„Fritten und Bier sind das Geburtstagsgeschenk an mich selbst“ – Nilz Bokelberg im Interview


Fritten und Bier feiern am 12. Oktober 2016 eine vorerst einmalige Livereunion. Wir sprachen mit Nilz Bokelberg über die Neunziger, Zynismus, ehemalige VIVA-Kollegen und eine Teilnahme am „Dschungelcamp“.

Wer an Nilz Bokelberg denkt, denkt vielleicht noch immer zuerst an diesen Grungelook-Teenager mit roten Haaren, der in den Neunzigern neben Heike Makatsch und Mola Adebisi zu den ersten sogenannten VJs auf VIVA gehörte. Der Sender startete Ende 1993 in Köln – und damit auch die diversen Karrieren seiner Moderatoren. Nilz Bokelberg gewann damals Michi Beck von den Fantastischen Vier als Produzent des ersten Albums seiner Band Fritten und Bier, IM ZEICHEN DES ARM-BEIN-MÄN. Es folgte mit KASSE TAFFEE + BEIN RÖTCHEN IN FULL PLUSQUAMEFFEKT 1996 eine weitere Platte, 1998 das Ende bei VIVA und seitdem diverse Projekte und TV-Auftritte. Unter anderem lehrt Bokelberg heute als Dozent für Medienethik an der „SRH Hochschule der populären Künste“ in Berlin, bloggt für den „Weltfrieden“ und die „Fünf Filmfreunde“ und hat 2013 sein zweites Buch „Endlich gute Musik“ veröffentlicht. Im Herbst kommt sein drittes Buch „Tristesse Renesse“ beim KiWi-Verlag heraus, doch es steht auch noch Größeres bevor: Am 12. Oktober 2016 feiern Fritten und Bier nach 20-jähriger Pause ihre Livereunion, neue Musik nicht ausgeschlossen. Grund genug, mit Nilz Bokelberg ein Interview über die Neunziger, Zynismus, ehemalige VIVA-Kollegen und eine Teilnahme am „Dschungelcamp“ zu sprechen.

Musikexpress.de: Warum verpasst Du Fritten und Bier eine einmalige Reunion? Und warum gerade jetzt?

Nilz Bokelberg: Je älter man wird, desto öfter denkt man daran, wie lustig es früher war. Fritten und Bier waren erfolglos, aber wir hatten irrsinnig viel Spaß. Außerdem werde ich am 12. Oktober 40. Da lässt man schon mal sein bisheriges Leben Revue passieren.

Klingt schwer nach Nostalgie.

Sehr. Ich schreibe gerade sogar ein Buch über meine Kindheit und Jugend. Über Ferienorte von damals, an die ich nochmal gefahren bin. Im Zuge dieser Erinnerungskultur kam auch die Idee zur Reunion von Fritten und Bier. Als Geburtstagsgeschenk an mich selbst.

Damals passierte alles in Köln. Warum spielt ihr Euer Konzert nun in Berlin?

Die meisten von uns wohnen in Berlin. Hier ist unser aller Lebensmittelpunkt. Köln holen wir vielleicht irgendwann nach.

Das Venue Bi Nuu ist sehr klein. Ist die Nachfrage geringer als erhofft?

Lieber ein kleines volles Venue als ein großes leeres. Wir sind nicht die Band, auf die die Welt seit Jahren gewartet hat. Es gibt nur eine Handvoll Menschen, die da noch Bock drauf hat. Für die machen wir das. Und für uns selbst, um eine lustige Party zu haben.

Neue Musik oder gar eine Tour wird es also nicht geben?

Wir warten auf die Proberaumdynamik, damals sind dort viele Sachen entstanden. Sagen wir mal so: Man kann damit rechnen, dass es ein oder zwei neue Songs geben wird, die wir fürs Konzert schreiben. Aber ob das eine ernsthafte Reunion auf längere Zeit werden soll, wage ich zu bezweifeln. Ich kann es aber auch nicht ausschließen. Was für ein Politikerstatement!

Du hast also nicht in den vergangenen Jahren immer wieder Songs geschrieben, die nun endlich rauskönnten?

Ich habe immer Musik gemacht, aus Spaß auch mal was auf Soundcloud veröffentlicht. Aber ohne ernsthafte Ambitionen. Auch Fritten und Bier hatten wir nur aus Spaß geschmissen.

Eine Begeisterung, die andere ansteckt, bewirkt und erreicht viel mehr als jedem zu sagen wie scheiße alles ist.

Euch kannte damals jeder.

Fritten und Bier waren mit meiner VIVA-Person verknüpft, deshalb kannten uns die Leute. Wir haben aber null Platten verkauft und die Tourneen teilweise vor vier Leuten gespielt. Egal, es war trotzdem die time of my life. Ein irrsinnig bescheuerter Kindergeburtstag ist das, mit einer Jungsband Monate quer durch Deutschland zu touren. Das wollen wir einmal wieder aufleben lassen.

Auf Last.fm zum Beispiel heißt es über Fritten und Bier: „Ihre Musik und Texte sind einfach und lustig. Es erinnert an Die Doofen.“ Wie beschreibst Du die Musik, die Ihr damals gemacht habt?

Damals habe ich ständig versucht, den Begriff „Comedy Grunge“ zu etablieren. Funktionierte leider überhaupt nicht. Es gibt wenig Würdeloseres als alternde Funpunks. Vor ein paar Texten, die ich damals schrieb, schaudere ich heute richtig. Aber auch diese Songs werden heute gnadenlos durchgezogen.

Welche Zeilen lassen Dich besonders schaudern, welche findest Du immer noch gut?

Es gibt den inhaltlich arg daneben geratenen „Fritten Rap“ vom zweiten Album, der nonchalant die Wörter Fotze auf Rotze reimt. Würde ich heute nicht mehr so machen. Den „Europa-Konflikt-Song“ aber mag ich immer noch, der ist trilingual und musikalisch extrem gelungen. Das hat sich so wie der Grunge angehört, der ich sein wollte. Die Beats und Scratches von Michi Beck und And.Y, die wir auf dem ersten Album spendiert bekommen haben, waren auch super. Michi wird übrigens beim Reunionkonzert als Gaststar auftreten.

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