„Meine Güte, wie klingt das denn?“ Wie Grim104 Deutschrap revolutioniert


Ein Gespräch mit Grim104 von Zugezogen Maskulin und das Beste von der Meme-Seite Deutschband.Memes

Er ist der Farin Urlaub für Rap-Fans mit Deutsch-LK-Background. Darf man die Kolumne über Grim104 von Zugezogen Maskulin wirklich so anteasen oder bekommt man dafür bei nächster Gelegenheit die Kniescheibe entglast? Linus Volkmann probiert es einfach mal aus – und hat als Bonus noch Memes über die deutsche Bandszene dabei.

Selbstanklage: Ich habe Zugezogen Maskulin in den ersten Jahren nicht wirklich verstanden. Ein infernalisches Zeichengewitter kreiert auf ihrem 2015 Durchbruchs-Album ALLES BRENNT bewusste Überforderungen. Alles scheint bei diesem Duo am Limit, alles immer kurz vor’m Kippen: Die Attitüde, der Vibe, die Gags, die Querverweise, deine Mutter … Zugezogen Maskulin waren für mich eine besonders migränige Version von KIZ, bei der man dauernd mit verbundenen Augen um die eigene Achse gedreht wird und sowohl auf der unmittelbaren wie auf der Meta-Ebene ins Ohr gebrüllt bekommt.

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Vermutlich, dessen war ich zwar überzeugt, passiert hier viel Spannendes, dennoch hielt ich Abstand von dem Hype.
Erst über das Solo-Projekt Grim104 von „dem Blonden“, also Moritz Wilken, öffnete sich mein persönlicher Zuweg. Mit reichlich Verspätung entdeckte ich sein bis heute legendäres Schwarzweiß-Video zu dem Song „Crystal Meth in Brandenburg“. Lieblingszeile auch jetzt noch ist die, die mit dem Prinz-Pi-Diss endet: „Abseits der Städte / In Dörfern, die mit ‚ow‘ oder ‚itz‘ enden / Hier lernst Du Kids kenne, die nix kennen / Für die sich Prinz Pi nicht interessiert mit seiner Band“.

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Die Brisanz lodert in dem Stück nicht weniger als bei Zugezogen-Maskulin-Songs, aber der düstere Beat und die Zeit, die sich das alles nimmt, machen für mich mehr Raum auf. Über die Strickleiter Grim104 komme ich dann also endlich auch bei ZM rein. Mittlerweile habe ich mich an das Tempo und die Dichte der beiden gewöhnt, die ersten Alben höre ich allerdings trotzdem nur, wenn ich wirklich eine Panikattacke brauche. 10 JAHRE ABFUCK aus dem Seuchenjahr 2020 liebe ich allerdings.

Letztes Jahr widmete ich außerdem dem Debütroman von Hendrik „Testo“ Bolz (der andere von Zugezogen Maskulin) über die vergessene Post-Wende-Generation der ehemaligen DDR diese Kolumne hier. Mit Recht. Das Buch wühlt sich auch nach einem Jahr immer noch weiter in die Aufmerksamkeit und hat viele wichtige Debatten losgetreten beziehungsweise gestaltet.

Da ich aber eben auch einen Sweet-Spot für Hendriks Partner Grim104 hege, will ich dessen gerade veröffentlichten, neuen Song „Stadtfuchs“ nutzen, um auch ihn hier mal in dieser Kolumne gebührend und öffentlich zu bestaunen und zu befragen. Macht mit! (Und werdet Zeug:innen, wie Wahlberliner Rapper und gebürtiger Friese meinen Berufsjugendlichen-Swag erschüttern wird.)

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Ist „Stadtfuchs“ eine Laune zwischendurch oder schon der Key-Track einer brandneuen Album-Kampagne?
GRIM104: Es ist schon ein Key-Track für das, was ich gerade mache und wo es mich soundmäßig hinzieht. Da ist tatsächlich auch eine EP im Entstehen, die „Ende der Nacht“ heißen wird – Stand jetzt zumindest. Die wird sich thematisch immer wieder um das Thema Nacht und Begegnungen der Nacht drehen. Wenn ich das jetzt so ausspreche, denke ich auch: Meine Güte [lacht], wie klingt das denn?

Klingt doch gut, Thorsten Nagelschmidt von Muff Potter hatte mit „Arbeit“ auch ein Buch über das Leben und Wirken von Menschen, die der Nacht zuarbeiten, geschrieben. Sehr spannend, das alles mal nicht nur in der eigenen betrunkenen Froschperspektive durchwaten zu müssen.
Es handelt sich aber nicht um das nächste biographische Albumwerk. Alben nutzte ich ja immer auch, um mein eigenes Leben sacken zu lassen. Das steht noch nicht an, „Ende der Nacht“ ist dagegen das, das mir gerade – wie man so schön sagt – in den Fingern juckt.

Ist ja auch zeitgemäß, nicht immer auf epische Alben zu setzen, sondern unmittelbarer mit Musik nach draußen zu gehen.

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Na, klar. Die letzte Platte [IMPERIUM, Anm.] ist ein Jahr her und es fühlt sich richtig an, da jetzt nachzulegen. Auch wenn ich aus einer romantisch verklärten Epoche komme, wo es noch üblich war, sich fünf Jahre Zeit zu lassen für ein Release, um dann mit der großen Comebacktour wieder einzusteigen [lacht]. Aber hey, die Welt hat sich weitergedreht. Außerdem kommt auch dazu, dass bei mancher Band, bei der man mal wieder drei Jahre auf eine Platte gewartet hat, die Musik dann trotzdem oft nur mittelmäßig ist. Eine Frage, sind Sie eigentlich bei TikTok?

Hast du mich jetzt gerade gesiezt?
Äh, schon. Wir hatten das Gespräch dazu ja noch nicht. Bist du denn bei TikTok?

Nur so als verirrter Zaungast, um nicht allen Anschluss zu verlieren – aber ich habe keine Ahnung, was ich das machen sollte oder wollte.
Bei mir sind die Vorzeichen ähnlich. Dort muss alles immer witzig sein, so schön albern – das entspricht aber einfach nicht meinem Naturell, wenn es um meine eigene Inszenierung geht. Muss ich noch meinen eigenen Zuweg finden, damit ich auch dort richtig geil highperforme.

Ihr hattet Teile eurer letzten Tour als Zugezogen Maskulin in diesen sehr ungastlichen Corona-Zeiten zwischen Lockdown und Lockerungen gespielt. Das Konzert in der Stadt, in der ich wohne, war nicht wirklich überlaufen. Den Umständen entsprechend natürlich, aber nun hat das Buch „Nuller Jahre“ von deinem Partner (Hendrik Bolz alias Testo) sehr viel Staub aufgewirbelt, ja eine Diskussion über die Wende-Generation aus den „blühenden Landschaften“ angestoßen. Das und auch euer gemeinsamer Podcast „Zum Dorfkrug“ über das Thema Aufwachsen in der Provinz zahlen gerade wieder ziemlich auf Zugezogen Maskulin ein, oder? Die Band scheint präsenter denn je.

Möglich … Besonders auch das Buch hat den Kosmos von ZM noch mal weiter gestreut. Ich kann jetzt nicht für Hendrik sprechen, aber das Gefühl, das das Touren zur letzten Platte hinterlassen hat … das war schon auch etwas mittelmäßig. Und da ist es natürlich toll, wenn jetzt wieder ein neuer, teilweise ganz anderer Zuspruch herrscht. Aber ich freue mich einfach auch für Hendrik, denn das Buch verhandelt sein Lebensthema, das ihn schon ewig umtreibt – und das sich spätestens bei der 10 JAHRE ABFUCK Platte fast in jeden zweiten Songtext reingeschlichen hatte. Da machte es total Sinn, dass das nun diesen Fokus in Buchform bekommen hat – sonst trägt man sowas auf ewig mit sich rum. Jetzt hat er es auf den Punkt gebracht – und das ist ihm echt gut gelungen. Welchen Einfluss das alles auf ZM hat … das muss man dann sehen, wenn es bei uns wirklich wieder soweit ist.

Musstest du deine eigene Rolle zu seinem Erfolg finden?
Ich hatte mir – zumindest im Spaß – schon ein Cover für die nächste gemeinsame Platte überlegt: „Der MC und der Literat“ [lacht] – mit so einer Neunziger-Jahre-Anmutung. Hendrik sitzt auf einem riesigen Buch und ich habe ein Mikro in der Hand.

Auf dieses fiktionale Cover passt sie nicht, aber dennoch drängt sich die Frage auf, was ist mit deinem Buch? Hättest du auch eines?
Das werde ich aktuell oft gefragt. Aber dass es der große Coming-Of-Age-Roman werden könnte, da hat Hendrik natürlich gerade die Tür zugehauen. Ich kann mir auch diese Dorfjugendgeschichte, die meine ist, nicht richtig vorstellen in Buchform. Das Tolle an „Nuller Jahre“ ist ja, dass Hendrik da eine ganz neue Perspektive aufgemacht hat. Bei mir hört es sich dagegen irgendwie immer so an [wechselt in die Stimmlage von einer Art Kinotrailer:] „Der Junge aus dem Dorf! Missverstanden! Ein Outcast! Hier erlebt er den letzten Sommer, bevor nichts mehr so ist, wie es mal war!“ Also, da bräuchte man wirklich einen sensationell guten Text, damit da was rauskommt, das nicht auch abgedroschen klingt. Insofern könnte ich mir noch eher vorstellen, auf einen Abenteuerroman zu gehen, gar nichts so sehr etwas Autobiographisches. Ich mag ja Jack London zum Beispiel, aber mir fehlt für so ein Projekt wohl der notwendige Abenteuerhintergrund [lacht].

Es ehrt dich auf jeden Fall, dass du nicht die Gunst der Stunde nutzt und einen dieser typischen Berlin-Romane schreibst, wie so viele Musiker in den letzten zwei Jahrzehnten.
Auf gar keinen Fall. Das wäre wirklich das Schlimmste. Ein Buch über einen End-Zwanziger, der sich durch die Stadt treiben lässt, bedeutungslosen Sex hat, Drogen nimmt und auf der Suche nach der wahren Liebe ist. [schüttelt sich] Ich hoffe, ich bin jetzt nicht einigen Leuten zu nahe getreten, aber das ist doch echt fürchterlich!

„Stadtfuchs (prod. Silkersoft & nvie motho)“ ist erschienen bei Buback Records.

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Back from hell: Deutschband.Memes

Apropos Lieblingsinterviewgäste … Auch die geheimnisvollen Personen, die hinter der weisungsbefugten Meme-Seite Deutschband.Memes stecken, würde ich allzu gern mal an dieser Stelle präsentieren. Doch sie sind genauso hilarious wie scheu. Ihre Memes glänzen dabei mit viel Insiderwissen hinsichtlich des hiesigen Musikbetriebs. Mit einem Witz, der zwischen gütigem Spott, flammenden Schwertern und rostigen Nägeln irrlichtert, halten sie einer selbstverliebten Branche den Spiegel vor.
Moment… den Spiegel vorhalten? Wenn ich weiter schreibe wie meine Eltern, muss ich mich nicht wundern, dass mein großer Deutschband.Memes-Coup hier noch auf sich warten lässt. Daher nur soviel: Die Seite gab zum letzten Jahreswechsel ihre Einstellung bekannt und schickte sich selbst schlafen. Aktuell aber ist sie wieder sowas von zurück. Zum Ausklang ein paar Impressionen von dem Instagram-Comeback des Jahres. [Alle Memes von: Deutschband.Memes]