Review

„The Defiant Ones“ auf Netflix: Wie Dr. Dre die Rap-Revolution zu Milliarden machte


Jimmy Iovine und Dr. Dre sind zwei der einflussreichsten Produzenten aller Zeiten. Eine mit dem Grammy prämierte Doku erzählt unterstützt von viel Prominenz die Geschichte der Männer nach.

2014 verkauften die überlebensgroßen Produzenten Jimmy Iovine und Dr. Dre ihre durch etwas klobiges Design und HipHop-kompatiblen Sound bekannten Beats-Kopfhörer an Apple. Es war ein Deal, der den Musikern mehr als drei Milliarden US-Dollar einbrachte. Vor allem in Bezug auf Dr. Dre war das Medienecho auf den Verkauf gewaltig, der Kerl aus dem armen, von Gewalt durchzogenen Compton war plötzlich Milliardär. Wenn HipHop wirklich ein Game ist, dann hatte er es in diesem Moment durchgespielt.

Das sind die 50 besten Filme aller Zeiten
In den ersten Minuten von „The Defiant Ones“ liegt der Fokus ausschließlich auf diesem Milliardengeschäft und die Befürchtung steht im Raum, dass in den folgenden vier Stunden eine mit aufwändigem Drehbuch bewaffnete Apple-/Beats-Werbekampagne auf den Zuschauer abgefeuert wird, in der der Verkauf des Kopfhörer-Imperiums als der wichtigste Punkt in den langen Vitas von Dre und Iovine dargestellt wird.

Zwei Leben, wichtiger als Kopfhörer und Milliarden

Jimmy Iovine

Doch dann kommt der Vorspann und Regisseur Allen Hughes beginnt zwei Zeitreisen, eine ins New York der 70er und eine ins Compton der 80er. Von dort ausgehend erzählt „The Defiant Ones“ die Leben und Karrieren der zwei Produzenten nach, die sich im Laufe der vier einstündigen Episoden, die seit dem 23. März auf Netflix zur Verfügung stehen, treffen und zu dem unermesslichen Beats-Reichtum kommen werden. Zum Glück entfernt sich die Doku aber selbst von der anfänglich implizierten These, dass diese verdammten Kopfhörer die wichtigste Hinterlassenschaft von Dre und Iovine sein werden.

Stattdessen konzentriert sich Hughes auf die Weltkarriere, die Iovine mit der Produktion von Alben von Bruce Springsteen, Patti Smith, U2, Tom Petty begann. Und parallel dazu auf die Rap-Revolution, die Dre, bürgerlich übrigens André Romelle Young, in Kalifornien startete. Es sind Geschichten, die schon mehrfach dokumentiert und im Falle von Dre sogar für Hollywood verfilmt wurden („Straight Outta Compton“ war 2015 ein Welterfolg).

„Wie war das denn, als du damals diese Reporterin verprügelt hast? “

Doch Hughes fährt große Geschütze auf, um seine Dokumentation permanent spannend zu halten. Zum einen ein fantastisches Drehbuch, das immer wieder zwischen Dre und Iovine springt, dadurch Parallelen zwischen diesen eigentlich so unterschiedlichen Leben entdeckt. Dazu schafft es „The Defiant Ones“, die vielen Talking Heads, die hier zu Wort kommen, zu einer Art Gesprächsrunde zusammenzuschneiden. Aus Interview-Schnipseln und Monologen werden hier Doku-Stakkatos. Das zweite Alleinstellungsmerkmal ist die schiere Masse an Superstars, die hier zu Wort kommt. Bono, Springsteen, Snoop, Trent Reznor, Eminem und so weiter. Schmerzhaft ist es, den 2017 verstorbenen Tom Petty über Iovine schwärmen (und ein bisschen lästern) zu sehen – viele der Interviews hat Hughes 2016 geführt.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Dokus auf Netflix: Hier sind die Tipps der Redaktion
Allen Hughes verniedlicht seine Protagonisten teilweise, zeigt belustigende Aufnahmen eines jungen Dre, der als Chirurg verkleidet erste Auftritte in der kleinen Disse in Compton hatte. Er zeigt den verpeilten und übermüdeten Tonassistenten Iovine, der sich von Springsteen fast in den Wahnsinn treiben ließ. Auf die Verniedlichung folgt die Herausstellung des Willens und des Talents der Produzenten. Doch immer wenn Hughes kurz davor steht, Dreh und Interscope-Gründer Iovine zu Göttern zu erklären, zieht er die Reißleine und konfrontiert zum Beispiel Dre mit seinen Verfehlungen. Wie war das denn, als du damals diese Reporterin verprügelt hast?

Dre antwortet, man sieht ihn unangenehm auf seinem Stuhl hibbeln. Auch wenn er über seinen toten Bruder spricht, oder darüber, wie er auch Schuld daran war, dass N.W.A. zerbrochen ist. Die Lebensgeschichten und Verfehlungen der Produzenten selbst (die Geldgier Iovines ist auch nicht gerade angenehm) sorgen dafür, dass „The Defiant Ones“ keine bloße Lobhudelei geworden ist. Sondern eine kurzweilige und gleichzeitig große Dokumentation von zwei Leben, die auch nichts geringeres verdient haben.

[facebooklikebox titletext=’Folgt uns auf Facebook! Vielen Dank ‚]