Album der Woche

Ja, Panik

DON’T PLAY WITH THE RICH KIDS

Bureau B/Indigo (VÖ: 2.2.)

Von Freiheit zu Freiheit: Eine unverhoffte Rückkehr zum Indie-Rock mit einer Irrsinnsfreude am Irrsinn.

Versteht man die ersten drei Alben der österreichischen, aber am liebsten staatenlosen Gruppe Ja, Panik als ihre Sturm-&-Drang-Trilogie, folgte darauf der unvermeidliche Zusammenbruch DMD KIU LIDT. Nach diesem Höllenritt was the only way: up – in Form der ausbruchsfantastischen Himmelfahrt LIBERTATIA. Dort oben erforschten Ja, Panik über sieben Jahre das All, was sich im Sound ihres luftigen Comebackalbums DIE GRUPPE zeigt.

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Drei Jahre später schließt sich nun der Kreis. Welt(raum)erfahren kehrt die Band zum aus- wie einladenden Indie-Rock ihrer frühen Tage zurück – in a way. In jedem Fall relighten sie ihr Fire, fangen sie wieder Feuer, brennen sie wieder. „Ja, Panik topft“, heißt es im Opener „Lost“. Und: „J, P Supernova – die einzige Droga“. Musikalische Entsprechung findet diese Lust for Life in euphorischen, durch Gitarrenbretter schießenden Synthie-Fanfaren, in den Bläserwalzen aus dem Keyboard von „Kung Fu Fighter“. „Aber mit dir da lauf’ ich durch die Welt / Wie der Kung Fu Fighter / Gerade noch am Boden, steh’ ich auf / Mach’ einfach weiter“, singt Andreas Spechtl hier.

Die Irrsinnsfreude am Irrsinn

Wer sich anhand solcher Zeilen Selbstermächtigungshymnen erwartet, der liegt nicht falsch, aber schon auch daneben. Denn natürlich bekommt man Spechtl auch diesmal nicht zu fassen, immer wieder führt er uns in die Irre. Denn genau darum geht’s: die Irrsinnsfreude am Irrsinn. Am meisten versprüht diese das finale, nach der südlichsten Stadt Spechtls aktueller Wahlheimat Argentinien benannte „Ushuaia“: Beginnend wie eine typische Nummer der alten Helden der Band, Oasis, wandelt es sich in ein fast absurd episches, siebenminütiges Gitarrensolo – zügellos und ungeniert. Ja, Panik scheißen auf alles: auf Erwartungshaltungen, auf ihr Image als verkopfte Diskursrocker, auf „Arbeit“ und „Schule“, wie sie an einer Stelle singen und sogar „auf den Tod und seine Freunde“.

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Konkret und unmissverständlich wird die Band nur, wenn es wirklich wichtig ist, wie in „Fascism Is Invisible (Why Not You?)“, das in bester Tradition zu den Singalaongs, den Spechtlschen Gospel-Annährungen steht, die Platten wie THE ANGST AND THE MONEY prägten. Auch seinem induktiven Storytelling bleibt er treu und lässt durch intensive Auseinandersetzung mit sich  selbst einen anschlussfähigen Blick auf die Welt zu. In „Mama Made This Boy“ verhandelt er so seine prekäre Kindheit bei einer alleinerziehenden Mutter und zeigt denen Perspektiven auf, die ebenfalls nicht mit dem Silberlöffel gefüttert wurden: „Schuhe alt, thoughts neu.“ When life gives you Not, make Tugend draus.

Der knallende Startschuss zum nächsten Marathon für Ja, Panik

Trotz dieses Fortführens von Kontinuitäten und obwohl die satten Gitarren bestimmt pausierende Fans, die mit DIE GRUPPE gefremdelt haben, wiedergewinnen werden, zeigt DON’T PLAY WITH THE RICH KIDS natürlich ein bisserl nach hinten, aber vor allem nach vorne und eigentlich auch in alle anderen Richtungen: „Dein Gestern ist so tot / Dein Morgen ist so groß“. Das Leben verläuft nicht linear. Nicht das reine Verschwinden von Momenten prägt uns, sondern die Erfahrung – und noch nicht mal die unmittelbar. Was sich also zunächst wie ein Schritt zurück lesen mag, ist in Wahrheit der knallende Startschuss zum nächsten Marathon für Ja, Panik – selbstverständlich in „Second season Nike shoes“.

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