ME Liste

ME hat gewählt: Das sind unsere Alben des Jahres 2023


50 Alben, die uns begeistert haben – mit Platten von Boygenius, Mitski und Lana Del Rey.

10. Noel Gallagher’s High Flying Birds – COUNCIL SKIES

Da lieferte The Chief nach seinem experimentellsten Album, sowie dreier „Dance“-EPs, die voll am Fan-Geschmack vorbeigegangen waren, eigentlich genau die Back-to-the-Roots-Platte voller „Whatever“-Streicher, die die Massen hätte anziehen müssen – und dann blieben die fern wie nie zuvor. Als erstes seiner Studioalben verfehlte es Platz 1 im UK, war nach nur acht Wochen aus den Charts verschwunden. Lautstark bemängelte Gallagher das breite Desinteresse an den neuen Songs auf seiner US-Tour. Dabei hätte „Easy Now“ doch, wie angekündigt, die Leute „emotional zerstören“ sollen. Where did it all go wrong? Bitte noch mal anhören! – Stephan Rehm Rozanes

9. The Rolling Stones – HACKNEY DIAMONDS

Zugegeben, die Erwartungen an ein neues Stones-Album waren — nach viel Mittelmaß wie BRIDGES TO BABYLON oder A BIGGER BANG – im Jahre 2023 nicht die höchsten. Umso überraschender das durchweg gelungene Comeback der britischen Urgesteine mit ihrem 24. Studiowerk. Zeitgemäß und zugleich selbstreferenziell retro genug, hat Andrew Watt (Ozzy Osbourne, Iggy Pop, Eddie Vedder) der Band eine ansprechende Frischzellenkur verpasst. Dabei sind die wahren Stars der vor Gastbeiträgen nur so strotzenden Scheibe (u.a. Elton John, Paul McCartney, Stevie Wonder) weder Keith Richards ewiger Todes-Trotz noch Mick Jaggers Jungbrunnen-Gesang oder das letzte Geleit für Charlie Watts, sondern schlichtweg die Songs: Vom slicken Pop-Rocker „Angry“ über die Gitarren-Slide-Show „Dreamy Skies“ bis hin zum epischen Gospel-Gipfel mit Lady Gaga auf „Sweet Sounds Of Heaven“ – HACKNEY DIAMONDS ist eine geschliffene Geschichtsstunde von und mit der (immer noch) größten Rock-Band der Welt. – Frank Thießies

Taylor Swift ist zur „Person of the Year“ 2023 gekürt worden

8. Boygenius – THE RECORD

Die Spannung unter den Fans war groß, als Phoebe Bridgers, Lucy Dacus und Julien Baker Anfang des Jahres die Rückkehr ihrer queeren Supergroup ankündigten. Während ihre Debüt-EP seit der Veröffentlichung 2018 vor allem bei Fans trauriger Indiemusik regelrechten Kultstatus besitzt, wurde die Kampagne zum Debütalbum größer angegangen. Das, was THE RECORD auslöste, übertraf dann aber sämtliche Erwartungen. Auf TikTok gingen die Fanvideos monatelang viral, die Videos zur ausgedehnten Amerika- und Europa-Tour der Band ebenfalls. Das lag vor allem daran, dass sich die drei auf der Bühne gerne mal rummachen und persönliche Geschichten ausplaudern. Und die Musik? Die vereint in mehrstimmigen Arrangements die Stärken der drei Künstlerinnen. Dazu zählen das verträumte und offenherzige Songwriting von Phoebe Bridgers, die poetische Gewitzheit von Lucy Dacus und der grungige Alt-Rock Julien Bakers. Vor allem markiert The record einen wunderschönen Liebesbeweis an queere Freundinnenschaft. – Louisa Zimmer

7. Mitski – THE LAND IS UNHOSPITABLE AND SO ARE WE

„You believe me like a God, I’ll betray you like a man“, so geht eine der härtesten, gewalttätigsten Zeilen dieser gewaltigen, dabei nur gut eine halbe Stunde langen Platte. Anders als der Vorgänger LAUREL HELL mit seinen Synthesizern und schillernden Poprefrains kommt das in Richtung orchestralen Gothic-Country gehende THE LAND IS INHOSPITABLE AND SO ARE WE zuerst fast unscheinbar daher, hört man diese Lieder aber ein paarmal, möchte man am liebsten in ihnen wohnen. Und staunen, wie die störrischen Gitarren, die Lap-Steel, die Streicher und himmlischen Chöre ineinanderfließen. Wie Mitski jedes Wort mit ihrer unaufgeregt-eindringlichen Stimme formt. Es geht um Liebe und darum, nicht an sich selbst irre zu werden. Am Ende ist die Erzählerin „king of all the land“. Aber ist es immer noch das unwirtliche Land des Titels? – David Numberger

6. Sufjan Stevens – JAVELIN

18 Jahre nach seinem ersten Meisterwerk ILLINOIS, acht nach seinem zweiten CARRIE & LOWELL und ein halbes Jahr nach dem jüngsten seiner etlichen anderen Projekte ist der Oberindie-Songwriter mit einem „richtigen“ Album zurück. Und wie: Zwischen Folk, Kammermusik und Baroque Pop gibt sich der Lautmaler der leisen Töne auf dem im Heimstudio aufgenommenem JAVELIN so nahbar, entrückt und poetisch wie eh und je, mäandert zwischen „You know I love you“-Chören und „Will anybody ever love me?“-Selbstzweifeln. Stevens’ fast jenseitige Stimme kommt noch immer dem Gefühl gleich, scheinbar hoffnungslos in einer Höhle verschüttet zu sein, bis das Funkgerät plötzlich doch verrauschte Funk- und Zusprüche empfängt. Wie ein kleines Licht, in dem Leben und Tod, in jedem Fall aber Hoffnung und Befreiung, ganz nah beinander liegen. – Fabian Soethof