„Rust“-Prozess: Alec Baldwin rief „Noch einer! Sofort! Lasst uns neu laden!“


Erstmals wurden vor Gericht Set-Videos gezeigt, die zeigen, wie sicher – oder unsicher – „Rust“ war.

Im Fall um den Tod der Kamerafrau des Films, Halyna Hutchins, die am Set des Films „Rust“ durch einen versehentlichen Pistolenschuss von Alec Baldwin ums Leben kam, steht aktuell die Waffenmeisterin Hannah Gutierrez Reed vor Gericht in Santa Fe. Beim Verhandlungstag am Donnerstag (29. Februar) wurden auch zum ersten Mal Videos vom Set gezeigt, die offenbarten, wie Baldwin, Gutierrez Reed und ihre Kolleg:innen mit den Waffen und der Sicherheit  umgingen.

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Alec Baldwin habe sie gehetzt

Unter anderem sahen die Geschworenen einen Ausschnitt, in dem der Regisseur vor Ort „Action!“ rief, Alec Baldwin daraufhin vor die Kamera trat, eine alte Pistole abfeuerte und nach dem „Cut“ direkt eine weitere Aufnahme starten wollte. Er rief: „Einer noch! Einer noch! Einer noch! Sofort! Lass uns nachladen!“ Die 24-jährige Waffenschmiedin beeilte sich daraufhin, seine Waffe erneut mit Platzpatronen zu laden – der Schauspieler zeigte sich sichtlich ungeduldig, sie folgte seiner Aufforderung.

Etwas später kam es am Set zu dem tödlichen Unfall, wegen dem Gutierrez Reed sich jetzt vor Gericht behaupten muss. Im Juli wird auch Baldwin vor Gericht erscheinen – beide sind wegen krimineller Fahrlässigkeit angeklagt. Dem 65-Jährigen wird weiter vorgeworfen, sowohl für das Abfeuern des tödlichen Schusses als auch für das Managementversagen in seiner Rolle als Produzent verantwortlich zu sein – seine Verteidigung argumentiert dagegen, da er eine „kreative“ Produktionsrolle ausgeführt hätte.

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„Er benutzt die Waffe als Zeigestock“

Beim Prozess von Hannah Gutierrez Reed war auch Bryan Carpenter anwesend, ein erfahrener Waffenmeister, der als Sachverständiger anhand der vorgeführten Videos die Sicherheit am Set einschätzen sollte. Er argumentierte, dass er einige Versäumnisse diesbezüglich erkennen würde, für die die Angeklagte zum Teil verantwortlich gewesen sei.

Zu den fehlerhaft eingeschätzten Situationen zählte unter anderem eine Szene, in der ein Stuntman mit einer Schrotflinte herumlief und dabei die korrekte und sichere Handhabung der Schusswaffe missachtete. Zum anderen war zu sehen, wie er die Requisite später einem Kinderschauspieler in die Hand gab. Carpenter erklärte, dass Gutierrez Reed spätestens hier hätte eingreifen müssen. Auch sie selbst war in den Aufnahmen zu sehen, wie sie eine Pistole nicht nach Vorschrift hielt. Ebenso wäre es ihre Verantwortung gewesen, Baldwin beim Nachladen zu bremsen und sich an die Regeln zu halten, auch wenn er darauf gepocht hätte, die Sache zu beschleunigen. „In einer solchen Situation, wenn man so in Eile ist, beginnt die Sicherheit auf der Strecke zu bleiben“, sagte er aus.

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Carpenter beobachtete darüber hinaus weitere Situationen, in denen Baldwin zu hektisch oder schlichtweg falsch mit den Waffen umging. Hier sei es ebenfalls die Aufgabe der Waffenmeisterin gewesen, ihn darauf hinzuweisen und seinen Umgang zu verlangsamen. Als Beispiel wurde eine Situation gezeigt, in der der Darsteller auf dem Rücken liegt, eine Pistole in der Hand hält und damit gestikuliert, um sein Vorgehen zu erläutern. „Er benutzt die Waffe als Zeigestock“, erklärt der Sachverständiger.

Gutierrez Reed hielt ihn nicht davon ab, sondern warnte stattdessen die Crew, die sich in der Nähe befand und forderte sie auf, aus dem Weg zu gehen. Carpenter warf die Vermutung ein, sie hätte die Kommunikation mit Baldwin vermieden und sagte: „Sie versuchte nicht, Mr. Baldwin zu korrigieren, sondern die Crew in eine sicherere Position zu bringen.“ Diese Äußerung wurde im Kreuzverhör von Carpenters Anwalt, Jason Bowles, genutzt, um festzustellen, dass sie gerade erst in das Geschäft eingestiegen sei und noch nicht einmal in der Gewerkschaft sei. Der Sachverständige entgegnete dazu, dass sie in ihrer Rolle als Waffenmeisterin die Verantwortung für das Leben anderer übernommen habe: „Es ist eine schwierige Situation. Wenn Sie sich dazu nicht in der Lage fühlen, sollten Sie sich niemals in die Lage begeben, es tun zu müssen.“

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David Halls verteidigte Baldwin und Gutierrez Reed

Eine weitere Person, die am Donnerstagmorgen im Gericht erschien, war David Halls, der erste Regieassistent bei „Rust“ und damit die Person, die letztendlich für die Sicherheit am Set verantwortlich war. Er gab bereits 2023 zu, fahrlässig gehandelt zu haben und wurde daraufhin zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Bei seiner Ansprache legte er ein anderes Bild der Geschehnisse dar – bis zum tödlichen Schuss habe er das Set für sicher erachtet und verteidigte das Verhalten von Baldwin und Gutierrez Reed.

Die Waffenmeisterin habe auf ihn immer fleißig und selbstbewusst gewirkt und habe ebenso immer sachkundig im Umgang mit den Schusswaffen gewirkt. Alle Requisiten seien von ihr nach den gültigen Standards überprüft worden. Auch Alec Baldwins Verhalten hätte bei ihm keinerlei Bedenken aufgeworfen. Halls sagte: „Ich sehe das nicht so, dass Mr. Baldwin die Leute hetzte. Ich beschreibe ihn als einen Schauspieler in seinem Momentum – ‚Ich bin bereit.‘, ‚Okay, los geht’s.‘ Mr. Baldwin hat nie jemanden gehetzt.“

Ein weiteres Thema, zu dem der Regieassistent befragt wurde, war die versehentliche Entladung zweier Leerpatronen, die sich einige Tage vor dem Tod von Halyna Hutchins ereignet hatte. Während viele Mitarbeiter des Sets beunruhigt waren, gab Halls auf Nachfrage zu, dass er nicht gehandelt habe. „Ich habe nichts getan. Als [die] Langwaffe losging, fragte ich: ‚Was zum Teufel ist da los?‘.“ Halls wurde ebenfalls beschuldigt, Alec Baldwin die Waffe ausgehändigt zu haben, aus der die tödliche Patrone entsprang. Das wäre ein Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften gewesen, die nur dem Waffenmeister und dem Schauspieler den Umgang mit dieser erlauben. Halls stritt die Weitergabe ab und plädierte, dass Hannah Gutierrez Reed selbst die Waffe übergeben hätte.

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„Es ist mir wichtig, dass die Wahrheit ans Licht kommt“

Diese Aussage hatte er bereits 2022 in einer eidesstattlichen Erklärung abgegeben. Er hatte jedoch von vornherein zugegeben, dass er die Waffe hätte überprüfen sollen und dies versäumt habe. Im Nachhinein sah er seinen gravierenden Fehler ein und gab die Wahrheit freiwillig bekannt – er erkannte erst nach dem Vorfall, dass sich in der Waffe neben fünf Attrappen auch der Rest einer scharfen Patrone befand. Er erklärte abschließend dazu: „Es ist mir wichtig, dass die Wahrheit ans Licht kommt – dass Halynas Ehemann und Sohn, ihre Familie, die Wahrheit darüber erfahren, was passiert ist. Es ist wichtig, dass die Besetzung, die Crew und die Produzenten von ‚Rust‘ wissen, was passiert ist. Und es ist wichtig, dass die Branche, die Film- und Fernsehbranche, weiß, was passiert ist, damit so etwas nie wieder passiert.“