shock. Er verpasste „Tulips“, einem der nobelsten Gänsehautsongs dieses Planeten, ein schnelleres Tempo, ohne dabei die liebesbejahende Stimmung der Originalversion aus dem Zentrum der Aufmerksamkeit zu ziehen. Dieser schlicht und ergreifend wunderschöne Remix wurde in Zeiten der Unwissenheit sogar für das Original gehalten, das allerdings ist dann doch auf ewig unschlagbar. „‚Cos you’re the one I love.“ (ch)

Scissor Sisters

Comfortably Numb (Tiga Remix) – 2004

Was von den Scissor Sisters nach einem guten (das Debüt) und zwei Geht-so-Alben bleiben wird, ist noch nicht abschließend zu beurteilen. Auf jeden Fall dieser Remix der Pink-Floyd-Coverversion von der New Yorker Queer-Disco-Band, die der kandadische Produzent Tiga gemacht hat. Der nahm einen shuffelnden Beat zur Grundlage, ließ es zischen und quackern und ein paar dezente Acid-Ingredienzien mit einfließen. (ko)

Blur

Song 2 (Tim Deluxe Remix) – 2004

Torjubel im Millernstadion. „Song 2“ von Blur ist bekanntlich einer der unkaputtbarsten Gassenhauer der Neunzigerjahre. Zu diesem Lied wird auch in 20 Jahren noch getanzt werden – in der Indie-Disco. Aber auch Freunde der eher härteren Gangart elektronischer Musik müssen Dank des „Tim Deluxe Remix“ auf das Schütteln des Haupthaares zum Blur-Evergreen nicht verzichten. Bis man weiß, in welchem Song man sich überhaupt befindet, lässt Tim Deluxe etliche Takte vergehen – und das auch nicht mal besonders originell, dafür umso effektiver. (ch)

The Futureheads

Hounds Of Love (Phones‘ Wolves At The Door Remix) – 2005

Paul Epworth war nicht nur der wichtigste Produzent der Indie-Bands, der „Class Of 2005“, sondern unter dem Pseudonym Phones auch für ein paar Jahre der bedeutendste Mann, der diese Musik in einen tanzbaren Kontext überführte. Wir erinnern an seinen grandiosen „Disco Edit“ von Bloc Partys „Banquet“. Das Futureheads-Cover von Kate Bushs „Hounds Of Love“ wird durch die Behandlung von Phones auf den Dancefloor und anschließend in spacige Sphären überführt. Manchmal reicht ein einfacher Funk-Bass aus, um wahre Wunder zu bewirken. (ko)

Bloc Party

Banquet (The Streets Mix) – 2005

Weniger Remix als Samplearbeit ist Mike Skinners einst auf der „Two More Years“-Single versteckte Bitte um Vergebung bei der britischen Radiomoderatorin Jo Wiley. Skinner hatte im Jahr 2003 als Gast einer Radiosendung bei Wiley ein Mikrofon mitgehen lassen, um sein zweites Album damit aufzunehmen. Herzallerliebst. Die sich erwidernden Trademark-Gitarren von Kele Okereke und Russell Lissack aus der Hymne aller Hymnen, „Banquet“, geben den Rhythmus vor, auf dem Skinner seinen Beat setzt. Fast schon ein Mash-up. Und ganz groß. (ch)

Daft Punk

Human After All (Justice Remix) – 2005

Zwischen der Veröffentlichung der Singles „Waters Of Nazareth“ und „Phantom“ und kurz vor dem Erfolg ihres mainstreamtauglichen Debütalbums nahmen sich Justice dieses Tracks ihrer Freunde von Daft Punk an. Der Titeltrack des weithin unterschätzten dritten Daft-Punk-Albums Human After All wird von Gaspard Augé und Xavier de Rosnay der Heavy-Metal-isierung von Elektro-House unterzogen, die so typisch werden sollte für Justice und die elektronische Musik in der zweiten Hälfte der Nullerjahre. (ko)

LCD Soundsystem

Tribulations (Tiga’s Out Of The Trance Closet Mix) – 2005

Tiga schon wieder. Der Kanadier wandte das Remix-Patentrezept an, um den Song vom LCD-Debütalbum aufzuwerten. Eine unwiderstehlich blubbernde Bassline und eine enorm kickende Bassdrum in Tateinheit mit zischelnden Hi-Hats ersetzten den Basic-Track. James Murphys Gesang wurde von Tiga dezent verlangsamt, was dem Remix eine überirdische Schlafmützigkeit verleiht. Wie in Trance halt. (ko)

The Kills

No Wow (MSTRKRFT Remix) – 2005

Das Original hat es den Remixern leicht gemacht. „No Wow“ empfiehlt sich in seiner beatboxigen Schäbigkeit von selbst für den Dancefloor. Jesse Keeler und Al-P mussten für den Remix lediglich ein bisschen nachwürzen – mit verschlungenen Synth-Figuren und einem stärkeren Beat. Entstanden ist ein federndes, groovendes Ding von einem Remix, das noch Welten von der Brachialität entfernt ist, die bei MSTRKRFT noch kommen sollte. Auch wenn diese in Spuren hier schon vorhanden ist. (ko)

Digital Mystikz

Ancient Memories (Skream Remix) – 2006

Für viele Dabeigewesene ist „Ancient Memories“ die erste Hymne aus der Zeit, in der der Begriff Dubstep noch zündete, und einzelne Tracks eine unfassbare Wirkung in der ganzen Szene entfalten konnten. Der Stern des damals 19-jährigen Oliver Jones alias Skream ging da gerade auf, einer der vielen Ritterschläge für ihn war diese Remixarbeit. Als man sich noch strikt an 140 bpm gehalten hat, musste anderweitig ein Unterschied zum Original geschaffen werden. Diese Aufgabe löste Skream mit einem düsteren Acidbreak, der vor allem mit dem richtigen Soundsystem die Wände zum Beben bringt. Gewaltig. (ch)

Arthur Russell

Springfield (DFA Remix) – 2006

Das Schaffen des New Yorker Produzenten Arthur Russell (1951-1992) oszillierte zwischen Klassik, Avantgarde, Folk, Disco und frühem House. In jedem dieser Felder war Russell ein absoluter Meister. „Springfield“ ist ein Proto-House-Track, wenn auch mit stark experimentellem Einschlag. Tim Goldsworthy und James Murphy vom DFA-Produzententeam fügten zum maschinellen Sound, der wie eine Dampflok nach vorne drängt, den fehlenden Beat. Wenn dann nach fünf Minuten Russells glockenheller Tenor einsetzt, ist alles zu spät. Fragen Sie Antony Hegarty, wo er seine Art zu Singen her hat. (ko)

Hot Chip

Boy From School (Erol Alkan Rework) – 2006

Erol Alkan, der in Großbritannien als Brückenbauer zwischen Indie und Club gilt (u.a. als Produzent des zweiten Mystery-Jets-Album) beweist, dass Hot Chip nicht nur selbst Meister des Handanlegens sind, sondern auch genug remixtaugliches Material mit sich bringen. Die songtypischen Glocken verharren permanent im Hintergrund, stoßen immer im richtigen Moment dazu und lassen Mr. Alkan alles Rhythmische aus dem Track ziehen, die Funkgitarre, der Bass, der sanfte Housebeat, auf Stimmen verzichtet er fast komplett, mit Leichtigkeit geht es ans Ziel. (ch)

Depeche Mode

Never Let Me Down Again (Digitalism Remix) – 2006

2006 stand das Dance-Rock-Ding in voller Blüte. Und die Hamburger Digitalism hatten ein gewichtiges Wort mitzureden beim Hype. Klar auch, dass sie von Depeche Mode um einen Remix gebeten wurden für die Bonus-CD, die dem damaligen Best-of-Album beilag. Der Digitalism-Remix von „Never Let Me Down Again“ hält die größtmögliche Distanz zum Original ein. Mit fiesen Bässen, durch die Filter gejagten Effekten und einer Struktur, die sich der von konventionellen Songs verweigert. Jence Moelle und Isi Tüfekci geben dem Song das, was den nicht unbedingt Hardcore-Depeche-Mode-Fans unter Umständen am schlafmützigen Original gefehlt hat. (ko)

Headman

It Rough (Chicken Lips Remix) – 2003

Kurz bevor das Achtzigerjahre-Revival endgültig zum Klischee erstarrte, erschien auf dem Münchner Gomma-Label eine Platte, die noch einmal präzise auf den Punkt brachte, was diese gigantisch sich auftürmende Retro-Welle an Wahrem und Schönem auf den Dancefloor gespült hatte. Punkfunk, Loft, New Wave und Acid House. David Mancuso, ESG, DJ Pierre und Farley Jackmaster Funk. New York, Chicago und Manchester mit ganz viel London unter dem Summenstrich. Radikal reduzierter Disco-Dub, direkt aus dem Seventh Heaven. (db).

Depeche Mode

Personal Jesus (Boys Noize Rework) – 2006

Eine Minute lang passiert wenig, was darauf hindeutet, welcher Song hier einer Spezialbehandlung unterzogen wurde – gesampeltes Keuchen, maschinelle Störgeräusche, latente Aggressivität. Dann setzt der Gesang Dave Gahans ein, alles scheint normal, aber langsam gewinnt das Chaos die Oberhand zurück, bis sich der Remix nach sieben Minuten in einer einzigen, großartigen Noise-Kakophonie auflöst. Alexander Ridha aka Boys Noize ist der beste in der endlos langen Liste mit Depeche-Mode-Remixen gelungen. (ko)

Gossip

Standing In The Way Of Control (Soulwax Nite Version) – 2006

Bis zum Ende der Nullerjahre hatte Soulwax alle durch den Remix-Wolf gedreht: LCD Soundsystem, Daft Punk, Gorillaz, Hot Chip, MGMT. Und Gossip. Zugunsten der funky Bassline und einer permanent schiebenden flirrenden Synthesizer-Extravaganza muss die Stimme Beth Dittos in den Hintergrund treten. Nach hinten hinaus steigert sich die sonische Madness bis zur süßen Unerträglichkeit. Oder so: Soulwax übersetzen die schäbig-punkige Pracht von „Standing In The Way Of Control“ in die glorios-punkige Pracht eines Mitt-Nullerjahre Elektrorockers. (ko)

Klaxons

Atlantis To Interzone (Digitalism Remix) – 2006

Die zweite Single der einstigen Nu-Rave-Wunderkinder klang bereits wie ein Digitalism-Remix. Also mussten sich die Hamburger gezwungen gesehen haben, im Prinzip einen komplett neuen Track aufzubauen. Auf einem maschinellen Beat ließen sie ihrer Vorliebe für ungerade Noise-Erkundungen freien Lauf, zerhackten den Gesang bis zur Unkenntlichkeit. Wenigstens ließen Digitalism die schön-nervigen Sirenen aus dem Original weitersingen. (ko)

Skream

Midnight Request Line (Digital Mystikz Remix) – 2006

Wenn es bei der Frage nach dem Konsens im Dubstep darum geht, Dubber und Grimer gleichzeitig die Hände recken zu lassen, wird oft „Midnight Request Line“ namegedroppt. Skreams Durchbruch gelang vor allem durch das bis dahin einmalige Zusammenspiel einer echten Melodie mit dem tiefschürfendem Bass. Mala von Digital Mystikz ließ die Erfolgsformel stehen, schraubte aber gewaltig am Faktor Garage und verschleppte den Beat des Tracks noch etwas mehr. (ch)

Feist

My Moon My Man (Boys Noize Classic Mix) – 2007

Mit diesem „Remix“ gelang Boys Noize die komplette Umdeutung des Originals der kandischen Singer/Songwriterin – bei der gleichzeitig kompletten Wiedererkennbarkeit des Songs. Alex Ridha tastete den Gesang von Feist nicht an, ließ eine Vocoderstimme über fast die gesamte Spieldauer die Worte „My moon my man“ singen und baute einen post-discoiden Track darum herum, der weniger „noize“ ist, als von ihm gewohnt. Ein Primetime-Dancefloor-Kracher für die Ewigkeit. (ko)

Shackleton

Blood On My Hands (Ricardo

Villalobos Apokalypso Now Remix) – 2007

Es nützt ja alles nichts. Diese 18-minütige und auf zwei Vinylseiten verteilte Attraktion von hirnzermahlener Voodomusik ist und bleibt die Refernz in Sachen kompletter Demontage des Grundmaterials bei gleichzeitiger Vertiefung der Originalatmosphäre. Die für Shackleton typischen Tribaldrums verschwinden, Ricardo Villalobos lässt die bitterbösen Vocals in einem Morast mürrischen Schredderns und düsterster Flächen suhlen, immer im gleichen Beat und in absoluter Hypnose. Besser geht es nicht. (ch)

Justice

D.A.N.C.E (MSTRKRFT Remix) – 2007

Nach einer Reihe von nicht autorisierten Remixen im Vorfeld der Veröffentlichung der zweiten Justice-Single erhielten MSTRKRFT den offiziellen Auftrag zur Neubearbeitung. Die Kanadier verzichteten dabei nicht auf das Kernstück des Originals, den Gesang des Foundation For Young Musicians Choir, statteten den Track aber mit einem relativ geraden Beat aus und fügten eine Reihe von Acid-nahen Synthie-Verschlingungen dazu. Damit brachten MSTRKRFT dem Track, der D.A.N.C.E. heißt, tatsächlich das Tanzen bei. In Großbuchstaben. (ko)

Rage Against The Machine

Killing In The Name Of SebastiAn – 2007

Vereinfacht gesagt geht es bei dem französischen Label Ed Banger darum, aus einem großen Spektakel ein riesiges machen. Sebastian Akchoté (und nicht Mr. Oizo, dem der Remix fälschlicherweise immer wieder zugeschrieben wird) tut dies hier auf die Guerilla-Art, in dem er dem ohnehin schon ziemlich schlagkräftigen Original stellenweise mit einem sehr schmutzigen Housebeat nachhilft, ordentlich Distortion reindreht und verfremdete Computerstimmen Zach de la Rochas Tirade überblenden lässt. Mehr tut Sebastian nicht, aber die Wirkung ist gewaltig. (ogö)

Klaxons

Gravity’s Rainbow (Soulwax Remix) – 2007

Für ihr Debütalbum Myths Of The Near Future nahmen die Klaxons ihr „Gravity’s Rainbow“ neu auf und veröffentlichten den Song, der ihre erste Single gewesen war, noch einmal als Single Nummer fünf. Auf der B-Seite durften sich Soulwax der Neuaufnahme annehmen. Die Belgier ließen die Gesangsspur unangetastet, bauten darum herum einen offensiven Elektro-Funk, den sie im Lauf seiner Spielzeit mit knarzenden, gefilterten Fiesheiten aufluden. (ko)

The Human League

The Things That Dreams Are Made Of (Tiga Remix) – 2007

Auch eine Eigenart der Nullerjahre: Neubearbeitungen von klassischen Songs durch die Remixer der Stunde. Aus der zeitlichen Distanz heraus beurteilen, was vom Klassiker übrig bleibt. Die britischen Synthpopper The Human League dürften die ersten gewesen sein, die ein komplettes Remix-Album veröffentlicht haben. Love And Dancing von 1982 enthielt, nun ja, nicht so tolle Versionen der Songs des ein Jahr vorher erschienenen Dare. Dessen Opening-Track wurde 26 Jahre später vom kanadischen Wunder-Remixer Tiga neu behandelt, mit einem knackigen Beat auf Dancefloor-Kurs gebracht und mit Acid-Synthparts versehen. (ko)

Thom Yorke

And It Rained All Night (Burial Remix) – 2007

Die soundästhetische Verwandtschaft zwischen Thom Yorkes mikro-elektronischer Patchwork-Musik und dem, was man einmal Dubstep genannt hat, ist verblüffend. Deshalb war die Wahl von Dubstep-„Altmeister“ Burial nicht weiter verwunderlich, als der Radiohead die Tracks seines immer noch stark unterschätzten 2007er-Soloalbums The Eraser remixen ließ. Burial fügte eine stumpfe Bassdrum, die er in Konkurrenz mit einem gesampelten polyphonen Rhythmus treten ließ und subsonische Effekte bei, die die Atmosphäre des Tracks noch bedrohlicher machen. (ko)

MGMT

Kids (Soulwax Remix) – 2008

Als Hinterlassenschaft aus der grauen Vorzeit, als sich MGMT noch The Management nannten, wurde der Song „Kids“ mehrmals neu aufgenommen, bevor er die „endgültige“ Form bekam als die dritte Single aus dem Debütalbum Oracular Spectacular. Soulwax würzten in ihrem Remix den unkaputtbaren Dancefloor-Klassiker mit einem Disco-Beat und ihren typischen Acid-Merkwürdigkeiten, waren aber clever genug, die crowdpleasenden Bestandteile der Originalversion nicht anzutasten. (ko)

Carl Craig & Moritz von Oswald

Villalobos „Uli, Mein Ponyhof“ RMX – 2008

Die Gemeinsamkeiten von Techno und Klassik haben zwei der wohl einflussreichsten Veteranen der Szene vor drei Jahren im Zuge der ReComposed-Reihe eindrucksvoll wie nie herausgearbeitet. Nur tanzen gestaltete sich als äußerst schwierige Aufgabe zu den Bearbeitungen/Interpretationen von Maurice Ravels „Bolero“ und Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“. Hinterhergeschoben wurde deshalb eine Remix-10-Inch, auf der Altmeister Ricardo Villalobos über insgesamt zwölf Minuten knarzig-weirden Minimal-Techno in die Vorlage einbaute. Remix eines Remixes sozusagen. (ch)

Ladyhawke

Paris Is Burning (Cut Copy Remix) – 2008

Eine Saison lang wurde die Neuseeländerin Phillipa Brown unter dem Namen Ladyhawke als der heiße Scheiß gehandelt. Ihre zweite Single „Paris Is Burning“ ist immer noch ein Selbstläufer in den Indie-Discos. Der Remix der australischen Indie-Elektro-Band Cut Copy verwandelt den Song in einen discoiden, funky Floorfiller mit perlenden Synthies, Handclaps und allem, was zum verstärkten Tanzvergnügen dazugehört. (ko)

MGMT

Of Moons, Birds & Monsters (Holy Ghost! Remix) – 2008

Der eher unspektakuläre Song vom MGMT-Album Oracular Spectacular erfuhr von Alex Frankel und Nick Millhiser vom New Yorker Produzentenduo Holy Ghost! eine deutliche Aufwertung. Holy Ghost! injizierten „Of Moons, Birds & Monsters“ ein paar ordentliche Dosen Funk und Disco und schufen einen federleicht groovenden Remix, der seine Herkunft nicht verleugnete. (ko)

Foals

Olympic Airways (Supermayer Remix) – 2008

Wenn es einen Song gibt, der einem mit flirrenden Gitarren das Herz durchknetet, aber trotzdem optimistisch seufzend hinterlässt, dann ist das „Olympic Airways“ vom famosen Debütalbum der Foals. Die Engländer haben von Haus aus schon mehr als genug Groove in ihren Songs, aber Michael Mayer und Superpitcher verstärken diesen noch mit einem unwiderstehlichen Discostampfer und einem Bass, für den das Wörtchen „cool“ erfunden wurde. Wer zwölf Minuten derart kurzweilig gestaltet, hat irgendetwas sehr richtig gemacht. (ch)

M.I.A.

Paper Planes (DFA Remix) – 2008

Der Instrumental-Track dieser dritten Single aus dem M.I.A.-Album Kala beruht auf dem Song „Straight To Hell“ von The Clash, und der Refrain wird von einem Kinderchor gesungen. Auf diese Elemente verzichtete das DFA-Produzententeam Tim Goldsworthy und James Murphy bei seinem Remix und konzentrierte sich stattdessen auf eine funky Bassline, Fanfarensynthesizer und housiges Pianospiel und beschwor damit die Goldene Ära zwischen Disco, Hi-NRG und den Anfängen von House. (ko)

Franz Ferdinand

Take Me Out (Hot Chip Remix) – 2008

Damals als England noch gebrannt haben soll (die Älteren werden sich vielleicht erinnern), waren vor allem Franz Ferdinand als Lauffeuerbeauftragte abgestellt. Für Hot Chip, die sich aus gutem Grund schnell vor Remixanfragen kaum retten konnten, war die Aufgabe nicht leicht. Wie bekommt man den Soundtrack eines jeden Scheitelträgers noch eine Ecke tanzbarer? Lösung: Sie unterlegten ihn mit einem gritty R’n’B-Schnipser und ließen bratzelnde Synthesizer regnen. Erhältlich nur als seltenes White Label. (ch)

Lady Gaga

Poker Face (Space Cowboy Remix) – 2008

Jahre bevor Nick Dresti aka Space Cowboy zu Lady Gagas Haus-DJ geworden war, nahm er Musik für Norman Cooks Southern Fried Records auf. Drestis Version von „Poker Face“ ist – wahrscheinlich der Nähe zur Auftraggeberin zu verdanken – ein eher konservativer Remix, weil er großen Respekt vor der Originalversion zeigt, seine Legitimation aber durch die enorme Steigerung der Funktionalität bekommt. „Poker Face“ bleibt „Pokerface“, aber es heulen die Sirenen, es peitschen die Beats, es dröhnen die Effekte. (ko)

J Dilla

The Dollar (Madlib Remix) – 2008

Wer nicht viel auf Kredibilität gibt, weigert sich einfach, J Dilla für das zu halten, was er war. Der beste Beatmacher, den es je gegeben hat. Ihm zu Ehren hat Kollege Madlib (der ohne Zweifel den Vizetitel trägt) nach seinem Tod einige Tracks des 2003 erschienenen Ruff Draft gemixt, u.a. eben „The Dollar“ – es gab also auch vor Aloe Blacc schon finanzielle Unpässlichkeiten im Pop. Man spürt in jeder Sekunde, dass hier zwei Genies am Werk waren, wenn der eher dunkle Beat in den Sonntagmorgen verfrachtet wird. (ch)

Hercules & Love Affair

Blind (Frankie Knuckles Remix) – 2008

Nein, von diesem bleichen Rotschopf aus Denver hatte er noch nie gehört. Und wer war bitte dieser noch viel bleichere Sänger mit der seltsam geschlechtslosen Stimme? Fühlen konnte er das jedenfalls kein Stück. Dennoch sagte Frankie Knuckles zu, als er die Anfrage von Andy Butler in seinem Posteingang fand. Die House-Legende im Vorruhestand verrichtete Remix-Dienst nach Vorschrift – und lieferte so beinahe aus Versehen seine einzige Großtat im vergangenen Jahrzehnt ab. Toller Dub und magischer Moment bei 3:06 inklusive. (db)

Munk

Disco Clown (Digitalism Remix) – 2008

Das Original stammt von Apritivo, dem Debütalbum des Münchener Projekts Munk, das punktgenau in die Zeit hineingeboren wurde, als Neo-Disco zum mehrheitsfähigen Ding geworden war. Digitalism entzogen dem Track die durchaus gewollten Merkwürdigkeiten und verwandelten ihn in einen knackigen, relativ straighten, basslastigen Elektrorocker mit ein paar psychedelischen Dreingaben. Der Remix der Hamburger gefällt Mathias „Munk“ Modica so gut, dass er ihn ins Liveprogramm von Munk aufgenommen hat. (ko)

Peter Bjorn & John

Young Folks (Diplo Youngest Folks Remix) – 2008

Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass die Single „Young Folks“ alles ist, was von dem schwedischen Indie-Trio Peter Bjorn & John in einer gut sortierten Plattensammlung vorrätig sein muss. Produzentengott Diplo nahm den Indie-Hit und verwandelte ihn in eine komplexe kleine Remix-Sinfonie mit stolpernden Beats, allerhand Percussion-Klickerklacker und 8-Bits-Sounds und dachte dabei nicht den naheliegendsten Gedanken, die gepfiffene Hookline, die diesen Song zum Hit macht, überzustrapazieren. (ko)

Santigold

Shove It (Switch Remix feat. Spank Rock) – 2008

Das beste Lied vom ohnehin großartigen Santigold-Debüt, extra-subtil gedubbt von Switch, dem wahren Studiogenie hinter Lautsprecher Diplo bei Major Lazer. Die zähflüssigen Reime vom Hipster-Rapper aus dem Baltimore-Bilderbuch, Spank Rock, sind unter Umständen verzichtbar. Aber was Santi und Switch hier sonst so veranstalteten, schrie und schreit jedes Jahr aufs Neue ganz laut und deutlich „Sommerhit“. „Brooklyn, we go hard?“ Direkt unterschrieben. (db)

TRG

Broken Heart (Martyn’s DCM Remix) – 2008

Es gibt nicht sehr viele Beispiele für Remixe, die einen Song erst so richtig bekannt machen bzw. ihn locker zu übertreffen wissen. Vor allem nicht für Tracks, die von sich aus schon fantastisch sind. Der Niederländer Martyn Dykers, der schon damals über seinen Tellerrand hinausgeblickt hat, machte sich 2007 daran, die „Oh oh oh oohs“, die mitlerweile bekanntesten Vocalsamples des Genres, im Dubstep salonfähig zu machen, reduzierte „Broken Heart“ auf dichte Breakbeats und einen leisen Synthteppich im Hintergrund und sorgte fast ein Jahr lang für einen anständigen Hype, so lange ließ sich Hessle mit dem Release nämlich Zeit. (ch)

Walter Murphy & The Big Apple Band

A Fifth Of Beethoven (Soulwax Remix) – 2008

Auch ein Remix vom Remix. Der Originalsong des Produzenten Walter Murphy stellte 1976 das Hauptmotiv aus dem ersten Satz von Beethovens Fünfter Sinfonie unter die Spiegelkugel. „A Fifth Of Beethoven“ wurde einer der größten Hits der Disco-Ära. Mehr als 30 Jahre später wandten Soulwax die Erkenntnisse der zeitgenössischen Discomusik an, gaben dem Song den upfront Beat, den er verdiente und dekonstruierten den Streicherpart nach Lust und Laune. (ko)

Lil Wayne

A Milli (James Blake Remix) – 2008

Lange bevor die Polkadots sich von der neuen Zerbrechlichkeit in der elektronischen Musik ergriffen fühlen durften, housierte James Blake unter dem Decknamen Harmonimix und „refixte“ eine Handvoll R’n’B/Crunk/HipHop-Tracks. „Bills Bills Bills“ von Destiny’s Child und eben „A Milli“, das eigentlich als Larger-than-life-Lobgesang auftritt, wird der dicken Hose entledigt, mit etwas mehr Liebe und 8 Bit gesegnet und auf einem kolossal inoffiziellen White Label veröffentlicht. Pssssst. Geheim. (ch)

Matias Aguayo

Minimal (DJ Koze Remix) – 2008

Der vielleicht hüftschwingendste Diss seit der Erfindung von Ableton. Matias Aguayo prangert die Stagnation von Minimal an, erklärt, was seiner Meinung nach alles schiefläuft und möchte sich von dem Einheitsbrei distanzieren. Fordert ihn zu mehr Groove und Eiern auf. Soll er haben. Allzweckwaffe DJ Koze konzentriert sich auf nichts als den treibenden Groove, die discoide Gitarre, Kuhglocken. Wenn hier nicht die Sonne scheint, wo dann? (ch)

Michael Jackson

Billie Jean (Nicolas Jaar Rework) – 2008

Vor dem großen Durchbruch mit seinem Debütalbum im Frühjahr, stellte Nicolas Jaar etliche kostenlose Edits ins Netz. Seine Version des abgenudelten „Billie Jean“ beweist, dass beim Remix das „wie“ und nicht das „was“ zählt. Vom Original ist nicht viel übrig. Im Schatten von Percussions und einem verboten elegenten Housebeat steht Jacksons Stimme, verhallt und verlangsamt. Urplötzlich fällt auf, dass dieser verwegene Klassiker mit dem Killerbass auch etwas Deprimierendes in sich hat. Nicolas Jaar verfügt über die Möglichkeiten, das herauszukehren. Schmollen zu „Billie Jean“? Seit 2008 kein Problem mehr. (ch)

Morgan Geist

Detroit (c2RMX1) – 2008

Morgan Geist, u.a. eine Hälfte des großartigen Duos Metro Area und Carl Craig sind musikalisch-geografisch sowieso recht nah beieinander. Die Vorabsingle zu Geists Album Double Night Time auch noch „Detroit“ zu nennen, ist da fast zu einfach. Für die 12-Inch stellte Carl Craig gleich zwei Remixe zur Verfügung und während Nummer zwei eher uninspiriert daherkommt, ist „c2RMX1“ mit dutzendfach genutzem „Detroit“-Sample und steifem Vierviertel-Beat doch genau das, was man zwei Meistern aus der Motor City abkaufen würde. (ch)

La Roux

In For The Kill (Skream’s Let’s Get Ravey Remix) – 2009

Was genau Dubstep eigentlich sein soll, weiß mittlerweile niemand mehr so richtig. Dieser Remix jedenfalls ist der unbestritten größte Hit des Un-Genres. Knapp zwei Minuten Euphorie mit ordentlich Hall und Hände-Hoch zum Einstieg. Dann diese verzückt wabernde, tückisch schleppende, monströs malmende, alles platt walzende Bassline. Schließlich alles zusammen, und zum Abschluss noch ein bisschen Happy Hardcore. So also stellen sich 23-jährige Wunderkinder den Sommer von 1988 vor. (db)

Jamie Woon

Night Air (Ramadanman Refix) – 2010

Jamie Woons Ode an nächtliche Spaziergänge ist ein Spektakel für sich: fragil, geheimnisvoll und voller Leben. Ramadanman (der mittlerweile nicht mehr Ramadanman heißt, aber noch immer verlässlich Londons beste Bassmusik produziert) unterstreicht behutsam die Vorzüge des Stücks und lenkt die Wanderroute so geschickt über eine düstere Tanzfläche in East London. Ein Näschen für gute Remixer hatte Woon immer schon: bereits 2007 arbeitete er als völlig unbekannter Nachwuchschanteur mit Burial. (db)

Lil Wayne

I Feel Like Dying (Flying Lotus Remix) – 2009

Jeder Rapper bekommt die Remixe, die er verdient. Schon im Original ein finsterer Trip von Marihuanaland nach Kodeinhausen, schießt Flying Lotus die brillant-benebelten Reime von Lil Wayne („I can play basketball with the moon“) mit verzerrter Bassline und frei assoziativen Engelsorgeln endgültig in den Orbit. Ebenso wie das Original nie offiziell erschienen, aber ein unbestrittener Klassiker der BlogHop-Ära. (db)

Florence & The Machine

You’ve Got The Love (Jamie XX Rework feat. The XX) – 2009

Das Original von 1986 stammt von The Source feat. Candi Staton, wurde zur Clubhymne der im selben Jahr geborenen Florence Welch und schließlich von ihr gecovert. Den Remix-Auftrag interpretierte Jamie Smith wiederum als Quasi-Cover seiner Band The XX. Die erledigt das so spartanisch und einfühlsam, wie man es von ihr liebt. Dubstep-Bassblasen, Breakbeats, Marimba- und Harfensounds setzen Kontrapunkte – und Florences Jodeln aus dem Off. Ein Stück, für das man seinen Lieblingsclub gerne mal eine Stunde alleine hätte. (ogö)

Patrick Cowley & Jorge Socarras

Soon (Morgan Geist Remix) – 2009

30 Jahre lang war Catholic, das gemeinsame Album von Disco-Produzent Patrick Cowley und Jorge Socarras, dem Sänger von Indoor Life, verschollen, bevor es aus Zufall entdeckt und vom Berliner Macro-Label veröffentlicht wurde. Unvorstellbar, dass „Soon“, ein düsterer, experimenteller Proto-Elektro-Track mit technoiden Untertönen, bereits Ende der Siebzigerjahre aufgenommen wurde. Produzentenlegende Morgan Geist (Metro Area) konzentriert sich in seinem Remix zunächst auf die technoiden Abstraktionen, um dann einen unglaublich funky Groove zu entwickeln. (ko)

Four Tet

Love Cry (Joy Orbison Remix) – 2009

Einer der bemerkenswertesten Produzenten aus der Gruppe der aufstrebenden britischen Plattendreher ist Peter O’Grady. Als er noch damit beschäftigt war, UK-Funky-Beats und Garage House zu vermählen, machte ihm niemand etwas vor. Was er alleine aus Four Tets „Love Cry“ herausholt, ist nicht weniger als sensationell und einer der besten Remixe der letzten zehn Jahre. Punkt. Re-imagining nennt man das dann wohl. Diese durchdringende Spannung, der dichte Aufbau und der Moment anderthalb Minuten vor Abpfiff, wo alles losbricht. Da kann das Original nicht mithalten. (ch)

Yeah Yeah Yeahs

Zero (Erol Alkan Rework) – 2009

Meckerzausel sprechen den Yeah Yeah Yeahs zu Unrecht Originalität ab. Gitarren gegen Synthesizer zu tauschen (auf ihrem dritten Album) ist zwar schon einigen vorher eingefallen, nicht vielen aber so gut gelungen. Die Leadsingle „Zero“ hat Erol Alkan in ein bratziges Ungetüm verwandelt. Karen Os Gestöhne und peitschende Synthesizer sind nichts für Omis Kaffeekränzchen. Dieser Track will nirgendwo anders als auf der Tanzfläche gehört werden. Unter maximaler Laustärke geht sowieso nichts. (ch)

The XX

Basic Space (Mount Kimbie Remix) – 2009

R’n’B, nur aus unterschiedlichen Richtungen. The XX und Mount Kimbie haben mehr gemeinsam, als man glaubt. Die einen aus der eher schwarzweißen Ecke der Gitarrenspieler, die anderen aus dem romantischen Teil der britischen Bassszene – voller Soul und mit Blick auf die kalten Jahreszeiten. Der Remix behält den Gesang komplett bei und untersetzt ihn mit angepitchten Vocals, entfernt verzerrten Glocken und einem dem Zerbrechen nahen 2Step-Beat. Einfach nur schön. (ch)

Hell Feat. Bryan Ferry

U Can Dance (Simian Mobile Disco Remix) – 2010

Das Thema ist so jung wie der Pop: (in diesem Fall) alternder Playboy treibt sich in Clubs herum, um junge Frauen aufzureißen. James Ford und Chas Shaw begegnen in der neunminütigen Umarbeitung des Tracks, den DJ Hell auf Basis der Gesangsspur eines bis dahin unveröffentlichten Bryan-Ferry-Songs produziert hat, mit der für sie so typischen tech-housigen Präzision. Unüberhörbar: die Untertöne, die dem Thema das Maß an Traurigkeit verleihen, das es verdient. (ko)

Hot Chip

One Life Stand (Carl Craig Remix) – 2010

Disco! Acid! Ungleiche Paare ziehen nicht nur in Buddy-Movies. Es bedarf die ersten fünf Minuten, um zu erahnen, was hier remixt wird. Umso wirkungsvoller, wenn die verwaschene Stimme von Alexis Taylor nach Runden um Runden geloopten Discogrooves erklingt. Carl Craig entzaubert den gar nicht so unernsten Unterton des tanzfreudigen Treuebekenntnisses und schleift uns über zehn Minuten durch jede Menge Dreck und Acid. (ch)

Caribou

Odessa (DJ Koze’s Campfire) – 2010

Die Entwicklung Caribous von der freakfolkigen Psychedelia hin zu einem mehr technoiden Habitus mit dem 2010er-Album Swim hatte auch Auswirkungen auf die Remixhäufigkeit der Songs von David Snaiths Projekt. „Odessa“ klingt im Original wie ein verlorener Proto-House-Song Arthur Russells. DJ Koze bringt den Track mitnichten zum Lagerfeuer, sondern reagiert auf die spinnerte Atmosphäre des Originals mit sonischer Klarheit und der Überbetonung des Gesangs mit Hall, bevor der Remix im letzten Viertel ein fast jazziges Aroma entfaltet. (ko)

House Of House

Rushing To Paradise (DJ Harvey Remix) – 2010

Ja, House Of House. Der Name des New Yorker Duos Saheer Umar (Super Family) und Olivier „Liv“ Spencer (vom DFA-Act Still Going) verrät es bereits: ein House-Act, der nichts weiter sein, will als ein House-Act. „Rushing To Paradise“ ist ein impressionistisches Stück Deep House. Das Piano als Hauptinstrument gibt dem Dancefloor etwas, was dort eigentlich nicht benötigt wird: Melancholie. Der Veteran DJ Harvey bringt in seinem Remix das Kunststück fertig, den Track ein bisschen fluffiger für den Dancefloor aufzubereiten und trotzdem die Stimmung des Originals zu erhalten. (ko)

The Hundred In The Hands

Dressed In Dresden (Kyle MF Hall Remix – 2010

Das überstrapazierte Gerede vom „Wunderkind“ hat im Falle von Kyle Hall seine volle Berechtigung. Als Protegé von Omar-S hat er bereits als 16-Jähriger mit seinen ersten EPs größere Beliebtheit erlangt. Auf der Single „Dressed In Dresden“ von The Hundred In The Hands (die das Pop-Portfolio des Warp-Labels mehr als ordentlich ergänzen) arrangierte er aus dem in der Originalversion eher schnöden Indie-Einerlei ein funkig-bleependes Beispiel zeitgemäßer Housekunst. Schwer beeindruckend. (ch)

Tocotronic

Mach es (DJ Hell Remix) – 2010

In „Macht es nicht selbst“ riefen Tocotronic ganz ungeniert zum Plagiat auf und fanden ungefragt prominente Unterstützer in Helene Hegemann und später in Karl Theodor zu Guttenberg. DJ Hell dagegen kehrte nicht nur im Titel seines Remixes die Botschaft um, sondern machte (fast) alles selbst. Ein (Indie-)Rock-Song wird zu einem flirrenden Stück Elektronik zwischen Techno und House, vom Original ist dabei nichts übrig geblieben. (ko)

Simian Mobile Disco

Cruel Intentions (DJ Pierre Mix – Vocal) – 2010

DJ Pierre, lebende Legende, Miterfinder und Namensgeber von Acid House, durfte zwei Versionen des Tracks vom zweiten Album von Simian Mobile Disco bearbeiten. In der ersten Hälfte von „Cruel Intentions (DJ Pierre Mix – Vocal)“ verleiht der Remixer dem Track ein deephousiges Aroma, das hervorragend zur Stimme von Gastsängerin Beth Ditto passt. Nach fünf Minuten zeigt Nathaniel Pierre Jones allerdings, wo er herkommt. Dann beginnt die 303 schön zu zwitschern, und alles ist zu spät. (ko)

Mount Kimbie

Maybes (James Blake Remix) – 2010

Zum Liebling der Indie-Illuminaten wurde James Blake erst 2011 mit seiner Coverversion der Feist-Ballade „Limit To Your Love“. Den Grundstein für den Hype legte jedoch bereits dieser Remix auf dem Label des genialischen Techno-Dubstep-Grenzgängers Scuba. Die entfremdeten R’n’B-Vocal-Schnipsel, die schneidenden Snares, der Mut zur Lücke als Stilmittel, alles da – und hier deutlich schlüssiger kombiniert als seine etwas unbeholfenen Fingerübungen rund um die Themenkomplexe „große Bühne“ und „perfekter Popsong“. (db)

Moebius & Neumeier

Zero Set II (Mango Solo moebius 123villa rmx#02) – 2010

1982 veröffentlichten Dieter Moebius (Cluster, Harmonia), Mani Neumeier (Guru Guru) und der legendäre Toningenieur und Produzent Conny Plank (von Kraftwerk über Neu! bis hin zu Killing Joke) das Album Zero Set – ein Stück düsterer Electronica. Der Berliner DJ und Produzent Ricardo Villalobos nimmt sich für seinen Remix viel Zeit, fast 34 Minuten, um genau zu sein. Er benutzt die motorische Wirkung des Originalalbums als Aufhänger für seine eigenwillig groovenden Mikroabstraktionen. Ein schönes Stück Krauttechno. (ko)

Falty DL

Hip Love (Jamie XX Remix) – 2011

Das Original in seinem manisch verfransten Garagebeatgewirre und all dem in Kontrast stehenden Soulsamples setzte sich nicht überraschend auf den Jahreslisten fest. Der Remix von Teilzeit-XX-ler Jamie versucht einen ganz anderen Ansatz. Er interpretiert den Track als gerade Nummer, sphärischer, entspannter aber trotzdem immer basslastig genug, um nie den Eindruck zu erwecken, man hätte diesen Track nicht für den Club geschaffen. Besonderes Ohrenmerk ist auf den Break um die 3-Minuten-Marke herum zu richten, dann weiß man warum der Bursche auch das letzte Album von Gil Scott-Heron im Alleingang remixen durfte. (ch)

Clare Maguire

Ain’t Nobody (Siriusmo & Jan Driver Remix) -2011

Dem an sich starken Originalsong von Clare Maguire treiben Siriusmo und Jan Driver die Melissa-Etheridge-igkeiten komplett aus. Stattdessen hören wir ein farbenfrohes Stück Elektro, das zischt und wackelt, sich in seinen windschiefen Effekten suhlt und den Refrain bis zum Exzess repetiert. (ko)

Emika

Count Backwards (Marcel Dettmann Remix) – 2011

Ninja-Tune-Dame Emika hat vor Kurzem ihren Albumvorboten „Count Backwards“ veröffentlicht und mehrfach remixen lassen. Die beste Neubearbeitung gelang Berghain-Resident Marcel Dettmann. Dekonstruierung ist eh so ein beliebtes Ziel von Remixen. Dettmann lässt den melancholischen Part des Originals links liegen, vertreibt bis auf wenige Samples jeglichen Gesang und pumpt den Song in eine Hypnose aus repetitivem Stampfen, der einen sieben Minuten lang nicht loslässt. (ch)

Daft Punk

Encom Part 2 (Com Truise Remix) – 2011

Com Truise, bürgerlich Seth Haley, großartiger Wohnzimmerproduzent aus New Jersey, überschwemmt „Encom Part II“ von der Bonusdisk des Tron Legacy-Soundtracks mit seiner Chillwelle. Überbordender Synthesizerkitsch, Melodien wie aus dem Computerspiel, patschende Snaredrum, Daft Punk nicht wiedererkennbar, hundertmal besser als das Original. (ko)

Tame Impala

Why Won’t You Make Up Your Mind (Erol Alkan Rework) – 2011

Kaskaden von Synthesizern untermalen das Original auf Innerspeaker, dem Albumdebüt der australischen Neo-Psychedelia-Indie-Rocker Tame Impala. Erol Alkan entschlackt und entpsychedelisiert den Song in seinem Rework, und betont das verzerrte Gitarrensolo im Mittelteil. Nachzuhören auf der CD, die (hoffentlich) auf dem Titel dieser Ausgabe klebt. (ko)