Die Platten des Jahres I


Platten des Jahres, die 50; Liste, die in jeder Januar-Ausgabe des musi kexpress veröffentlicht wird. Sie wird in voller Einmün- digkeit von der Redaktion erstellt und nach Veröffentlichung von den Lesern als unumstößliche, absolute Wahrheit angenommen. Zu Pro- testen („Warum war diese Platte nicht dabei?“) kommt es dabei nie. 1) Kante, DIE TIERE SIND UNRUHIG (Labels/EMI) Nein, diese Platte ist nicht perfekt. Obwohl man das vielleicht von einer „Platte des Jah- res“ erwarten können sollte. Nun, wer will, kann hier tatsächlich die Originalität von Riffs in Frage stellen, die auf einem Dutzend ande- rer Rockplatten nachgewiesen werden könnten. Oder über Textmakel mäkeln. Ja überhaupt: Der Themenbaum, um den PeterThiessen da kreist-fehlt es dem nicht doch ein wenig an Umfang und Zweigen? … Wer dieser Platte so kommen möchte, kann dies tun. Man kann auch Katzen, die einem um die Beine streifen, ungestreichelt lassen. Den Blick abwenden, wenn die Sonne in größter Pracht versinkt. Ei- lig gegen die Melancholie anquasseln, die dich ungefragt durchströmt, wenn sich des Nachts das Sternenzelt über dir aufspannt. Kann man allesmachen. Einfach gleich früher sterben, in Teilen. Oder lieber frag- los, staunend, alsbald von purer Schönheit, Melancholie und Wärme erfüllt, erleben, wie sich dietiere sind UN RUHIG, das vierte Album von Kante, in einem ergießt. Dass die Inhalte dieser Platte, wie die Zu- wendung zur Natur (allein da sind doch schon so viele Zweige!), die Apokalypse (samt verpasster Party zum Jüngsten Gericht), Schmerz und Zweifel und körperliche Vereinigung in der persönlichen Ent- wicklung eifrig diskutiert wurden … Dass die in Arrangement und Handwerk überaus gekonnte Rückwendung zum Rock, die Kantebis hin zur Queens-Of-The-Stone-Age-Blutsbrüderschaft führte und darüber hinaus noch gar zum Classic Rock… Dass dies Themen waren, über die gesprochen werden musste, ist keine Frage. Das hat uns sogar Spaß gemacht! Doch am Ende des Jahres halten wir mit die TIERE … einfach nur noch eine Platte in der Hand, die einen in ihrer melodi- schen Wucht, Leidenschaft und Schwermut immer wieder umwirft. Wosch! Nur echte Lieblingsplatten können sowas.

Arctic Monkeys.WHATEVER PEOPLE SAY I am.that’s what i’m not (Domino/Rough Trade) Ende 2005 prophezeite der NME den Newcomern aus Sheffield eine schillernde Zukunft – was sich im Nachhinein so oft als haltlos herausgestellt hat, sollte sich im Fall der Arctic Monkeys tatsächlich bewahrheiten. Doch warum sie und nicht eine der anderen unzähligen britischen Post-Punk-Bands? Vielleicht weil die Arctic Monkeys nicht auf den Hype aus waren. Weil sie lieber schnellen, rotzigen, lauten Post-Punk spielen, als groß darüberzu reden. Weil sie sich auf der Bühne die Seele aus dem Leib spielen, wie bereits im ersten Video zur Single „I Bet You Look Good On The Dancefloor“ zu sehen. Die Single ging auf Platz 1 der britischen Charts, ebenso wie das Album whatever people say I am.th at’s what i’m not, das mit 118.000 Einhei- ten am ersten Tag zum schnellstverkauften Debüt in der englischen Geschichte avancierte. Die Arctic Monkeys wollen nur Musik machen und haben auf diese Weise eine Platte für die Ewigkeit geschaffen.

3)Midlake,THE TRIALS OF VAN OCCUPANTHER (V2/Rough Trade)

Das zweite, gefühlt erste Album von Midlake kam so unerwartet aus dem Off und wuchs nach erstem ungläubigem Beschnüffeln slow- burnermäßig zu einer so weithin verehrten Lieblings- platte heran wie 1997 Grandaddys UN der THE wes- tern freeway. Vergleiche mit deren kosmischem Americana-Indiepop waren denn auch die meistgezogenen im Zusammenhang mit THE tri- als OF van occupanther. Es schien wie Fügung, dass im Jahr des Grandaddy-Abschieds eine Band von ähnlich verschrobenem Schlag auf die Bildfläche trat. Musikalisch rauschen die fünf Texaner ihre eigene Landstraße hinunter. Weben aus satten, warmen Westcoast-Harmoni- en, Psychedelic-Folkund ihrem7OS-Softrock-Spleen raffinierte Songs von seltener Strahlkraft, mit mollernen Nebelschwaden, die wie eine Ahnung von Unheil durch die irisierenden Arrangements treiben. THE tri als … war anders als die anderen „Indie“-Alben 2006, mit einem ganz eigenen Geheimnis und Passagen von schwer zu fassender Faszination. Da sind mit „Roscoe“, „Head Home“ und „Young Bride“ einige der Songs des Jahres. Und das Ganze hat schlicht das Zeug zum, tja, Klassiker.

4) TV On The Radio, return to Cookie Mountain (4 AD/Beggars/lndigo)

Es konnte ein fast spirituelles Erlebnis sein, sich in den Bann der komplexen, spannungsgeladenen Klanggebilde von … Cookie Mountain ziehen zu lassen. Das zweite Album von TV On The Radio war von so atembe- raubender Intensität, dass jegliche Objektivität auf der Strecke blieb: Wer sich nicht abgestoßen fühlte von diesem markerschütternden Soundbe- ben, war nach wenigen Minuten schon mit Haut und Haar ein Teil dieser verzauberten Welt. Jeder Versuch eines intellektuellen Diskurses endete in der Sackgasse: Der analytische Weg blieb Fans wie Skeptikern gleicher- maßen verschlossen, man konnte diese Platte nur emotional erfassen. War das Black Music? Soul? Avantgarde? Egal. Es hat uns tief berührt. Der Band aus New York war 2006 ein bedeutendes postmodernes Statement gelun- gen – ein forderndes und faszinierend progressives Werk, das doch im konservativen Sinne nichtals „prog“ zu verstehen war.

5) Hot Chip, the warning (Labels/EMI) Wäre da dieserunentschlossene Opener „Careful“ nicht – the warni ng wäre das beste Album aller Zeiten. Mindestens. Anschließend folgt ein Tracklisting, das allein beim Lesen Aha- Effekte erzeugt, weil die Titel die Songs halluzinieren lassen: „Boy From School“, „Colours“, „Over And Over“, „Just Like We (Breakdown)“, „Look After Me“, „The Warning“, „Arrest Yourself‘, „No Fit State“ -ein Manifest der Hits. Wie diese fünf Nerds aus London auf Albumlänge von Indie-PopzuDisco,zu Gospel,zuFolk,zuR’n’B,zu Electro Funk und zurück springen, ist beispiellos in der jüngeren Popgeschichte, auch weil dieses Album den Angehörigen sämtlicher Subtribes in Indie-Land das Gefühl gibt, nur für sie allein gemacht worden zu sein, the warn ing ist ein unberechenbares, beinzuckendes Monster von einer Platte mit den smoothesten Beats seit Erfindung von LCD Soundsystem. Ist das jetzt Indie? Oder Indietronics? Oder ist es einfach wurscht?

6) … Trail Of Dead, so divided (Universal) Es gibt gute Gründe, die dafür sprechen, dass Conrad Keelys Kapelle alsbald sich und alles, was sie groß macht, gegen die Klagemauer fährt. Weil ihr Chef ein Egozentriker mit verhängnisvoller Neigung zum Großmotztum ist. Der erst Ruhe gibt, wenn Rom brennt. SO DI VI DED war dieser Gau noch nicht- im konsequenten Umkehrschluss dafür ein Bombastrock-Meisterwerk im Zeitalter des Postpostpunks; ein in Komposition, Arrangierkunst, Gepauke und Getröte, Auf-den-Punkt-Gewüte und großer Melodienherrlichkeit, Klassik(kitsch), World Music und Pop ganz wunderbares Denkmal für Keelys Schmerz. Oh, diese Welt tut so weh! Und diese Platte so gut!

7) Joanna Newsom, ys (Drag City/Rough Trade)

Die Ganzheit von Joanna Newsoms unglaublichem zweitem Album ist schwer beschreibbar, man muss über die Elemente gehen. Die Orchesterarrangements von Van Dyke Parks, die sich wiegen im ganzen Spektrum von minimalistischen Tupfern bis zu rhapsodischer Opulenz. Und die ein Wunder bewirken im Zusammenspiel mit Newsoms fünf Songs/Kompositionen, deren verschlungenem Melodiengeflecht und Textenman verfallen mag wie Sirenengesang. Und natürlich die erste Stimme in diesem Orchester: der betörende Sound Of Joanna, die Harfe und dieser Gesang, die eins geworden scheinen, ys – was für ein Kunstwerk, was für ein Schatz.

8) The Strokes, first impressions of earth (RCA/Sony BMG)

Pop-Land ist das Land des Vergessens. Schon vergessen, dass „Juicebox“ der beste Refrain-freie Song der letzten Saison war? Schon vergessen, dass „Heart In A Cage“ der beste Hookline-freie Strokes-Song aller Zeiten ist? Gerade auch, weil sich die Größe dieser Songs durch die Absenz von Refrain und Hookline erst spät erschließt, dann aber bleibt und bleibt und bleibt. first impressions OF earth ist ein cleveres, bei Barry Manilow, Queen, Henry Mancini und den Foo Fighters zusammengeklautes Indie-Rock-Album, metallischer als alles, was The Strokes vorher gemacht haben, und perfekt in seiner kalkulierten Unferrigkeit. 9) Cursive, happy hollow (Saddle Creek/Indigo)

Kaum einer hat glaubt, dass Cursive nach der kräftezehrenden Tour zu THE ugly ORGAN vor drei Jahren noch einmal zusammen ins Studio gehen würden. Sie hatten die Schnauze voll voneinander. Doch länger als ein Jahr haben sie es doch nicht ausgehalten. HAPPY hollow war die groovende Verhackstückung des „American Dream“, besser noch als auf dem gefeierten Vorgänger, happy HOLLOW ist ein Album, das den Fortschritt nicht scheut und dabei das Bewährte nicht aufgeben will. Die allgegenwärtige Angst und Wut über gesellschaftliche Entwicklungen wird in Worte und eingängige Melodien verpackt und dem Hörer ins Unterbewusstsein gerockt. Das Gute daran: Es bleibt auch da.

10) Mando Diao, odeto ochrasy (EMI)

Es soll ja zunächst eine ganz schwere Geburt gewesen sein, das dritte Album der charmanten Aufschneider aus Borlänge – mit Studio- und Produzentenwechseln etc. Doch gottlob hat ihnen das alles nicht den Schwung genommen, ganz im Gegenteil: ODE TO OCHRASY ist das bisher beste Mando-Diao-Album. Natürlich hören wir wieder die großen „klassischen“ Vorbilder durch (diesmal vor allem Bob Dylan, die Doors, die Rolling Stones und The Who), aber wie die fünf Schweden das alles in Songs packen, die dann wieder ganz und gar „Mando-Style“ sind, das imponiert: von den kühnen Intros bis zu den Refrains, die zum Teil rauschhafte Züge annehmen, begeistern sie mit Leidenschaft und Mut.

11) We Are Scientists, with love and squalor (Labels/Virgin/EMI)

Die britischste Platte des Jahrgangs 2006 kam aus New York. Wie We Are Scientists auf ihrem Debütalbum with LOVE AND SQUALOR zwölf Songs lang die Funkyness von Bloc Party und die kalkulierte Cleverness von Franz Ferdinand zu einem hochenergetischen Upfront-Gitarrenalbum synthetisieren, suchte seinesgleichen. Vor allem: Die drei New Yorker, die sich optisch zwischen stylish, nerdig und mädchenschwärmerisch positionieren, haben die richtigen Songs. Wir sagen nur: „Nobody Move, Nobody Get Hurt“. Neo-Wave-Pop sagen wir aber nicht mehr.

12) Bob Dylan, modern TIMES (Columbia/ Sony BMG) Wer hätte das noch vor zehn Jahren für möglich gehalten: Mit modern TIMES lieferte Bob Dylan das dritte rundum überzeugende Album in Serie ab. Nach dem düsteren Sound-Cinemascope von time out OF mind und den rumpelnden Americana von love & thept gab sich Dylan im Sound vordergründig strictly old fashioned: Seine dank der „Neverending Tour“ traumhaft eingespielte Band lieferte ihm aus Country-Shuffles, Western Swing und Blues eine Kulisse mit stilgerechter 50er-Jahre-Patina, vor der er souverän seine Monologe über die Wurzel-, Beziehungs- und Orientierungslosigkeit des Einzelnen in der modernen Welt entsponn. Und die sind sehr aktuell.

13) The Long Blondes, someoneto drive you HOME (RoughTrade) Die einen meinen, ein zweites Album werde die sensationellste Brit-Band des Jahres 2006 keinesfalls mehr hinbekommen, andere prophezeien eine superlange Superkarriere – und wieder anderen ist all das vollkommen egal. Denen genügt, dass das Debütalbum das heißeste, sexyeste und ruppigste Pop-Ding ist, das seit Pulp aus Sheffield kam. Dringt man durch die mit gTeller „teenage angst“ lackierte Hit-Oberfläche, findet man erstaunliche musikalische und textliche Tiefen – und erzittert aber auch beim fünfzigsten Hören, wenn die unvergleichlich unverschämt scharfe Stimme von Kate Jackson erklingt.

14) Cat Power, the GREATEST(Matador/Beggars/Indigo) Von einigen ihrer beinhärteren Fans als überladen benasrümpft, zeigt Chan Marshalls siebtes Album die berühmt sensible Songwriterin nicht so „nude as the news“ wie ihre intimeren LoFi -Werke. Aber was ist das für ein warmer, federleicht twangender, swingender Sound, in den sich ihre spröden Songs und ihre dunkle Stimme da schmiegen! Ist es Southern-Indie-Folk-Soul? Es ist grandios. Marshall hat mit verdienten Soul-StrudiogTÖßen und großer Band aufgenommen, the greatest vibriert vor classyness und zeitloser Grandezza und rückt seine FTotagonistin ins bezauberndste Licht; sollen die Beinharten eben schmollen.

15) Dirty Pretty Things, waterloo to anywhere (Mercury/Universal)

Die andere Libertines- Resthälfte: weniger Root, mehr Wut – wer mag, kann jeden einzelnen Song auf waterloo TO ANYWHEREauf Pete Doherty münzen. Das muss man nicht, aber zugeben müssen selbst strengste Verfechter von Hochglanzproduktionen und akademischer Instrumentenvirtuosität, dass man sich dem Drive, dem Schwung, der Euphorie und den unwiderstehlichen Melodien von Carl Baräts Band (die eine echte Band ist!) nicht entziehen kann. Und wem das zu viel Tempo ist, der mische es in beliebiger Reihenfolge mit der Babyshambles-Platte; Resultat: eines der grandiosesten Rock’n’Roll-Doppelalben aller Zeiten.

16) The Rifles, no love lost (Red Ink/Rough Trade) Dialog in der Umkleidekabine deines Indieclubs: „Menno, England brennt gar nicht mehr richtig!“ „Dann nimm doch NO love LOST- das beste Mittel gegen den Kater! Eine Platte, die mit lockerer Hand von talentierten, romantischen Jungs eingespielt wurde. Jungs, britisch wie nur was. Wie The Jam, The Libertines, Billy Bragg.“ Stimmt! Man konnte und man wollte NO love LOST, hatte man die offensichtlichen Hits erst einmal zurück ins Glied (zu all den anderen… Hits) geschoben, oft und öfter hören. Und wenn dein Indieclub was draufhat, läuft diese Platte dort noch immer. Nichtnurin der Umkleide.

17) Sufjan Stevens, the avalanche (Rough Trade) „Outtakes and Extras“ in den Jahres-Top 50? „Ist ja nur ein Outtakes-Album“? Unpräzise. Bei Sufjan Stevens ist nie etwas „nur“. Und wenn jedermanns Outtakes so gut wären wie seine, gäbe es keine schlechten Songs mehr- aber selbst in einer solchen Welt würde diese umwerfende Sammlung miniorchestraler Avant-Folk-Kostbarkeiten herausragen, die kein Resteessen des ILLINOIS-Albums ist, vielmehr die andere Hälfte eines opulenten Festmahls, die nur deshalb erst mal in der Küche blieb, weil der Tisch draußen zu klein war. Wir staunen und schließen mit der längst obligaten Feststellung: ein Genie!

18) The Raconteurs, broken boy soldiers (XL/Beggars/lndigo)

Was machen eigentlich The White Stripes? Jack White war 2006 zusammen mit seinem Freund Brendan Benson mit The Raconteurs beschäftigt, broken boy soldiers, das Debüt der halben „Supergroup“, ist ein Plädoyer für den Blues-Rock. Ulnaschwerer, wolkenverhangener Blues-Rock, der heftig mit dem Gitarrenpop der 6oer-Jahre flirtet und sich mit ein paar hübschen Zitaten aus Psychedelia („Hands“ ist George Harrison, circa 1967, wie nur was) und Progzu einem manischen Power-Pop aufbaut. The Raconteurs schaffen etwas, das weder Benson als Solist noch White mit The White Stripes leisten können. Was machen die eigentlich?

19) Ghostface Killah, fishscaUE (Def Jam/Universal)

Unter dem halben Duzend guter Hip-Hop-Alben, die 2006 erschienen sind, war nur ein wirklich herausragendes Werk: FISHSCALE hatte in Bezug auf die Texte, die musikalische Umsetzung und die Vocal-Performance Klassiker- Qualitäten. Ghostface klang entspannter und selbstbewusster als je zuvor, und seine Geschichten waren einfallsreich und packend erzählt. Die hochklassigen Beats, die meist auf obskuren und effektvoll eingesetzten 70S-S0UI- und Funk-Samples aufgebaut waren, unterstrichen die Geschlossenheit des Albums, das den Wu-Tang-Veteranen endgültig als eine der wichtigsten Hip-Hop-Persönlichkeiten unserer Zeit etablierte.

20) Yo La Tengo, i am not afraid of you and i will beat your ass (Matador/Beggars/Indigo) Normalerweise sollten Mitklatsch-Gitarren-Groove-Songs nicht länger als drei Minuten sein. Bei Yo La Tengo kommt das schon mal vor. Normalweise ist die Halb wertzeit einer hippen Indie-Band nach drei Alben verstrichen. Bei Yo La Tengo ist sie nach über 20 Jahren Bandgeschichte noch nicht einmal ansatzweise erreicht. Das bereits zwölfte Album der Band aus Hoboken zeigt den jungen Gören, dass die Grenzen des Indie nicht nur von nett anzusehenden britischen Mitzwanzigern, die hier den kleinen röhrenbehosten Hintern verkloppt bekommen, gesteckt werden.

21) The Thermais, the body.theblood, the Machine (Sub Pop/Cargo) Die elektrisierendste. dringlichste und lauteste Indiepunk-Platte des Jahres 2006 haben The Thermais eingespielt – ihr drittes Album war eine wüste, aufrüttelnde Gitarren-Supernova, das trotz all der Feedback-Eruptionen konsequent melodisch war. In mal politischen, mal einfach nur sarkastischen Texten nahmen die New Yorker die aktuelle US-Regierung und den religiösen Wahn fundamentalistischer Christen ins Visier, teilten in alle Richtungen aus und trafen doch damit meist ins Schwarze, the body.theblood, the machine war ein dorniges, aber nicht unbequemes Album, das nicht zu naiv und auch nichtzu erwachsen war.

22) Blumfeld, verbotene fruchte (Columbia/Sony BMG)

Jochen Distelmeyer ist endgültig bei der traditionellen Liedermacherei angekommen und singt, „was ich seh'“. Jahreszeiten, Apfelmann, Tod. „Tiere um uns“, moralisch gesehen. „Der Fluß“: die „Moldau“ goes AORockpop. Alles unverstellt und klar. Und auch die Musik versagt jede Reibung, sie will schön, nicht schroff sein: Blumfeld spielen Boogie-Woogie, Balladen mit Grand Piano und gezupfter Gitarre, kreisen zurSitar. Distelmeyer will Universallieder. Ihr Kinderlein kommet, „… ich erzähl‘ von dem, der sich dachte.“ Es geht um kein Wort mehr. Um keine Note mehr. Sie sind alle auf VERBO-TENE FRÜCHTE. 23)Morrissey, RINGLEADEROFTHETORMENtors (RoughTrade)

Die unter eingefleischten Morrissey-Fans heiß diskutierte Frage, ob nun you are THE QUARRY oder doch RINGLEADER OFTHE TOR-MENTORS das bessere Werk sei, ist eigentlich ziemlich müßig. So oder so wächst sich das dritte künstlerische Leben des Stephen Patrick Morrissey zu einem Comeback von imposantem Zuschnitt aus. Wie seine fast noch mehr bestaunten als umjubelten Festivalauftritte im Jahr 2006 bot auch das Album großes Kino: Vom Opener „1 Will See You In Far Off Places“ mit seinen so eleganten wie überraschenden Orientalismen bis hin zum grandiosen Finale mit „At Last I Am Born“ -große Gesten, große Arrangements; große Gefühle, gToße Melodien. Dapassteein Gast wie Ennio Morricone perfekt. 24) Gnarls Barkley, st. elsewhere (Warner)

Dass es das Fabeltier Danger Mouse so schnell an die Chartsspitze schaffen würde, hatte keiner gedacht. Der Uberhit „Crazy“ überstrahlte gleich alle Konkurrenz, abernichtden Rest dieses Albums. Danger Mouse arrangierte ST. ELSEWHERE als assoziative Nummernrevue von Soul(pop), Hip-Hop und R’n’B in Space -spooky und psychedelisch. Ein Album, das wie unter Überspannung brummt und knistert, sich bald überschlägt und dann fast im Trip -Hop verliert, sich aber nie in seinem feisten Sound genügt. Weil Danger Mouse Songs liebt. Und sein singender Partner Cee-Lo sowieso nicht anders kann: Da bebt er hin.

25) Die Goldenen Zitronen, lenin (Buback/ Indigo)

Wenn man lenin wieder hört, so nach ein paar Wochen, fliegt einem gleich wieder der Vogel raus. Wie Schorsch Kamerun die furios eloquenten Collagentexte krakeelt, der ewig befremdete, angepisste OskarMatzerath aufdem Glockenturm des deutschen Pop. Und die anderen diese großartig eckige, scheppernde Musik dazu machen, in deren dichten Maschen —LENIN ist vielleicht die musikalisch einnehmendste Zitronenplatte- beißende, zwickende Hooks und Grooves, ja: der Funk sitzen. Wie die Zitronen ihr Terrain als unkompromittierbare Allesaussprecher abstecken. Da möchte man fast sagen: Nie waren sie so wertvoll wie heute.

26) Sonic Youth, rather ripped (Geffen/ Universal)

Nuffsaid im ME-Forum: „Hoffentlich ist das etwas spannender als SONIC nurse.“ „Un-I assbar gut! 4 Mal am Stück habe ich noch kein Sonic-Youth-Album gehört. Sonic Youth sind anscheinend am Ziel.“ „Welche Richtung haben die eingeschlagen? Eine neue?“ „Nein,keine komplettneue. Das Album greift halt vermehrt die songorientierten, eher harmonischen Momente von Sonic Youth auf, die auch vorherschon da waren. „“… bei.WhatA Waste‘ ist sogar der Gesang der Frau da erträglich.“ „Schweig, du Narr. Das ist sexy.“ „Sie wächst und wächst und wächst. Bis dato Album des Jahres. „“Der Thron von M urray street wackelt bedenklich.“

27) M. Ward, post-war (4 AD/Beggars/Indigo)

Hypnosesitzung. 38 Minuten, die uns aus dem täglichen Gedudel reißen, mit verzweifelten Schmachtfetzen, Singalongs, Jazz-Balladen, Grand Pianos und transzendentaler Meditation auf der Gitarre. Dass Matt Ward sich nie und nimmer wie eine der viel zu vielen ganz ordentlichen Americana-Bands anhört, verdankt ervor allem aber seinerStimme, die so weich kratzt wie sonst gerade keine, die mehr durch die Lieder geistert. Jetzt muss nur noch Wim Wenders kommen, eine unauflösbare Geschichte erzählen und einen Himmel über den Bergen in Technicolor dazu malen, dann wird auch ein Erfolg daraus, (fsa) 28) Belle &. Sebastian, the life pursuit (Rough Trade) Was kommt heraus, wenn jedermanns liebste Folkpopschnuckel ein bisschen genug haben vom Schnuckelfolkpop und für Plattenaufnahmen vom heimischen Glasgow ins sonnengTinsende L.A. übersiedeln? Wie immer: Mal wieder eine der raffiniertesten Popplatten der Saison. Auf THE LIFE pursuit präsentieren sich Belle 8t Sebastian noch konsequenter als schon aufdem erfrischenden Vorgänger DE AR C ATASTROPHE waitress als tighte, drahtige, an Motown und 6os-Beat geschulte Popband; ausgefuchst, aber charmant wie eh und je. Und Stuart Murdoch hat es immer noch nicht geschafft, einen schlechten Song zu schreiben.

29) Ryan Adams, 29 (Lost Highway/Universal) Wer so kurz nach der Veröffentlichung von COLD ROSES und JACKSONVILLE CITY LIGHTS noch aufnahmefähig war, wurde belohnt: 29 -das Ryan Adams noch vor den beiden oben genannten Alben mit heartbreakerund GOLD-Produzent Ethan Johns in Los Angeles aufgenommen hatte-war ein tiefgründiges, emotionales und reichlich intimes Werk, das das bis dato persönlichste Statement seiner Karriere darstellte: In neun langen, spärlich arrangierten und ganz und gar intensiven Songs thematisierte Ryan Adams jeweils einen Aspekt aus jedem Jahr seines Lebens zwischen 20 und 30. Ein fesselndes Album, vom Anfang bis zum Ende.

30) The Kooks, inside in/inside out (Virgin/EM I) Die vier Musikschüler aus Brighton haben 2006 zusammen mit den Arcric Monkey s bewiesen, dass man kein bestimmtes Alter haben muss, um ein anständiges Debüt zustande zu bringen. 14 Songs lang vermischen die (nach einem David-Bowie-Songbenannten) Kooks Brit-Pop, Ska, Blues, Soul, und – klar- Gitarren-Rock, ohne eine Spur unprofessionell zu klingen oder gar ihren eigenen Sound zu verlieren. Gleichzeitig schaffen sie es, aus jedem Song einen potenziellen Hit zu machen. 31) The Duke Special, songs fromthe deep forest (V2/Rough Trade)

Auch wenn der Albumritel so etwas anzudeuten scheint: Peter Wilson aka The Duke Special ist kein Hinterwäldler. Der Mann aus Belfast bastelt sich aus allerlei Zutaten vom Musikflohmarkt (Vaudeville, Kammermusik, Jazz, Northern Soul) einen liebenswert versponnenen, clever funkelnden Pop, der trotz aller Zitate nie richtig retro klingt -klug konstruierte Songs voller großer, ja dramatischer Gefühle.. Eines der eigenwilligsten und charmantesten Debüts des Jahres.

32) The Fläming Lips, at war withthemystics (Reprise/Warner)

Nebenbei haben sie im Hinterhof von Wayne Coyne einen Do-it-yourself-Science-Fiction-Film gedreht, aber endlich auch wieder die Zeit gefunden, ihre musikalische Konfettikanone vollzustopfen mit 1001 Sounds und Ideen und Melodien und noch fünf Eimer Rumms! mit rein und zwei, drei Schaufeln voll aus dem Prog-&-Artrock-Zitatenschatz und diese saftige Breitseite von einem Psychedelic- Album abzufeuern, das sich an überschwänglicher, unschuldiger Verspieltheit ergötzt, aber auch seinen – mit viel Empathie und Humor verpackten – political edge behauptet. Die spinnen, die Lips, zu unser aller Wohl.

33) Lily Allen, A lright, Still … (Regal/EM I)

Musikalisch hat Lily mit ihrem Debüt keine Berge versetzt – aber hey! Was sind das für Kriterien?! Wer dem Charme ihrer Rotzfresse und der luftleichten Sonnigkeitihrer (scheinbar) harmlosen Ohrwürmer verfallen ist, für den klingen derart altväterliche Zeigefingermuffeleien unrasiert und verbiestert. Um was geht es im Pop? liebe, Sex, Gemeinheit, Hass, Gewalt, Langeweile, all die Sachen, aus denen das Leben besteht. „When youfirst left me I was wanting more/But you werefucldng thatgirl next door.‘

34) Adam Green, jacketfüllof danger (Rough Trade)

Der ewige Vergleich mit Frank Sinatra wird für Adam Green zur Wirklichkeit. JACKET FÜLL OF DANGER ist mit eingängigen Melodien, präzise arrangierten Streichern und Greens durchdringender Gänsehaut-Stimme das Werk eines echten Entertainers. Auch wenn das Album den Hype um seine Person 2006 nicht wieder entfachen konnte, es war ein ganzes Stück hörerfreundlicher als zuletzt GEMSTONES.

35) Bonnie „Prince“Billy, the lettinggo (Domino/Rough Trade) Der Singer/Songwriter definiert sich ja über seine Berufswahl nicht unbedingt als Angehöriger der Spaßgesellschaft. Und wir, die wir ihm zuhören, delektieren uns am vertonten Leid. Bonnie „Prince“ Billy hat die dunkelgrauen Lieder seines achten Albums in Island aufgenommen – inklusive Streichquartett und Dawn McCarthy von Faun Fables, die als (fast gleichberechtigte) Co-Sängerin fungiert. Das alles verleiht dem filigranen Folk eine leicht veränderte Note. THE letting go ein Meisterwerk wie Master & everyONE von 2003.

36) Georgia Anne Muldrow, olesi: Fragments OF AN EARTH (StonesThrow/PlAS/Rough Trade) Obwohl dieses Debüt fast gänzlich unbeachtet blieb, war es ein höchst beeindruckendes Statement und ein stellenweise bahnbrechendes Werk. Es war leicht nachzuvollziehen, warum die 22-Jährige zum ersten weiblichen Signing auf dem progressiven Label Stones Throw wurde: Ihre Melange aus/oer-Jahre-Free-Jazz, klassischem Soul, abstraktem R’n’B und intelligentem Hip-Hop war so selbstbewusst und eigenständig, dass OLESI… einen entscheidenden Impuls für die Weiterentwicklung der Black Music geben könnte.

37) Thom Yorke, the eraser (XL/Beggars/Indigo) Die Synthese von Rock und Elektronik wird meistens von denen gefordert/praktiziert, die von beidem keine Ahnung haben. Bei Thom Yorke funktioniert das vollautomatisch. Er kann halt nicht anil ders. Das Klicken und Schaben, die komplexen, minimaltechnoiden Beats, die freiformalen Abstraktionen verschmelzen auf Yorkes erstem Soloalbum organisch mit dem, was der Künstler unter einem Popsong versteht. Zum Beispiel „Analyse“ und „Harrowdown Hill“ – Pophits ohne Pop.

38) Trentemaller,THE LASTRESORT (Poker Fiat/ Rough Trade)

The Rückkehr of „Electronic Listening“. Der Däne Anders Trentemoller wollte mit the last Resort weg von der tanzbodenorientierten Club-Musik, die er seit Ende der 90er maßgeblich mitgeprägt hatte. Auf seinem Album-Debüt schichtete er Clicks &. Cuts, minimaltechnoides Schaben, Mikro Dub und eine Reihe von „natürlichen“ Instrumenten zu majestätischen, ambienten Klanglandschaften mit sehnsüchtelnden Melodien auf, die vom kalten Hauch des nordischen Winters überzogen wurden. Trentemaller hat das definitive Statement zum Thema „Electronic Listening“ abgegeben.

39) Mogwai, MR. beast (PIAS/Rough Trade)

Mogwai – die wachsen eben so vor sich hin. Nur: Wie hoch hinaus noch? Dass wir uns richtig verstehen: MR. beast ist mindestens eine Unermesslichkeit weit weg von Routine wie nahe dran an der Perfektion. Diese Platte ist eine so eindrucksvolle Lektion in Balance, Dynamik, Verdichtung. Dabei waren die Schotten selten näher am Pop; kein lärmend‘ Leid soll uns angetan, dafür ein Lied und noch eins mehr angetragen werden – aus Wohlklängen in angemessener, schierer Größe. Meisterwerk mit Ansage.

40) Ben Kweller, BEN kweller (ATO/Red Ink/ Rough Trade)

Der 25-jährige Texaner wird als eines der ganz großen Songwriter-Talente gehandelt – zu Recht, wie sein komplett im Alleingang eingespieltes viertes Album eindrücklich zeigt. Kweller orientiert sich an Vorbildern wie Bruce Springsteen, Tom Petty, Jeff Tweedy, Ben Folds und vor allem Carole King. Deren Standards muss man erst mal gerecht werden. Der Wahl-New Yorker schafft das mit scharfsinnig gebauten Piano-Pop-Songs, die gerade noch genug Kanten haben, um dem bösen Attribut „Mainstream“ zu entgehen.

41) The Rapture, pieces of the people we LOVE (Vertigo/Universal)

Musik aus dem Frühbeet: Erst ist da wenig, dann wächst sie und wächst und wächst. Das erste Album der New Yorker war in der Erinnerung ein kratziger Betongeröllhaufen mit PIL-Mustern, das zweite wirkte aufs erste Hören irgendwie monoton, leeT und kalt. Genau darrn liegt seine Qualität. Wer Anhaltspunkte sucht, findet sie (vielleicht) bei den ganz frühen Ultravox!, Soft Cell und Hot Chocolate, aber befriedigender ist es allemal, das Hirn abzustellen und sich gehen zu lassen: Die Sache funkt gewaltig (was nicht an der Beteiligung von Gnarls Barkley liegt).

42) The Mars Volta, amputechture (GSL/ Universal)

Wer dieses Album nicht versteht, wird The Mars Volta nie verstehen können. Weil sich auf dem dritten Album der Band aus Texas der geballte Wahnsinn aus Prog, freejazzigen Ansätzen, gniedeligen, post-rockistischen Gitarrensoli, psychedelischen Effekten, spacefolkigen Intermezzi und Tempowechseln zu einer logischen Einheit verdichtet. Man kann auch Kunstwerk dazu sagen. Dass dieser „Prog-Rock“ auch deshalb gut ist, weil er im Hardcore wurzelt, werden die Anhänger des klassischen Prog nicht verstehen. Die können ja ein bisschen The Killers hören.

43) The DivineComedy.VICTORYFORTHE comic use (EMI) Eigentlich wollte sich Neil Hannon ein bisschen Ruhe gönnen. Doch Ruhe ist für einen Workalholic ein nicht lang anhaltender Zustand. So musste der irische Songwriter, Meister des überlegenen Smart-Pop, nach kurzer Zeit feststellen, dass er mal so nebenbei genügend Songs für mindestens zwei weitere Alben aus dem Ärmel geschüttelt hat. Für sein siebtes Album holte er sich ein kleines Orchester und schuf wie schon so oft ein weiteres zeitlos-schönes, erhabenes und doch menschliches Pop-Kabinettstückchen.

44) Die Sterne, Räuber und gedärm (V2/ Rough Trade)

Was ist so toll an Frank Spilkers Texten? Dass er immer sagt, was man selber gerne sagen möchte? Dass er es so lässig sagt und dabei so ehrlich, genau und witzig und klug? Dass er klingt wie der drei Jahre ältere Hortkumpel, den man nie hatte? Egal, sie sind esanyway: toll. Warum haben mir manche Sterne-Platten nicht so gut gefallen? Weil ich Bands bevorzuge, die immer an der Grenze von dem spielen, was sie können, oder ein kleines (!) Stück drüber? Weil die Sterne zwischendurch Sachen gespielt haben, die sie sicher oder einfach gar nicht können? Hier sind sie wieder toll und gut.

45) Espers, espers 11 (Vz/RoughTrade)

Kammerpop, Psychedelia und – zuvörderst und vor allem britischer Folk der späten 6oer-)ahre war es, den das Sextett aus Philadelphia auf seinem zweiten Album zu einer wunder- und im positivsten Sinne seltsamen Musik zusammenführte. Das Echo von Fairport Convention, Pentangle und der Incredible String Band hallte wider in diesen verwunschenen, vesponnnen Folksongs, die von Zeit zu Zeit von sanft rückkoppelnden elektrischen Gitarren umschmeichelt wurden. Und Meg Baird setzte mit ihrer glockenklaren, elfenhaften Stimme einen bezaubernden Kontrapunkt zu dem fiebertraumigen, psychedelischen Zeitlupen-Folk.

46) Jason Collett, idols of exile (Arts &. Crafts/City Slang/RoughTrade)

In Kanada ist alles drin. Da tritt dann einfach mal ein Eingefleischter wie Jason Collett einen Schritt aus einem hippen Post-Indie-Kollektiv wie Broken Social Scene heraus und macht-eine vor Originalität und, äh, Spielfreude pulsierende Projektband aus Szenekollegen im Rücken – eine entwaffnend gute Americana-Songwriterplatte. Mit wohlgeformten Songs in allen Stimmungslagen und spröd-charmanten Popmelodien, wie man sie zu dessen güldenen Zeiten von einem Tom Petty (der übrigens mit high way companion 2006 eine feine, wenig beachtete Platte gemacht hat) hingezaubert bekam.

47) Joy Denalane, born & raised (Nesola/ Sony BMG)

Ein selbstbewusstes Unterfangen: Joy Denalane gibt sich mit dem Status als „Queen Of German Soul“, den ihr die Medien nach dem viel gelobten deutschsprachigen Debüt mamani zuerkannt hatten, offenbar nicht zufrieden. BORN & raised nimmt nicht nur wegen der englisch betexten Songs den Vergleich mit dem Weltstandard auf. Und es liegt nicht nur am Studio in Philadelphia und US -Produzenten wie No 1D und Jake One, dass Joy dabei gut aussieht, sondern auch an tollen Songs wie „Let Go“ und der klugen Balance aus klassischem Soul und modernen Beats.

48) My Morning Jacket,(ATO/Rough Trade)

Das vierte Album der bärtigen Männer aus Kentucky wurde zur großen stilistischen Überraschung: Von dem Neo-Country-Rock mit zeitgemäßer Indie-Anschrägung, der ihr Werk bisher prägte, bewegt sich die Band um Jim James ganz schön (mit der Betonung auf „schön“!) weit weg. Lag’s an der Umbesetzung (zwei Mann raus, zwei Mann rein) oder am Starproduzenten John Leckie (Stone Roses, The Verve, Radiohead)? Plötzlich heißen die Referenzpunkte U2, Pink Floyd und Springsteen. Pathos, Psychedelia und großer Pop -alles, was ein dickes „P“ vorne dran hat, passte plötzlich in die zum Teil fast überirdisch schönen Songs.

49) YeahYeahYeahs, showyour bones(Polydor/Universal)

Wenn das Adjektiv „künstlerisch“ in Zusammenhang mit einer Band bedeutet, dass sich diese Band Gedanken macht über ihre Musik, sie in Bezug setzt zu der Musik, die sie früher gemacht hat und in Bezug zu der, die heute um sie herum ist, dann ist show you r bones, daszweite Album der Yeah Yeah Yeahs, eine künstlerische Platte. Karen O, Nie Zinner und Brian Chase haben sich sanft neu erfunden im von ihnen selbst definierten Art-Punk-Feld. Mit mehr Melodien, mehr Pop und mehr Psychedelia. Die Fähigkeit zur sanften Neuerfmdung ist vielleicht die höchste Tugend, die eine Band dieser Tage besitzen kann.

50) Muse, BLACK HOLES AND REVELATIONS (Warner)

Darf man es Bubblegum-Progrock nennen? Muse gönnen sich kein Gegniedel auf ihrem vierten Album, sondern langen voll hin, mit dem Mut zur großen, überdrehten Geste. Diese Attitüde, sich rückhaltlos hinzugießen, mit diesem hemmungslosen Pathos, das Matt Bellamy auch in seinen (oft und gern multigetrackten) Gesang hineinwirft, aus im Kern fein gefeilten Popsongs reißende, tosende Soundwalzen erwachsen zu lassen, lässt staunen. Und sie erinnert im besten Sinn an die lustvolle Maßlosigkeit von Queen, wie durchs Kaleidoskop der technischen und stilistischen Mannigfaltigkeiten der ooer geschossen. Feistest.