Kolumne

Paulas Popwoche: Neid auf J. Lo!


Paula Irmschler über Jennifer Lopez’ VÖ-Offensive, aktuelle FILME und Kim Petras.

Als ich angefangen habe, über Musik, beziehungsweise überhaupt, zu schreiben, waren Rants gerade total angesagt. Es war hip, Sachen prinzipiell und absolut abzulehnen und dabei mit möglichst toughen Wörtern um sich zu schmeißen. Das fand ich als Paarundzwanzigjährige, die immer zu den Uncoolen gehört hat und nun die Chance witterte, zurückzuschießen, natürlich mega. Verrisse machen Spaß. Was aber auch Spaß macht, sind Lobhudeleien. Das Dazwischen ist ja das Schwierige. Mittlerweile bin ich, glaube ich, zu glücklich oder so und versuche vielem „was abzugewinnen“. Wenn es nicht klappt, sage ich am liebsten: „Naja, ist halt nicht so mein Ding, aber gönnt euch, vielleicht mag ich es ja irgendwann.“ Es sei denn, etwas macht mich so sauer und verzweifelt, weil ich’s quasi POLITISCH schlecht finde, dass ich doch noch haten muss. Manchmal versuche ich es aber auch richtig, richtig, richtig lange, Gott weiß, warum. So ging es mir mit – lange Rede, kurzer Sinn –, dem neuen Album von …

Jennifer Lopez – THIS IS ME NOW

So. wenn man über eine Sache nichts Gutes zu sagen hat, soll man gar nichts sagen, sagen weise Leute in Filmen immer. Ich möchte also wirklich FAST NICHTS über dieses Album sagen. Und auch nicht über den Film, der dazu rausgekommen ist. Und über die Doku über den Film zum Album, die es auch noch gibt. J. Lo is trying so hard. Sie hat für den Film sogar 20 Millionen aus eigener Tasche bezahlt, zu ihrem Glück hat’s ihr Prime Video am Ende abgekauft. Es geht bei Album, Film und Doku irgendwie um ihre Suche nach Liebe und dann dass man sie erst bei sich selbst finden muss – um dann aber doch Mr. Right zu kriegen, Ben Affleck. Dann noch was mit der Heilung des inneren Kindes und Sternzeichen.

Sie erzählt (Doku) vor der Kamera auch alles so betroffen, als wär sie bei Hotel Matze zu Gast, obwohl es um gar nichts Großes geht. Zwei gute Sachen: Die Sternzeichen werden gespielt (Film) von Superstars: Jane Fonda, Sofia Vergara, Trevor Noah, Keke Palmer, Kim Petras und – mein Highlight – Post Malone (er ist ein megasüßer Löwe). Fat Joe ist J. Los Therapeut, das ist eine witzige Idee. Leider war niemand Witziges am Schreiben der Dialoge beteiligt, sodass es oft nur bei witzigen Ideen bleibt. In der Doku zum Film sagt Lopez, sie will irgendwas beweisen, man versteht nicht so ganz, was – vielleicht, dass sie sportlich ist, sie wird oft beim Sport gezeigt.

Paulas Popwoche: Ush, Ush, Ush

Irgendwie scheint mir, ihr geht’s zu gut und sie langweilt sich vielleicht ein bisschen … Neid … Ich kam nicht umhin zu denken: „Deine Probleme hätte ich gern!“ Sie singt in einem Lied (vom Album) „It aint’t all hearts and flowers“ – Maus, wir wissen das. In der Doku erzählt sie dann auch noch vom Trauma ihrer Kindheit: Sie war das mittlere Kind, fühlte sich nicht genug beachtet. Okay, J. Lo. Ich wünsche dir auch auf deinem weiteren Weg ALLES GUTE. Und ich höre lieber nochmal THIS IS ME…THEN (2002), da waren viele Kracher drauf. Jetzt frage ich mich natürlich wieder, liegt es an mir? Warum mag man manche Alben und manche nicht? Ich glaube nicht, dass Leute unbedingt schlechter werden, je länger ihre Karriere andauert (vielleicht liegt es aber manchmal am Reichsein) … Findet man alte Sachen nur der Nostalgie wegen gut? Es bleibt ein Rätsel. Beim 2002er Album will ich jedenfalls keinen Song skippen, bei der Fortsetzung leider alle. Aber entscheidet doch selbst!

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Private Berlinale

„Bob Marley: One Love“

Ich habe, abgesehen von Lopez’ hundert neuen Filmen, auch noch hundert weitere gesehen – ich bin eben eine Cineastin. Beim Film „Bob Marley: One Love“, war der Kinosaal fast leer, dafür aber einige Teenager drin, die – so meine Vermutung – jemanden kennen, der im Kino arbeitet, und dementsprechend nicht wie wir zehn Euro Eintritt gezahlt haben. Und denen aus diesem Grund die Fresssabbel nicht stillstand. Ab einem gewissen Punkt habe ich sogar meine Haare überprüft, ob sie mir nicht Popcorn reingeworfen haben. Einmal habe ich nämlich gefragt, ob sie nicht doch mal ruhig sein könnten – ich Vollidiotin, ich war doch selber mal 15, man respektiert in dem Alter niemanden, in den man nicht gerade IST. Am Ende hat eins von ihnen dann noch die Stimmung ruiniert mit dem Satz „Hä, er hätte sich doch nur den Zeh abschneiden lassen müssen“. Witzig, wenn man’s erzählt.

Paulas Popwoche: „You can’t sit with us!“

Der Film war aber sonst sehr schön, es geht vor allem um das Album EXODUS, das Friedenskonzert 1976 und um Marleys (Kingsley Ben-Adir) Ehe mit Rita (Lashana Lynch) – endlich, endlich, endlich wird eine Frau mal nicht zur Randfigur gemacht, sondern bekommt Raum, ist dreidimensional (leider kommen dafür die Wailers zu kurz). Besonders gelungen ist die Darstellung der Beziehung in einer Szene, in der Rita und Bob streiten und man die beiden kurz darauf auf der Bühne sieht – er singt sie bei „No Woman, No Cry“ an, sie verschwindet im Schatten.

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„Millers Girl“

Dann MUSSTE ich folgenden Film sehen, „Millers Girl“, damit ihr es bitte nicht müsst, denn – Achtung Rant! – es ist wirklich der schlimmste Scheiß. Ich sah vor ein paar Wochen den Trailer und wollte es nicht fassen: Jenna Ortega spielt eine Schülerin, die ihren Lehrer (Martin Freeman) für eine Kurzgeschichte im Stile von (ich denke mir das nicht aus) Henry Miller verführen will. Was wie der feuchte Traum eines pseudolinken 30-jährigen Typens, der einem, als man selbst Anfang 20 war, Sexpositivität einreden wollte, klingt, ist leider nicht als Satire gemeint – eine Hoffnung, die ich bis zum Schluss des Filmes hatte. Ich wartete auf die große Auflösung, den Twist (einmal wird er sogar angedeutet mit einem Monolog von dem Mädchen), aber nein. Diese 18-Jährige will wirklich das Leben des Mannes zerstören – eine Geschichte, die samt diesem elenden Lolita-Mythos immer wieder reproduziert wird.

Paulas Popwoche: Hier kommt die POPWALZE mit Ariana Grande & „Mean Girls“

Als hätten wir unter „Léon – Der Profi“ und ähnlichem Scheißdreck nicht schon genug gelitten. Unzählige Missbrauchsfälle, die spätestens seit #Metoo aufgedeckt wurden – und immer noch werden uns Geschichten von „überreifen“ Teenagern (aussehen wie ein Mädchen, manipulativ agieren wie eine Frau, fickbereit sein wie die Objektivierten im Browserverlauf von Männern) erzählt, während die erwachsenen Männer darin Jungs bleiben dürfen oder Tiere ohne Verstand sind. Natürlich hat Lehrer Miller auch noch eine alkoholsüchtige, zynische Ehefrau zu Hause sitzen und wäre selbst gern Schriftsteller geworden. Der Weg musste also zwangsläufig zum Missbrauch führen – denn ja, er küsst die Schülerin sogar. Er hat also eigentlich seine Bestrafung verdient! Trotzdem geht SIE als die Böse hervor, sie hat es mit dünnem, weißen Kleid provoziert und könnte doch jetzt bitte darüber schweigen? Holy shit, ich will hier nicht mal einen Trailer verlinken, so kacke ist das alles.

„Poor Things“

Dann habe ich auch noch „Poor Things“ gesehen und das hat mir den Rest gegeben. Der Film ist natürlich besser als „Miller’s Girl“, aber ich will einfach keine als Mädchen inszenierte Frauen mit schwarzen Disney-Haaren mehr sehen, die sich ganz zart und schwach geben, aber es dann doch (überraschenderweise!!!) faustdick hinter den Ohren haben, ich kann das nicht mehr.

Apropos. Natassja Kinski kämpft gerade dafür, dass Nacktszenen von ihr aus einem Tatort, für den sie 1977 (als 15-Jährige!) missbraucht wurde, nicht mehr ausgestrahlt werden dürfen. Heldin! Side Fact: Die Schauspielerin Sue Lyon, die im Film „Lolita“ (Stanley Kubrik) die Protagonistin spielt, war damals übrigens erst 14. Sie sagte später dazu: „Meine Zerstörung als Mensch geht auf diesen Film zurück.“ Es ist alles so schlimm.

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Kim Petras!

Habe ich mich eben noch über Sexpositivismus-Gelaber aufgeregt, komme (!) ich nun trotzdem zu Kim Petras. Hier besteht zumindest Konsens. „Fuckin’ this Fuckin’ That“, „Get Fucked“, „Rim Job“, „Butt Slutt“ oder auch „Can We Fuck“ heißen Songs von ihrem neuen Album, SLUT POP MIAMI, dem zweiten SLUT-POP-Album. Paar amerikanische Fans, die sie vor allem durch ihr Feature mit Sam Smith kennen, zeigen sich gerade schockiert im Internet. Wobei es slutty Songs natürlich auf all ihren Alben gibt, „Hit It From The Back“, „Coconuts“, „Treat Me Like A Ho“ und so weiter und sofort.

Paulas Popwoche: Pickel, Popkomm und Pimmel

Ich liebe das alles in ihrem Fall, weil es so drüber ist, weil nicht so getan werden kann, als würde man was falsch verstehen (wie wir in den Nullern immer tun mussten, wenn Britney, Christina oder Shakira mal wieder was super „zweideutiges“ rausgehauen haben und dann in Interviews lang und breit erklärt haben, dass es echt voll gar nicht sooooo sehr um Sex bei ihnen ginge). Bei Petras wird gefickt, und wie. Und auch wenn ich mit Mainstreampornoästhetik wirklich nichts anfangen kann, ist Petras so lustig, dass es für mich funktioniert – und vor allem ist sie einfach die derzeitige Queen of Pop. Niemand hat mehr BANGER in den vergangenen Jahren rausgehauen als sie. SLUT POP MIAMI kann man auch wieder in einem Stück durchballern (es ist auch nur 25 Minuten lang) und wird nie gelangweilt.

Mein Favorit:

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Nun trug es sich zu, dass sie am Dienstag in mein Köln kam, nein, ihr Köln, sie ist ja von hier! Sie sollte – hä? – im Palladium auftreten. Eine Halle mit schlechtem Sound, eingeschränkten Sichtverhältnissen und einer Kapazität von gerade mal 4.000 Leuten? Unser STAR von Übersee??? Aber tatsächlich – beim Konzert sagte sie noch in mittlerweile seltsam klingendem Deutsch – es sei ihr erstes ausverkauftes Konzert in Köln. We don’t deserve you, Queen. Sie strafte es nachher auch mit ein bisschen Shadyness: „Man kann alles werden, was man will. Ich komme ja auch von hier aus der Gegend …“ Köln – ein Ort, aus dem man es rausschaffen muss, haha. Naja.

Paulas Popwoche: It’s the woman in Britney, Bitch

Auf dem Weg zur Halle geschah aber auch schon Lustiges. Palladium und E-Werk liegen gegenüber voneinander. Im E-Werk sollte zur gleichen Zeit Olli Schulz spielen. Auf dem Weg dahin erkannte man bereits am Geruch, wer wohin wollte. Später sah man auf der einen Seite Mützenjungs mit kleinem Becks und auf unserer Seite Queermäuse mit den irrsten Energydrinks. Nachher gab es noch eine Schlägerei, Sluts gegen Schluffis. Spaß. In beiden Fangruppen hat schließlich niemand Muckis. Noch was zum Konzert: Es war gut! Die Bühne war einfach zu klein für Kim Petras. Nächstes Mal wird sie hoffentlich hochgebucht, mindestens auf Lanxess, Mercedes Benz und Co.

Tschööö, eure throat goat!

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