Soft Cell – Non-Stop Erotic Cabaret

Aus dem wohl nie versiegenden Fundus englischer Kunst-Colleges entstammt auch das Duo Soft Cell. Das ungleiche Pärchen, bestehend aus dem Sänger Marc Almond und dem Instrumentalisten Dave Ball, fand sich 1978 unter dem Namen Soft Cell in Leeds zusammen. Die fulminante Synthese aus Motown-Soul, britischen Popwurzeln sowie einem visuellen wie tönenden Extrakt aus den beiden US-Elektronik-Duo-Pionier-Bands Sparks und Suicide, ging im Zeitalter des New-Romantic-Movements ab wie Schmidts Katze. Laszive Lyrics, kühle Synthetik, rotplüschige Nachtclub-Atmosphäre und ein Hauch von Gay-Campness erwies sich Anfang der 80er Jahre als die Inkarnation moderner Tanzmusik. Unterstützt von dem weltweiten Erfolg ihrer ersten Hitsingle ‚Tainted Love‘ (übrigens eine Uralt-Coverversion von Songwriter Ed Cobb, die in Großbritannien erst durch Soulsternchen und Marc Bolan-Gespielin Gloria Jones populär wurde) überschlug sich die britische Musikpresse 1981 beim Erscheinen des ersten Longplayers NON-STOP EROTIC CABARET einerseits mit Lobeshymnen, andererseits aber auch mit harscher Kritik. Doch mit dem Abstand der Jahre betrachtet, erfüllt der um acht (!) Bonustracks aufgestockte Synthie-Pop-Klassiker (alle frühen Singles ‚Where Did Our Love Go ‚Memorabilia‘, ‚Whaf, ‚Torch‘ plus einige B-Seiten) noch immer die Erwartungen. Sicherlich, Dave Balls Synthiespielereien, damals der Inbegriff des Futurismus, klingen naiv und etwas angestaubt. Marc Almonds intensive Nabelschauen im Rotlichtdistrikt (‚Seedy Films‘, ‚Sex Dwarf, ‚Facility Girls‘, ‚Frustration‘) und die weiteren exotischen, zweideutigen Gemeinplätze (‚Bedsitter‘, ‚Secret Life`) sind heutzutage aber weder schockierend, noch jugendgefährdend. Dennoch präsentiert der kokett-soulig vorgetragene Inhalt noch immer akkurat den English-Way-Of-(Sex)-Life: scheinheilig, schmutzig, schuldgefühlbeladen und immer unter der Noblesse der Verschwiegenheit. Als frühes Techno-Pop-Artefact unverzichtbar.