Die Vier von Primal Scream gehen auf die Vierzig zu. Warum sind sie dann stolz darauf, sich „wie pubertierende 14-Jährige“ aufzuführen?


Warum denken eigentlich alle, dass diese Band aus Glasgow kommt? Gary „Mani“ Mounfield wohnt jedenfalls in Manchester und mit ihm sein Bass und seine Frau. Er ist seit acht Jahren bei Primal Scream und spielte vorher bei den Stone Roses. Ein Wunschberuf aus Kindertagen? „Als ich jung war, wollte ich Pornostar oder Musiker werden. Ich habe mich für die Musik entschieden und kann heute sogar davon leben. Auch cool.“ Am Telefon klingt der 39-Jährige wie ein Teenie mit extrem versoffener Stimme. Flachsend erzählt er, dass er nie einen Beruf gelernt habe, obwohl für ihn „Bildung die oberste Priorität ist. Die Regierungen der Welt lieben ungebildete Menschen, weil sie sie dann kontrollieren können. Ich habe nie darüber nachgedacht, eine Lehre zu machen, weil ich mir einfach nicht gerne etwas sagen lasse.“

Primal Scream sind ein Chamäleon. Über die Jahre haben sich die Drogen-Experten um Bobby Gillespie immer wieder neu definiert und uns soeben mit „Miss Lucifer“ eine dreckig rockende Elektro-Dance-Nummer als Vorabsingle aus dem kommenden Album „Evil Heat“ vor den Latz geknallt. „Für mich wäre es absolut langweilig, wenn wir immer dasselbe machen würden“, veranschaulicht Mani die Stilbrüche und Richtungswechsel der Vergangenheit. „Bevor ich zu Primal Scream kam, gab es sogar ein Album, das ein bisschen nach den Black Crowes klang. Wir versuchen jedes Mal, etwas komplett Neues zu kreieren, und wollen nicht, dass ein Album wie das andere klingt. Man sollte immer versuchen, einen neuen Style zu finden, etwas Neues dazuzulernen. Wir als Musiker sind sehr schnell gelangweilt, und ich glaube, mittlerweile haben wir jedes Musikgenre unter der Sonne ausprobiert und in unsere Songs integriert. Wahrscheinlich werden viele Leute verwirrt sein und mit unseren Veränderungen nicht klarkommen, aber es muss sich immer für uns als Band gut anfühlen. Wir alle lieben Dance und Techno, die Grundtendenzen werden also gleich bleiben. Wir sind bemüht, eine Verbindung zwischen gutem Techno und brettigem Gitarren-Punksound hinzukriegen. Ich bin auch der Meinung, dass der Sound eines neuen Albums immer ein bisschen damit zusammenhängt, welche Musik du im Moment gerne hörst. Zur Zeit liebe ich The Hives und Soundtrack Of Our Lifes, auch vor Alec Empire habe ich Respekt“ Trotzdem muss man sich als Fan der Tausendsassas auf einiges gefasst machen, denn „es kann durchaus passieren, dass irgendwann mal jemand mit einer Hank-Williams-Platte ankommt und wir beschließen, eine Country-Platte zu machen. Viel eher noch als diese lahmarschige Indie-Pop-Kacke“. Es ist Manis schnoddrige Art, die ihn sympathisch macht, und man glaubt es ihm sofort, wenn er sagt, dass man bei einer Bandprobe „nicht denken würde, dass wir alle um die 40 sind, so viel Mist verzapfen wir. Wir führen uns eher wie pubertierende 14-Jährige auf.“

Aufgenommen wurde „Evil Heat“ im bandeigenen Studio in London, und wenn man bei Primal Scream spielt, kann man auch einfach mal „die Chemical Brothers, Jagz Kooner oder David Holmes anrufen und fragen, ob sie unsere Songs mixen würden, damit man mal eine andere Meinung dazu hört. Wenn man alles alleine macht, kann es nämlich schnell passieren, dass man den Tunnelblick kriegt.“

Plötzlich rappelt es im Hintergrund, Mani bellt ein „Gehst du jetzt, Mama?“ in den Raum und fragt höflich, ob er das Gespräch kurz unterbrechen dürfte, weil seine Mutter vorhin kurz vorbeigekommen sei und er ihr jetzt schnell tschüss sagen wolle. Drei Minuten später schlurft er zurück an den Hörer und flüstert, „dass es manchmal schon besser ist, wenn die Eltern nicht alles wissen“. Macht man in dem Alter nicht ohnehin von Natur aus weniger Dummheiten? „Überhaupt nicht. Das wird jedes Jahr schlimmer, je älter ich werde. Ich gehe zum Beispiel immer noch auf Rave-Partys und schlage mir die Nächte um die Ohren. Wenn ich sterbe, das ist der Punkt, an dem ich mir sage, dass ich ruhiger werden muss. Aber ich kann nicht abdanken, bevor diese Band nicht den Durchbruch erlebt hat. Dann werde ich mit meiner Frau an irgendeinem wundervollen Strand meinen Lebensabend verbringen.“

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