PJ Harvey, Berlin, Friedrichstadtpalast


Das Fräuleinwunderbar verachtet auf Mitspieler und öffnet damit die Tür zu einer beeindruckenden Alleinunterhaltershow.

Normalerweise ist der Berliner Friedrichstadtpalast bevorzugter Anlaufpunkt für Busladungen mit lebensreifen Bürgern im kulturellen Ruhestand. Bisschen „Glanzlichter der Revue“ gucken und so. Inzwischen aber möchte Deutschlands größtes Revuetheater weg vom Image als Haus der biederen Muse. Da passte es gut, dass Polly Jean Harvey mal reinschaut, um ausgerechnet hier ihr einziges Konzert im Lande zu geben. Jüngeres und schräges Gästevolk ist also gesichert, allerdings fremdelt dieses doch etwas im angespießten Ambiente der Venue. Gefühlt befrackte, beflissene Ordner am Einlass, wieder mal eine hübsche Abwechslung im Rock’n’Roll-Fancircus. Aber man weiß ja, dass ein merkwürdiger Ort nicht die schlechteste Basis für ein merkwürdiges Konzert ist.

Die Spannung steigert sich beim Anblick des Bühnenbilds noch leicht-Wie ein Eigenheimvorgarten zur Weihnachtszeit sind Klavier, Synthesizer und Piano mit Lichterketten verziert. Dann kommt das Glanzlicht-langes schwarzes Kleid mit Puffärmeln und „schicke Schuhe“ (wie ein fachkundiger Zwischenrufer würdigt) an den Füßen. Das Fräuleinwunderbar aus Dorset wirkt kurzzeitig fast wie eine Operndiva, doch dann hängt sie sich die E-Gitarre um und kracht „To Bring You My Love“ vom gleichnamigen 95er Album in die Saalfinsternis, danach „Send His Love To Me“. Die 38-Jährige gibt eine spartanische Alleinunterhaltungsshow, bei der sie von einem Instrument zum nächsten wechselt, während es für die Zuschauer heißt: raus aus dem Staunen, rein ins Staunen.

PJ Harvey füllt die große Bühne mit einer Präsenz, die extrem beeindruckend ist, unabhängig davon, ob sie nun gerade am Klavier sitzt (das ihr aktuelles Album WHITE CHALK bestimmt), Gitarre spielt oder eine kleine Autoharp: Wie einen Säugling hält sie das zitherähnliche Instrument im Arm, zärtlich an sich gepresst, und überträgt ihre Gefühle auf das kleine Ding wie etwa beim Song „Grow Grow Grow“. Es ist vor allem ihre stimmliche Variabilität, mit der sie das Publikum kollektiv in Haft nimmt. Be- und entgeistert lässt es sich durch den mal elfenhaft.dann wieder brüchigen oder gar hysterischen Gesang der Harvey in regelrechten Rausch versetzen. Nach eineinviertel Stunden ist leider Schluss. Die Lady entfleucht, doch die Intensität ihres Auftritts hallt nach. Man reibt sich Augen und Ohren, die Bühne ist leer und man ist zum Runterkommen verurteilt. Aber das dauert.

www.pjharvey.net