Die da oben

„Planet of the Bass“: Wie Kyle Gordon die Ehre des Sommerhits rettet


Quatsch oder doch keine Ironie? Wie Eurodance zur Allzweckwaffe wird.

Womöglich, dachte man noch im August, wird dieser Sommer zu Ende gehen ohne den einen, den großen, den alles überstrahlenden Sommerhit, und verwunderlich wäre das nicht gewesen. Man könnte meinen, Sommerhits seien chronisch dämlich und nervig, im Grunde aber ist das Genre eine Königsdisziplin: Sommerhits funktionieren als sozialer Kitt in Zeiten der Nachrichtenarmut und Langeweile, müssen unterhalten und verbinden, dürfen vor allem aber niemanden überfordern. Die Ehrenrettung des Sommerhits, der hit to end all hits, kam schließlich doch noch – ausgerechnet von einem Mann, der sich auskennt mit leicht aussehenden Dingen, die in Wahrheit sauschwer sind: einem Comedian.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Bereits einen Tag nach Veröffentlichung hatten sich die Eurodance-Parodie „Planet Of The Bass“ des New Yorkers Kyle Gordon fast eine Million Menschen auf YouTube angeschaut. Als Duracell-Häschen „DJ Crazy Times“ mit Skibrille brüllt Gordon im Musikvideo allerlei Motivierendes in wundervollem Falschenglisch: „Life, it never die / Women are my favourite guy“ zum Beispiel. Eine Sängerin namens Biljana Electronica reimt im Refrain „All of the dream“ auf „How does it mean“, während sie mit einem Alien tanzt und sich glorios doof Sequenzen von Raketenstarts mit Bildern von Bill Clinton und fliegenden Modems abwechseln.

Echt heliumhaft: Wie sich Domiziana mit Hyperpop zum Highspeed-Erfolg pitcht

Schon im Juli, als ein erster Teaser des Songs veröffentlicht wurde, brachte er es innerhalb kurzer Zeit auf 100 Millionen Views bei TikTok. Noch größer wurde die Aufregung, als Gordon kurz darauf weitere Teaser veröffentlichte, in denen er kurzerhand die Sängerin ausgetauscht hatte: ein kleiner Seitenhieb auf die gängige Eurodance-Praxis, die melodiösen Parts von (oft mies bezahlten) Sängerinnen einsingen zu lassen und zur Präsentation tanzende Models auf die Bühne zu stellen. Warum dieser Quatsch so erfolgreich ist, liegt auf der Hand: Gordons Parodie funktioniert sowohl bei einem Publikum, das alt genug ist, um mit echtem Eurodance oder Schlumpftechno sozialisiert zu sein, als auch bei jüngeren Hörern, die just Rave-Mode und Sped-Up-Techno für sich entdeckt haben – und diesen Meta-Sommerhit womöglich sogar unironisch mögen.

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 10/2023.