Jahresrückblick

Zwischen Trump-Caps und Pulitzer-Preisen: Was US-HipHop 2018 angestellt hat


2018 ist viel passiert im HipHop - und er schiebt sich immer präsenter in unser Leben. Dass die mittlerweile populärste Musikrichtung und ihre Kultur einen Großteil unserer Timelines, Cover, Gossiprunden ausmacht, verlangt einen Überblick darüber, was in den vergangenen zwölf Monate genau dort Thema war. Über Twitter-Irrsinn, Playlistfehden und POTUS-Koyoten.

Kendrick Lamar x Pulitzer

HipHop ist längst im Mainstream angekommen, klar. Dass ein Rapper allerdings mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wird, war Premiere. Das Komitee, das in der Kategorie Musik sonst hauptsächlich klassische Künstler für ihre Klavierkonzerte oder Symphonien auszeichnet, entschied sich in diesem Jahr für Kendrick Lamars „DAMN“. Dass ein HipHop-Album geehrt wurde, war ungewöhnlich – und absolut gerechtfertigt. Darüber hinaus wurde erstmalig ein derart populäres Album ausgezeichnet, dass Chartspitzen wie Kritikerköpfe fasziniert hat. Aber wer hätte das auch hinkriegen können, wenn nicht King Kunta?

Cardi B, Offset und wie viel Ehedrama in zwölf Monate passt

Wer dachte, das eigene Jahr 2018 sei turbulent gewesen, darf sich von Cardi B und Offset wieder auf den Boden der normalsterblichen Tatsachen bringen lassen. Kaum ein Paar (nicht einmal Kim Kardashian und Kanye West) schob sich so häufig in die diesjährigen Schlagzeilen wie dieses (ehemalige) Powercouple. Im April präsentiert Cardi ihren Babybauch während ihrer „Saturday Night Life”-Performance, im Juni zieren die beiden das Cover des US-„Rolling Stone“ unter dem Titel „A Hip Hop Love Story“, im Juli kommt Baby Kulture zur Welt. Alles gespickt mit andauernden Gerüchten, Offset sei ein (sehr) untreuer Ehemann. Diesen Dezember verkündet Cardi schließlich auf Instagram, ihre Beziehung zu Offset sei beendet. Und er bequemt sich immerhin zu einem „FUCK Y’ALL I MISS CARDI“-Tweet.

https://twitter.com/OffsetYRN/status/1071837090512543746

Kanye, Trump und Twitterirrsinn

Dass Kanye West spaltet, ist nicht neu. Trotzdem scheint es, als hätten in diesem Jahr auch die leidenschaftlichsten Ye-Fans aufgegeben, ihn in Schutz zu nehmen. Wirre „Trump is my brother“-Lobhudeleien auf Twitter machten im April den Anfang und bewiesen, dass er ebenso impulsiv mit dem Kurznachrichtendienst umgeht wie der US-Präsident selbst, alles nur noch schlimmer. Es folgten dutzende Selfies mit „Make America Great Again“-Cap und kontroverse Aussagen wie „400 years of slavery sound like a choice to me“, die nicht minder konfuse Erklärungsversuche nach sich zogen. Viele seiner Freunde und Kollegen wandten sich von ihm ab – unter anderem entfolgtem ihm Kendrick Lamar, Rihanna, Justin Bieber und die halbe Kardashian-Familie auf Twitter.

Der letzte verzweifelte Strohhalm, an den sich Kanye-Fans noch klammern: Angeblich sei alles nur ein Kunstprojekt. Kanye soll sich an Joseph Beuys „I like America and America likes me“-Aktion orientieren, im Zuge dieser sich der deutsche Künstler 1974 für ein paar Tage mit einem Koyoten in eine Galerie eingeschlossen hatte, um ihn zu bändigen. Dabei soll Kanye Beuys sein und Trump der Koyote. Oder so.

Vielleicht ist er gar nicht verrückt: Warum Kanye West die Reinkarnation von Joseph Beuys sein könnte

Ob verballertes Kunstprojekt oder nicht – Ye hat 2018 mehr Herzen gebrochen als mit „808s & heartbreaks“.

Trump und alle anderen

Dass Kanye mit seiner Trump-Love ziemlich allein dasteht im HipHop, wurde 2018 immerhin ein bisschen nach außen getragen. Pharrell hat gerichtlich verordnet, dass es Trump verboten ist, seinen Überhit „Happy“ auf Wahlkampfveranstaltungen zu spielen, Frank Ocean hat jedem kostenloses Merch geschickt, der wählen gegangen ist und Childish Gambino hält mit seinem Rassenhass und Polizeigewalt überzeichnenden „This is America“ den wohl wichtigsten Spiegel des Jahres vor – mit 443 Millionen YouTube-Views.

Spotify

Nie war Streaming so populär wie in diesem Jahr, ergo: Ein Rekord jagt den nächsten. Ein regelrechtes Wettrennen lieferten sich unter anderem Drake, Post Malone und J Cole, wenn es um Playlistenplatzierungen ging oder darum, wer die meisten Streams am Releasetag generieren konnte. Das Rennen machte wie im vergangenen Jahr schließlich Drake: Er ist der meistgestreamte Künstler in der Geschichte von Spotify. Aber nicht nur mit exorbitanten Zahlen hat sich Spotify dieses Jahr ins Spotlight geschoben: In Reaktion auf Vergewaltigungsvorwürfe gegen R Kelly und der Anklage, XXXTentacion habe seine schwangere Freundin verprügelt, nahmen sie sämtliche Songs der beiden von ihren Playlisten.

Zickenkrieg

Was wäre HipHop ohne Beef? Auch 2018 wurden wieder Krallen ausgefahren, bis einer heult. Nicki Minaj schickt ein „Fuck you“ Richtung Travis Scott, weil er mit ASTROWORLD ihr Album QUEEN vom Chartsthron geholt hat, J Cole und Lil Pump begraben jegliche Differenzen lieber und veröffentlichen ein einstündiges Klärungsgespräch. Am verbittertsten zankte aber wieder Drake. Leidenschaftlich schoss er gegen Meek Mill, Pusha T, Kanye West und wer sonst noch sein Gemüt kitzelte. Okay, Pushas „Story of Adidon“ hat der Welt auch offenbart, dass Drake ein Kind der Öffentlichkeit verwehrt. Drizzy konterte, Pusha auch und Drake beendete das Duell letztendlich unter dem „Der Klügere gibt nach”-Vorwand. Seinen Longtime-Erzfeind Meek Mill aber (der vor drei Jahren behauptet hatte, dass Drake seine Texte nicht selber schreibt) holte er bei seinem Boston-Konzert im September auf die Bühne. It’s all love, man.

2018 und Verlust

Am 7. September stirbt Mac Miller im Alter von 26 Jahren an einer Überdosis diverser Drogen, Schmerzmittel und Alkohol.

Etwa einen Monat zuvor hatte er mit SWIMMING gleichzeitig eines der besten Alben des Jahres und Hoffnung geliefert, sein langjähriger Kampf mit Abhängigkeit und Depressionen sei zumindest zeitweise aushaltbar geworden. Man dachte, dass es besser geworden ist. Dass Zeilen wie „I was drowning, but now I’m swimming“ solche wie „I’ll do anything for a way out of my head“ überstrahlen. Dass „I ain’t feelin‘ broken no more“ gegenwärtiger Zustand ist und „I’m treading water, I swear / that if I drown I don’t care“ lediglich Retrospektive sei. Dass SWIMMING nicht Abschluss, nur Neuanfang sein kann. Zahlreiche Künstler trifft der Verlust Mac Millers, es folgen Konzerte und etliche Neuinterpretationen seiner Songs zu seinen Ehren, J Cole weint, als er während eines Konzerts über ihn spricht.

Viele trauern in diesem Jahr ebenfalls um XXXTentacion. Am 18. Juni wird der Rapper, dem Songs wie „Look At Me!” und „SAD!” zu absurd großem Hype verholfen haben, am Steuer seines Wagens erschossen. Er wurde 20 Jahre alt.

Hierzulande trauern wir um SAM, der im November unter ungeklärten Umständen gestorben ist.

Die verstorbenen Persönlichkeiten 2018

Good News

Neben Frank Oceans Voting-Ansporn, großflächigem Trump-Boykott und großartigen Alben hat HipHop uns in diesem Jahr doch noch ein paar andere gute Nachrichten geliefert. So hat zum Beispiel Stormzy für zwei POC-Schüler  Stipendien an der Cambridge University ermöglicht und Gucci Mane Metro Boomin eine Million US-Dollar gezahlt, damit er weiterhin Musik macht. Und Kendrick Lamar wurde, siehe oben, mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. 2018 – thank u, next.

Noch mehr Jahresrückblick 2018 findet Ihr hier.

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